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Internationaler Fußball

Emotionale Landkarte

Oliver Fritsch | Freitag, 14. Oktober 2005 Kommentare deaktiviert für Emotionale Landkarte

Nach dem 1:0 Serbien-Montenegros über Bosnien-Hercegovina und der Qualifikation für die WM – Michael Martens (FAZ 14.10.) berichtet politisch brisante, grenzüberschreitende Identifizierung: „Eine harmlose, doch vielsagende politische Lektion war nach dem Spiel jenseits der serbischen Grenzen zu beobachten: Während das übliche Grundrauschen der serbischen Hauptstadt in der Nacht stundenlang durch den mehr oder weniger koordinierten Lärm hupender und singender Fußballfans übertönt wurde, feierte man auch in den Städten der Serbenrepublik von Bosnien-Hercegovina, der Republika Srpska, den Belgrader Triumph. In Banja Luka und anderen Orten der von Serben dominierten Landeshälfte von Bosniens Serbenrepublik galt der Sieg über die nur formal ‚eigene’ Mannschaft von Bosnien-Hercegovina nicht weniger als in Serbien selbst. Auch aus dem serbischen Nordteil der ethnisch geteilten Stadt Mitrovica im Kosovo wurden Siegesfeiern gemeldet. Die Grenzänderungen auf dem Balkan, welche die Staatengemeinschaft unbedingt verhindern will, haben in der Unterabteilung Fußball längst stattgefunden: Auf der emotionalen Landkarte der serbischen Fußballanhänger gehören die Republika Srpska von Bosnien-Hercegovina und der Norden des Kosovos selbstverständlich zu Serbien. Möglicherweise werden die Spieler von Ilija Petkovic bis zur WM sogar noch mehr Anhänger jenseits der eigenen Staatsgrenzen haben: Wenn es nach dem montenegrinischen Regierungschef Djukanovic geht, wird sich Montenegro spätestens im April 2006 durch ein Referendum für unabhängig von Serbien erklären.“

Neuer Schwerpunkt

Neue Bescheidenheit – Georg Bucher (NZZ 14.10.) beschreibt den Stilwandel Serbiens: „Das Stadion, in dem einst die jugoslawische Auswahl spielte und jene Serbien-Montenegros nach dem Zerfall des Vielvölkerstaates ihre Länderspiele austrägt, heisst Marakana. Als Vorbild diente das legendäre Maracanã in Rio de Janeiro. Heissblütig und unberechenbar wie ihre tropischen Pendants sind auch die Fans vom Balkan. Technisch versiert, schlitzohrig und leichtsinnig präsentierte sich früher das Ensemble aus serbischen, kroatischen, montenegrinischen und bosnischen Spielern, zum Beispiel Dzajic, Oblak, Savicevic und Mijatovic. Diese Zeiten sind passé. Politische Umwälzungen haben das Reservoir an guten Spielern verringert, wirtschaftliche Probleme engen den Spielraum des Verbandes ein. Mit der grossen Kelle wie in Titos Zeiten, als sportliche Erfolge noch ideologische Bedeutung besassen, kann nicht mehr angerichtet werden. Ein Spiegel des strukturellen Wandels ist die Spielkultur. Statt ohne Rücksicht auf eigene Verluste anzugreifen und das Publikum zu verzaubern, liegt nun der Schwerpunkt auf Sicherheit.“

Erbe

Marc Lehmann (NZZ 14.10.) bemerkt zum zweiten Platz der Slowakei: „Die Slowaken haben kürzlich in einem Testspiel Deutschland besiegt und wünschen sich die Brudernation Tschechien als Barrage-Gegner. Es wäre für sie eine Gelegenheit, sich dem übermächtigen Nachbarn in Erinnerung zu rufen. Die Tschechen vergessen nur allzu gerne, dass der grösste Erfolg aus gemeinsamen Zeiten, der Europameistertitel 1976, vor allem ein slowakisches und kein tschechisches Erbe ist. Der weitaus grösste Teil des damaligen Kaders bestand aus Slowaken.“

Frankreich ist kein Fußballland

Frankreich ist qualifiziert, doch kapieren es die Franzosen, Ralf Itzel (SZ 14.10.)? „Die Zuschauer hatten sich bereits nach dem Seitenwechsel mit La Ola amüsiert, dabei hätten sie besser weiter anfeuern sollen – denn wäre der Schweiz noch ein Tor gelungen, hätte nur ein eigener 5:0-Erfolg Frankreich davor bewahrt, in ein Playoff zu müssen, anstatt an diesem Tag die deutsche Elf zum Test empfangen zu können. Die komplexe Situation hatte das Publikum offenbar nicht begriffen, was wieder einmal beweist, dass Frankreich kein Fußballland ist. Zur Nationalelf gehen die meisten wie in den Zirkus, und Zidane ist darin die große Nummer. Der kahle Genius von Real Madrid verfügt nicht mehr über die Energie der jungen Jahre, aber er ist nach wie vor der große Lenker, fähig, dem Lauf der Dinge in jedem Moment die entscheidende Wende zu geben.“

Keine Gewißheit

Christian Eichler (FAZ 14.10.) erörtert Perspektive und Chance Englands: „Das Torwartproblem des späten Seaman ist durch Paul Robinson gelöst; mit Rooney und Lampard sind zwei neue Weltstars erwachsen; und Beckham fügt sich mehr und mehr in die Nebenrolle, die seinen tatsächlichen Fähigkeiten entspricht. Und doch fehlt der große Durchbruch, der Urknall, der aus dieser ‚Goldenen Generation’ eine Siegergeneration macht. Es fehlt auch die Gewißheit, mit Eriksson den richtigen Mann für diese Aufgabe zu haben. Man wirft ihm taktischen Wankelmut vor und die Unfähigkeit, ein kippendes Spiel durch geschickte Wechsel zu wenden. Und dazu einen angeblichen Mangel an Leidenschaft, den man aber schon bei seiner Verpflichtung 2001 kennen konnte – und noch mindestens acht Monate aushalten muß.“

NZZ: die Schweiz nach der Gruppenphase

BLZ: Heimlich auf die Gästeliste – durch die Qualifikation für die WM hat die polnische Nationalmannschaft ihr Imageproblem vorerst beseitigt

NZZ: das Ende der WM-Qualifikation in Südamerika

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