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Bundesliga

Ich kenne wenige Trainer, die aus Scheiße Butter machen können

Oliver Fritsch | Samstag, 19. November 2005 Kommentare deaktiviert für Ich kenne wenige Trainer, die aus Scheiße Butter machen können

Hans Meyer im Gespräch mit Peter Heß (FAZ)
FAZ: Sie kritisieren einerseits leidenschaftlich den Fußball, andererseits sprechen Sie voller Begeisterung über ihn: Bereiten Ihnen die Mißstände keinen Frust?
HM: Es gibt keinen Grund, mit meiner Karriere unzufrieden zu sein, obwohl ich nie einen Titel gewonnen habe. Ich bin sehr dankbar, in dem herrlichen Sport arbeiten zu können. Mit jeder Mannschaft in den 33 Jahren habe ich Spaß gehabt, zugegeben nicht in jeder Phase. Ich gehe immer noch unheimlich gerne in die Stadien, viele Facetten des Fußballs begeistern mich noch immer. Ich bin nur ein bißchen frustriert, weil die Nachwuchsarbeit immer noch auf einem völlig falschen Weg ist. Fußball wird oft nicht mehr durch fußballspezifische Spielformen gelehrt. Fußballfremde junge Leute aus der Leichtathletik und der allgemeinen Trainingslehre werfen dem deutschen Fußball vor, nicht wissenschaftlich genug zu sein. Aber was läßt sich im Fußball denn überhaupt wissenschaftlich erfassen? Höchstens zehn Prozent, wenn es um Ausdauer und Kondition geht. Relevant sind andere Dinge. Die Erfahrungen, die wir im DDR-Leistungsfußball gemacht haben und mit denen wir auf die Schnauze gefallen sind, müssen wir in Gesamtdeutschland nicht wiederholen, nur weil sich Wissenschaftler in den Vordergrund rücken wollen.
FAZ: Dann halten Sie Klinsmanns neue Methoden nicht für wirkungsvoll?
HM: Neu? Koordinationsübungen, Laufen gegen Widerstände, das haben wir 1969 in Jena schon gemacht. Lachen Sie nicht, das kann ich belegen, die Unterlagen besitze ich noch. Jürgen Klinsmann hat recht, wenn er durch Individualisierung des Trainings Reserven herausholen möchte. Er kann bei dem einen oder anderen Spieler die Fitness verbessern, die Trainingsstände sind unterschiedlich. Aber das grundsätzliche Problem ist nicht die Athletik, sondern ein taktisches. Wir entwickeln Spieler, die die Spielsituation zu spät erkennen, zu langsam denken. Es ist im deutschen Fußball der völlig falsche Ansatz, alles zu verwissenschaftlichen. Wenn behauptet wird, in Holland und England würde besser Fußball gespielt wegen der höheren Wissenschaftlichkeit, dann ist das Unsinn. Ich war in Holland, die sind auf diesem Gebiet blind, da sind wir viel wissenschaftlicher. Aber sie haben Praktiker, die den jungen Leuten das Fußballspielen beibringen können. Und in England wird nicht mehr trainiert, wie manche behaupten, sondern weniger als bei uns, weil sie noch mehr Wettkämpfe haben. (…)
FAZ: Wird der Einfluß der Trainer über- oder unterschätzt?
HM: In der Regel wird er überschätzt. Ich kenne wenige Trainer, die aus Scheiße Butter machen können. (…)
FAZ: Die Klagen über Wohlstandsjünglinge und schlechte Manieren werden immer wieder von Trainern, unter anderem von Berti Vogts und Jupp Heynckes, geführt.
HM: Wohlstandsjünglinge gibt es natürlich überall. Heynckes meinte das anders, als er die spanischen Profis hervorhob. Dort gibt es einfach ungeschriebene Gesetze, die die Profis demütiger sein lassen: im Umgang mit den Vereinsangestellten, die Achtung vor den Masseuren und so weiter. In Deutschland verkraften die jungen Männer den Reichtum schwerer, auch weil sie keine klare Ansage kriegen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit danebenbenehmen. Sie bekommen es sogar vorgelebt von einigen Stars oder ehemaligen Stars, die sich unglaublich respektlos über andere äußern.

