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Ascheplatz

Neue Offenheit

Oliver Fritsch | Mittwoch, 30. November 2005 1 Kommentar

Alle Zeitungen befassen sich heute mit der Berliner Mitgliederversammlung, mit Spannung haben sie darauf geachtet, wie die Vereinsführung über Schuld und Schulden redet. Siehe da, Dieter Hoeneß und Ingo Schiller (Geschäftsführer) scheuen nicht, schwarz „schwarz“ und Verbindlichkeiten „Verbindlichkeiten“ zu nennen. Doch Heldenmut sei diese Ehrlichkeit nicht geschuldet, sondern Zwang. Was haben die Chronisten für die verspätete und unfreiwillige Ehrlichkeit übrig? Hohn. Die FAZ klopft sich auf die Schenkel: „Sechzehn Jahre nach dem Fall der Mauer geht es bei Hertha BSC los mit Glasnost; sogar die Mauer fällt, die des Schweigens“. Auch die SZ reißt den Eisernen Vorhang nochmals nieder: „Glasnost bei Hertha“. Und der Stuttgarter Zeitung kullern die Tränen von der Backe, wenn sie an die Decke schaut: „Für einen Adventskranz reicht das Geld noch“. Michael Rosentritt (Tsp) erklärt die Aufrichtigkeit der Berliner: „Nur auf Druck der eigenen Mitglieder gestand der Verein Transparenz zu. Fortan sind die Mitglieder nicht mehr allein der Interpretation der Zahlen und Bilanzen durch Hoeneß und Schiller ausgeliefert. Die beiden sagten bisher zwar nicht verboten Falsches, aber immer nur so viel, wie sie für notwendig hielten: Bis zur Halbzeit lagen wir 2:0 in Führung. Dass aber das Spiel mit 2:3 verloren ging, verschwiegen sie. Der Verein wird mit der neuen Offenheit leben lernen müssen. Sie allein verringert nicht die Schulden, sie senkt nicht einmal die Risiken.“

Ronny Blaschke (FTD) nennt Verdienst und Fehler der Gebieter Herthas: „Hoeneß und seine Kollegen haben aus einem mittelmäßigen Zweitligisten nach dem Wiederaufstieg 1997 einen fußballerisch biederen, aber soliden Erstligisten geformt. Doch auf diesem Weg haben sie sich, wie es aussieht, verhoben. Die von Hoeneß aufgeführten Gründe für die Misere, der Umbau des Olympiastadions, die Kirch-Krise oder die Strukturinvestitionen, sind plausibel, aber nicht alleinentscheidend. Es gibt auch hausgemachte Probleme: Hertha BSC hat seit dem Aufstieg rund 50 Mio. Euro an Ablösesummen bezahlt. Spielerverpflichtungen wie jene der Brasilianer Alex Alves oder Luizao waren klare Fehlinvestitionen. Um Liquiditätsengpässe zu überstehen, sind die Berliner schon des Öfteren ein hohes wirtschaftliches Risiko eingegangen. Durch Signing Fees und Sale-and-lease-back-Geschäfte hat Hertha Vorgriffe auf künftige Einnahmen getätigt. (…) Es ist fraglich, wie Hertha seine hohen sportlichen Ambitionen erfüllen will.“ Matti Lieske (BLZ) beschreibt Risiko und Dilemma von Spitzenklubs: „Wer mitmischen will beim Rattenrennen der Spitzenklubs, und das wollen die Herthaner schrecklich gern, muss hohe Risiken eingehen. Erträge werden nicht für Rücklagen verwendet, sondern in neue Spieler investiert, Absteigen gilt nicht, das Erreichen lukrativer Wettbewerbe ist Pflicht und Fluch zugleich. Hätten die Herthaner in den Spielzeiten 2000/01 und 2004/05 nur ein einziges Tor mehr an der richtigen Stelle geschossen, würde nach zweimaliger Champions-League-Teilnahme heute wohl niemand von Problemen reden. So aber geriet Hertha in jenen Strudel, den auch Teams wie Schalke 04, Borussia Dortmund oder der HSV bestens kennen. Um Löcher zu stopfen, werden immer neue, meist größere aufgerissen, solange bis der Absturz erfolgt oder jemand die Notbremse zieht. Bei Hertha BSC könnte dies gerade noch gelungen sein.“

Heiko Niedderer und Kai Niels Bogena (Welt) vergleichen Hertha mit Werder Bremen, das auch seine Mitglieder versammelt: „Am Beispiel der gleichermaßen ambitionierten Klubs aus der Haupt- und der Hansestadt lassen sich die zwei herrschenden Konzepte der Bundesliga bei der Aufholjagd auf den Branchenführer aus München ablesen. Während Bremen dem Prinzip folgt, daß kaufmännische Solidität das Risiko im Kampf um sportliche Erfolge begrenzt, wirtschaftet Berlin wesentlich wagemutiger. (…) Nach Liquiditätsengpässen will Hertha seine Verbindlichkeiten nun mittels einer langfristigen Anleihe umschulden. Stabilisierung, Transparenz und Kontinuität wurden als neue Leitlinien präsentiert, auch auf Druck der Mitglieder. In Bremen wird das schon lange praktiziert – und geht mit sportlichen Erfolgen einher.“

