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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Eintracht Frankfurt – 1. FC Köln 6:3

Oliver Fritsch | Montag, 24. Oktober 2005 Kommentare deaktiviert für Eintracht Frankfurt – 1. FC Köln 6:3

„Wenn das kein Chaos ist, gibt es den Zustand nicht“, flunkert die SZ; „wenn sie es nicht einmal mit einem Mitaufsteiger aufnehmen können, mit wem dann?“, legt die FAZ ihre Stirn in Falten. Entsetzen über die Leistung der Kölner, doch die meisten Journalisten nehmen Uwe Rapolder in Schutz, indem sie auf die schwierigen Bedingungen verweisen, „den aufgeregten Kölner Boulevard“ (taz) und sogar die Fans – einerseits. Andererseits entsteht durch die Lektüre ein uneinheitliches und befremdendes Bild des Menschen Rapolder und seiner Menschenführung: Lebemann, Intellektueller oder beides? Oder nur ein „Hobby-Philosoph“, wie ihn die FR einmal despektierlich genannt hat. Zudem sickert Internes über seinen angeblich harten und kritisierten Ton mit Spielern durch. Rapolder blickt uns Zeitungslesern und Internet-Nutzern einige Male verängstigt und verstört entgegen, etwa auf stern.de.

Mangel an Geduld

Matti Lieske (BLZ) kritisiert das nervöse Kölner Umfeld und blickt auf das schwierige Programm der nächsten Wochen: „Sollte die Punktausbeute so gering sein, wie es zu erwarten ist, werden die Kölner Fans, die die borniertesten und realitätsfernsten der Liga sind, spätestens bei Karnevalsbeginn vollends Amok laufen. Und Rapolder wird sich fragen, warum er das gemütliche Bielefeld verlassen und sich in eine Stadt begeben hat, wo man das Mitspielen um die Uefa-Cup-Ränge und seit der Ankunft eines Messias namens Podolski eigentlich auch den Gewinn der Meisterschaft für selbstverständlich hält. Der Gedanke, einem erklärten Konzepttrainer die nötige Zeit zur Etablierung seines Systems einzuräumen, kommt den Kölner Fans jedenfalls so absurd vor wie das Ansinnen, Kölsch aus einem Pilsglas zu trinken. Und darauf, dass das ewige Auf und Ab des Vereins mit einem Mangel an Geduld zu tun haben könnte, kommt keiner.“

Raserei

Auch Wolfgang Hettfleisch (FR) empfiehlt den Kölnern Gelassenheit: „Dem Überschwang, den der Kölner seinem FC entgegenbringt, ist die Raserei nicht fremd. Und so fallen das mediale Echo wie auch die Reaktionen der Fans immer ein bisschen extremer aus als bei der Konkurrenz. Das ist gut, um im Gespräch zu bleiben, aber ausgesprochen schlecht, will man einer verunsicherten Mannschaft auf die Beine helfen. Wo jedes unbedacht dahergesagte – und kurzerhand umgedeutete – Wort eines 20-Jährigen dessen Trainer den Kopf kosten kann, ist für Vernunft kein Platz. Wo eine Zeitung wie der notorisch FC-besessene Express täglich die Guillotine auf den Alter Markt schiebt, unter deren Fallbeil Rapolder doch nun, bitteschön, endlich sein Löwenhaupt legen möge, ist an konzentrierte Arbeit auf dem Trainingsplatz und an der Taktiktafel nicht zu denken.“

Wachhund und Zuchtmeister

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ) berichtet aus dem Kölner Innenleben: „Die Kölner Führungsgremien betonen gerade in diesen schweren Stunden, wie fest sie zu Rapolder stehen. Allerdings haben sie ihm mit Stefan Engels einen Ko-Trainer zur Seite gestellt, dem die Funktion eines Wachhundes für den lebens- und sinnenfrohen Rapolder zukommt. Bisweilen scheint die Diskrepanz zwischen dem, was Rapolder vorlebt, und dem, was der Zuchtmeister vom Personal verlangt, nicht überbrückbar. Es knirscht vernehmlich im innerbetrieblichen Getriebe. Man spricht sich aus, aber es kommt nichts dabei heraus.“

Zu intelligent?