of: Sehr billig, Herr Meyer! Am Fußball-Stammtisch kann man leicht punkten, man muss nur gegen die Verwissenschaftlichung des Fußballs wettern. Jetzt verstehen wir auch Ihre Selbstdefinition „Lattek des Ostens“. Doch, das was Sie den Wissenschaftlern vorwerfen, hat keiner von ihnen je behauptet, nämlich dass wissenschaftliche Methoden und wissenschaftliches Denken allein den Erfolg im Fußball garantieren. Aber helfen könnte die Wissenschaft, etwa im Konditionstraining, zu dessen Besserung wissenschaftliche Messungen beitragen. Doch Wissenschaft besteht nicht nur aus Daten, Zahlen und Figuren; es geht auch um Ideen. Was Meyer befürwortet, nämlich ein spielgemäßes Training für die Fußball-Jugend, diskutieren und fordern manche Sportwissenschaftler seit mehr als drei Jahrzehnten, zum Beispiel Detlev Brüggemann.

Fluch

Thomas von Heesen ist durch den Erfolg mit Arminia Bielefeld in den Blick der Journalisten und Redaktionen gerückt. Die Sport Bild hat in ihrer aktuellen Ausgabe ein Portrait verfasst, in dem sie seine Strategie und sein System würdigt. Heute beschreibt Christoph Biermann (SZ), wie von Heesen Bielfeld prägt: „Weitgehend unbemerkt hat von Heesen in verschiedenen Rollen das etabliert, was man einen Bielefelder Stil nennen könnte. Gezielt hat er mal als Manager und dann wieder als Trainer der Arminia wieder solche Spieler nach Bielefeld geholt, ‚die keiner kennt, die aber bei den Leuten gut ankommen’. Der Südafrikaner Zuma ist nur das letzte Beispiel in einer langen Reihe von schnellen, technisch starken Kickern mit einer Neigung zum Spektakulären; Billy Reina, Jörg Böhme, Patrick Owomoyela oder Delron Buckley gehören ebenfalls dazu. Mit solchen Spielern will von Heesen so auftreten, dass nicht nur genügend Punkte zusammenkommen, sondern dass sich das Publikum auch wieder für die Arminia begeistern kann. Dass Bielefeld für viele talentierte Profis nur Durchgangsstation war, ist für ihn kein Problem, sondern Teil der Vereinsidentität.“ Udo Muras (Welt) ist der Misserfolg derjenigen aufgefallen, die Bielefeld verlassen: „Das attraktive Spiel der Bielefelder Nobodies rief die halbe Liga auf den Plan – und kostete die sparsamen Arminen die halbe Mannschaft. Wegen vermeintlich besserer Perspektiven bei anderen Klubs. Das scheint einer der fatalsten Irrtümer der Bundesligageschichte zu werden, denn abgesehen von Patrick Owomoyela geht es keinem besser. Benjamin Lense und Ervin Skela stehen auf Abstiegsrängen, in Abstiegsgefahr ist auch Uwe Rapolder. Delron Buckley, vorübergehend einer der torgefährlichsten Stürmer der Liga, wartet noch auf seinen ersten Treffer. Er spielte erst siebenmal, nie über 90 Minuten. Es scheint, als laste ein Fluch auf allen, die Bielefeld untreu werden. Klubpräsident Hans-Hermann Schwick verlängerte mühelos die Namensliste mit Beispielen aus der jüngeren Vergangenheit – mit Maul, Diabang oder Wichniarek, die abstiegen oder Reservisten wurden.“

Künstliche Rivalität

Mainz gegen Frankfurt, Derby ohne Tradition – Ingo Durstewitz (FR): „Das Derby besitzt einen besonderen Stellenwert. Die Verantwortlichen beider Klubs sprechen mit Weitsicht und Respekt vom nicht mal 50 Kilometer entfernten Konkurrenten, sie achten und schätzen sich. Die beiden Trainer sprachen sich in der FR ihre gegenseitige Hochachtung aus. Im Grunde ist die Rivalität beider Vereine eine künstliche. Die Landesgrenze zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz trennt die Klubs, in der Geschichte gab es lediglich acht Punktspiele gegeneinander – allesamt im Unterhaus. Über Jahrzehnte waren kaum Berührungspunkte auszumachen, eine Debatte über die Herrschaft im Rhein-Main-Gebiet wäre als absurd empfunden worden.“

FAZ-Gespräch mit Christian Heidel und Heribert Bruchhagen, Manager von Mainz und Frankfurt
FR-Interview mit Harald Strutz
BLZ: Alexander Meier spürt die Nebenwirkungen seiner Tore

FR: Spaß-Peter in der Duz-Offensive – Neururer bleibt sich treu und begeistert Fans

Welt-Interview mit Falko Götz

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