Der Machtkampf scheint schon entschieden zu sein

„Niemand will den Werder-Willi“, erfahren wir von Ralf Wiegand (SZ); Willi Lemke, bei der Bremer Bürgermeisterwahl gescheitert, hat angedeutet, zu Werder zurückzukehren – ungefragt und wohl auch ungebeten: „Lemkes schon mehrmals platzierter Hinweis, er könne sich eine Rückkehr zu Werder ‚irgendwann vorstellen’, bekam Dynamik, als ein Mitglied der Geschäftsführung letzte Woche – anonym – darin einen Frontalangriff des ehemaligen Managers aufs Werder-Kabinett ablas. Plötzlich schien Lemke als Bedrohung für alle: für Klaus Allofs, dessen Vertragsverlängerung er angeblich hinauszögerte; für Marketing-Mann Manfred Müller, der noch keinen Hauptsponsor für die nächste Saison gefunden hat; oder für Jürgen Born, der laut darüber nachdenkt, nach Südamerika zurückzukehren, wo er im Auftrag der Deutschen Bank lange Jahre wirkte und gut lebte. Nun erlebt Lemke erneut, dass sein Erscheinen eher eine Abwehrreaktion hervorruft als gelöste Freude. (…) Der Machtkampf scheint schon gegen Willi Lemke entschieden zu sein.“

Er baut auch Herd und Schulen

Dietmar Hopp, SAP-Gründer und Mäzen des Regionalligisten TSG Hoffenheim, will durch (irgend)eine Vereinsfusion in die Bundesliga. Die Journalisten nehmen diesen Plan sehr ernst; Kritik und Flüche vieler Fans, etwa von den benachbarten Traditionsvereinen VfR Mannheim und Waldhof Mannheim, teilen sie nicht. Das Etikett „Retortenklub“ liegt nahe, bleibt aber ungeschrieben, der Vergleich mit Roman Abramowitsch nicht. Hopp gewinnt ihn, sein Engagement sei langfristiger und nachhaltiger, er baue nicht nur Schwerter und Waffen, er baue auch Herd und Schulen. Tobias Schächter (BLZ) spricht mit den Nachbarn: „Hopp ist bekannt dafür, das zu verwirklichen, wovon er träumt, weswegen seine Pläne in der Region für Aufregung sorgen. Ein Kommentator sah jüngst dem siechenden 1. FC Kaiserslautern im Abstiegsfall schon die Zuschauer über den Rhein weglaufen. Und beim SV Waldhof haben sie für die Pläne ihres Lieblingsfeindes nur Spott übrig: Über den Vorschlag, das neue Gebilde SG Neureich-Bimbesheim zu taufen, schmunzelt auch Hopp.“ Andreas Wagner (Welt 27.10.) zeichnet Hopps Politik der kleinen und leisen Schritte: „Dem Kickergewerbe gegenüber war Hopp für seine Verhältnisse bislang eher zurückhaltend. Er wollte nie Stars nach Hoffenheim lotsen, sondern bodenständige Spieler. Das nach ihm benannte Stadion ließ er nur soweit ausbauen, daß 6000 Zuschauer Platz fanden. Erst vor zwei Jahren verpflichtete er Vollprofis. Der endgültige Sinneswandel erfolgte nun, als der Mannheimer Energiekonzern MVV, bislang stets ein treuer Partner der TSG, den Ausstieg in Hoffenheim ankündigte, um dem Traditionsverein Waldhof Mannheim von der Oberliga in die Bundesliga zu verhelfen.“ Michael Roth (FAZ 27.10.) preist Hopps Sinn für den Nachwuchs: „Mit Abramowitsch verglichen zu werden, schätzt Hopp nicht: ‚Ich bin das Gegenteil’ und liefert gleich mehrere Belege. Er ist seit fünfzehn Jahren begeisterter Förderer des Jugendfußballs. Bei den Vereinen Hoffenheim und Walldorf spielen die A-, B- und C-Jugend mittlerweile in den jeweils höchsten deutschen Klassen. (…) Die von Hopp geförderten Jugendlichen beschäftigen sich nicht nur mit Fußball. Das Förderkonzept umfaßt neben der schulischen auch die berufliche und persönliche Entwicklung der Jugendfußballer. Darauf achtet Hopp besonders.“

FAZ-Portrait Dietmar Hopp

Kommentare

1 Kommentar zu “Neue Offenheit”

  1. Satchell
    Samstag, 2. Juli 2011 um 18:15

    Wham bam thank you, ma’am, my qesuotins are answered!

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