Oskar Beck (Welt) porträtiert Rapolder und schlägt in der Vereinshistorie nach: „Wenn man ihn anruft, um ein Interview zu vereinbaren, kann es passieren, daß er sagt: ‚Wie wär es 14 Uhr? Da bin ich intellektuell am stärksten.’ Ist dieser Trainer für die Kölner zu intelligent? Rapolder hat Betriebswirtschaft studiert und bei einer Schweizer Bank das Formularwesen neu strukturiert. Aber genauso perfekt hält er heute eine wissenschaftliche Vorlesung über die Kunst des Forecheckings, der strategischen Balleroberung und des klugen Konterns – und das nicht nur auf Deutsch oder Schwäbisch, sondern notfalls auch auf Englisch, Französisch, Italienisch, Flämisch und Schwyzerdütsch, und auf besonderen Wunsch noch flankiert oder unterlegt von einer Weisheit von Seneca oder Nietzsche. (…) Schon Morten Olsen ist bei den Jecken gescheitert. Der Däne gehört zu den taktisch Herausragenden unter den Trainern und hat erst kürzlich wieder den Kopf geschüttelt über Otto Rehhagel und die Griechen: Einen Fußball aus der Flintstone-Zeit bescheinigt er ihnen – was durchaus verständlich ist. Andererseits: Die Dänen mit ihrem hochintelligenten Fußball haben es zur WM genauso wenig geschafft – womöglich hat ihnen unter ihren Rasenschachspielern einer gefehlt, der notfalls auch mal einen Flugkopfball gegen die Bordsteinkante nicht scheut.“

Raffinesse

Frankfurt spielt, und Thomas Kilchenstein und Jürgen Heide (FR) bleibt die Luft weg: „Was Eintracht Frankfurt in den ersten 45 Minuten in ein Fußballspiel packte, war von bemerkenswerter Raffinesse, von einer unglaublichen Laufbereitschaft, von einer sich gegenseitig hochschaukelnden Begeisterung, die einem fast den Atem raubte. Es war ein Spiel von ungeahnter Leichtigkeit und Schönheit, und bisweilen fühlten sich die Älteren unter den Zuschauern an eine Eintracht-Epoche erinnert, in der die Herren Bein, Möller, Yeboah Sahnehäubchen-Fußball präsentierten.“

FAZ: Francisco Copado, „nie mehr Hallodri“

Bayern München – MSV Duisburg 4:0

Das entscheidende Thema in der Presse: Das „Aufbauspiel für Roy Makaay“, wie es das DSF und Premiere vorher deklarierten, ging verloren. „Der FC Bayern gewinnt 4:0, der FC Makaay verliert den Kampf gegen die Torflaute“, bemerkt die SZ; „Roy Makaay beklagt eine Durststrecke, die das 4:0 überschattet“, schreibt die FR.

Habitus der Überlegenheit

Gerd Schneider (FAZ) lobt die Bayern dafür, dass sie den Gegner ernst nehmen: „Es gibt einige Indizien, daß die Bayern unter Magath auf einem guten Weg sind. Etwa das Spiel am Samstag, gegen den Aufsteiger traten die Bayern mit der gleichen Zielstrebigkeit, physischen Präsenz und dem Habitus der Überlegenheit auf, mit der sie Juventus Turin in die Knie gezwungen hatten. Die bedauernswerten Duisburger mußten sich vorkommen, als wären sie überrollt worden.“

BLZ-Spielbericht

Hannover 96 – Werder Bremen 0:0

Zwei Aspekte: Werder Bremen wird vorgehalten, die Balance zwischen Spielfreude und Rationalität nicht zu finden: „Erlebnisfußball kann Werder besser als Ergebnisfußball“, stellt die FAZ fest. Ewald Lienen hat zwar Erfolg, gilt aber angesichts seines Abwehrprimats als „Spielverderber“ (FTD), auch in Hannover.

Offensiver Stärken beraubt

Frank Hellmann (FR) vermisst den Bremer Stachel: „In dem Verlangen, die defensive Stabilität zu finden, hat man sich offensichtlich einiger offensiver Stärken beraubt; so wenig wie nie zuvor in dieser Saison brachten die Bremer im Angriff zustande.“

Frank Heike (FAZ) stimmt zu: „Der meisterhafte Schwung nach vorn ist Werder im Bemühen um Stabilität verlorengegangen.“

Image

Bietet Lienen Hannover zu wenig, Christian Otto (FTD)? „Für 65 Mio. Euro hat sich der Verein das gute alte Niedersachsenstadion in die schmucke, WM-taugliche AWD-Arena umbauen lassen. Aber die ist in dieser Saison noch nicht ein Mal ausverkauft gewesen, nicht einmal beim Nordderby gegen Werder. Der Klub strampelt sich ab, um sein Image von der grauen Maus loszuwerden. Aber wenn Ewald Lienen Kindern Autogramme gibt und sie dabei zuweilen sogar anranzt, dann blicken sie sich gegenseitig an, als hätten sie soeben einen Mann getroffen, der irgendwie nicht in dieses Business passt.“

Borussia Mönchengladbach -1. FC Kaiserslautern 4:1

Mönchengladbach gewinnt und gewinnt, und keiner weiß so recht, warum. Auf das Verdienst Horst Köppels verweist zurzeit nur die Bild-Zeitung: „Der Wunder-Horst“.

