Bundesliga
Am Gängelband
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| Dienstag, 8. November 2005Beim Spiel zwischen Nürnberg und Stuttgart treffen zwei Deprimierte in unterschiedlichen Stadien aufeinander. Nürnberg sucht und sucht einen Trainer, Stuttgart weiß nicht, ob es sich über den 1:0-Sieg freuen soll. Einbilden kann es sich nichts darauf, denn das eigene Spielniveau und das des Gegners sind mangelhaft und ungenügend. Die Stuttgarter Zeitung erschrickt: „Zwei Mannschaften spielten nicht mit dem Ball, sondern gegen den Ball.“ Zudem fällt auf, dass die Stuttgarter Vereinsführung nicht mehr den Optimismus Giovanni Trapattonis nach ähnlichen „Triumphen“ in der Frühphase der Saison teilt. „Erwin Staudt tut sich schwer, bei Trapattoni eindeutig mit dem Daumen nach oben zu zeigen.“ (StZ). Oliver Trust (FAZ) rechnet weiterhin mit dem baldigen Trennung: „Die Ungewißheit um die Zukunft von Trapattoni wird weitergehen. (…) Der 66 Jahre alte Trapattoni fühlt sich immer stärker am Gängelband geführt, und die VfB-Führung spürt, daß sie diesen eigensinnigen Trainer kaum wird einfangen können. So hilft man sich mit gegenseitigen Drohgebärden über die Runden, um irgendwann einen Abgang ohne größere Schäden zu konstruieren. Ein schwacher Trost, daß der Gegner aus Nürnberg in diesen Tagen noch schlechter dran ist.“
Depp
Peter Neururer spricht seine Ablehnung auf Nürnbergs Mailbox – typisch „Club“, findet Volker Kreisl (SZ): „Es war vielleicht auch ein Glück, dass jene Nachricht, die den Club abermals republikweit zum ‚Deppen’ machte, noch gar nicht an die Ohren der Fans gedrungen war: Neururer, der nächste Hoffnungsträger, hatte abgesagt, auf eine Weise, wie es eigentlich nur dem Club passieren kann. Der Verein, der es 1999 fertig gebracht hatte, kurz vor dem Abstieg Dauerkarten für die nächste Erstligasaison zu verschicken, erhielt nun als vermutlich erster Bundesliga-Verein eine Trainerabsage per Mailbox. Später entschuldigte sich Neururer für die ‚Stillosigkeit’ dieses Reflexes, die Wirkung für die Nürnberger Fans dürfte niederschmetternd bleiben. Sie hatten sich mit ihrem Votum gegen den abgehobenen Matthäus ja indirekt auch für einen Arbeitertyp à la Neururer ausgesprochen, und nun kommt der nicht, weil die Mannschaft offenbar nichts drauf hat.“ Wolfgang Hettfleisch (FR) kommentiert Neururers Absage mit Blick auf den geschlossenen Kreis Bundesligatrainer: „Die Verhandlungsposition beschäftigungsloser, aber als bundesligatauglich erachteter Trainer ist stark. Der ökonomische Druck fördert die Hire-and-Fire-Mentalität der Klubs, erschwert kontinuierliche Arbeit nach Bremer Vorbild und macht es so Newcomern schwer, in den exklusiven Zirkel vorzustoßen. Jene, denen das zuletzt gelang, profitierten vom Aufstieg (Klopp), wussten eine mutige Vereinsführung hinter sich (Doll) oder übernahmen ein Himmelfahrtskommando (Henke). Das eingefahrene System sorgt derweil dafür, dass überall dort, wo der Trainerstuhl wackelt, wieder die üblichen Verdächtigen ins Spiel kommen. Das müssen beileibe nicht die am besten geeigneten Kandidaten sein.“
Das Konzept heißt Poldi
Peter Unfried (SpOn) erläutert Uwe Rapolder seinen schweren Kölner Weg: „In Köln findet man, dass man Systemfußball gerne spielen kann. In Bielefeld. Oder Bitterfeld. Wer aber ein nationales Jahrzehnttalent wie Podolski hat, Kölns größten Sohn seit Willy Millowitsch, der soll aufhören mit dem Quatsch, den Helden in die Spitze oder sonst zu etwas zu zwingen. Nein: Er soll ihm Witze erzählen, ihm bei Bedarf den Rücken massieren und ihn machen lassen. Tenor: Das Konzept heißt Poldi. (…) Da kommt so einer aus Bielefeld und will ihnen erklären, wie Fußball geht, wo man den doch in Köln erfunden hat. (…) Das wahre Dilemma entstünde ja erst, wenn Rapolder Erfolg hätte. Dann nämlich wäre der Held der wichtigsten Stadt des Universums ein Teilchen in der Versuchsanordnung eines schwäbischen Philosophen oder Egozentrikers. Das wäre der ultimative Triumph des Trainers. Und das Ende von Köln.“
NZZ: Tranquillo Barnetta in Leverkusen ohne Selbstzweifel