Wer soll da noch durchblicken?

Wie die Würfel nun mal fallen – Richard Leipold (FAZ) erkennt den Faktor Zufall im Fußball: „Siege und Niederlagen werfen zuweilen dieselbe Frage auf: Warum? Mönchengladbach spielt seit Wochen mäßig und gewinnt fast immer – mal glücklich und knapp, mal verdient, aber zu hoch. Kaiserslautern verliert, mal mit guter, mal mit schlechter Leistung. Eine Logik ist dahinter schwer zu erkennen. Wer soll da noch durchblicken?“

FR-Spielbericht

Hertha BSC Berlin – FSV Mainz 3 :1

Fußball in Berlin hat Soap-Charakter. Marcelinho schimpft über seine Mitspieler, schießt zwei Tore und versöhnt sich mit allen. Die FAZ rollt mit ihren Augen: „Die große ‚Bitte verzeiht mir’-Show“. In Mainz klopft man dem „Niederlagensieger Jürgen Klopp“ (taz) auf die Schulter – gut gespielt, aber immer vorbeigeschossen.

GMSM

Ronny Blaschke (SZ) wartet auf die nächste Folge Marcelinho in Berlin: „Es ist übertrieben, die überragende Leistung Marcelinhos als Aufbruch zu neuen Ufern zu werten; es war eher eine Etappe auf dem Weg der Launen. Nicht nur die Leistung von Hertha ist stark von dem 30-Jährigen abhängig, sondern auch die Stimmung im Team. Das ist der Kreislauf von GMSM, guter Marcelinho, schlechter Marcelinho, und das Prinzip des ewig überambitionierten Vereins Hertha BSC.“

Gefühlte Siege

Die FR leidet mit den Mainzern: „Stets betreiben die Mainzer einen Aufwand, der mit dem Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis stand. Viele Chancen wurden vergeben, viele Fehler wurden in der Defensive fabriziert. Mainz hat einige gefühlte Siege errungen und stets einen Trainer hinterlassen, der nicht wie ein Verlierer aussehen wollte.“

BLZ-Spielbericht

VfL Wolfsburg – Schalke 04 0:0

Nicht viel zu lesen, wohl ein Mittelfeldduell. „Schalke lässt Bayern enteilen und ist zufrieden“, tadelt die SZ die unbesiegten Schalker und fordert mehr Anspruch.

Weg des Friedens

Der Tagesspiegel fragt einen der sieben anwesenden tibetischen Mönche, Lama Lobsang Tashi, zum Spiel: „Ich war überrascht, wie sehr mich und meine Mönche das Spiel eingenommen hat. Wir waren richtig drin im Geschehen. Die Stimmung im Stadion war ja auch mitreißend. Ich habe die Mentalität der Menschen hier als sehr positiv empfunden. Für die Zuschauer wäre es natürlich schön gewesen, wenn die Heimmannschaft aus Wolfsburg gewonnen hätte. Aber ich als Buddhist bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Ein Unentschieden bedeutet die goldene Mitte. Es ist das allerbeste Ergebnis für beide Mannschaften. Es gibt keine Enttäuschung und keinen Erfolg. 0:0 ist der Weg des Friedens.“

taz-Spielbericht

1. FC Nürnberg – Arminia Bielefeld 2:3

Die Nürnberger Niederlage ist zum Davonlaufen, die FAZ schlägt die Hände überm Kopf zusammen: „Die Club-Abwehr legt eine Naivität im Verteidigen des Vorsprungs an den Tag, der in dieser Leistungsklasse selten anzutreffen ist.“ Welche Lehre ist aus dem Spiel zu ziehen, welche Folgen hat sie? Die Welt fragt Lothar Matthäus, der seinen Textbaustein von sich gibt: „Mir liegt zwar definitiv kein Angebot vom Club vor. Doch ich stehe Verantwortlichen von Vereinen jederzeit für Gespräche zur Verfügung, wenn diese von meiner Arbeit und meiner Person überzeugt sind.“

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