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Bundesliga

Vorurteile und jahrzehntealte, unverrückbare Ansichten

Oliver Fritsch | Dienstag, 13. Dezember 2005 Kommentare deaktiviert für Vorurteile und jahrzehntealte, unverrückbare Ansichten

Die Kommentare von heute unterscheiden sich nicht von den gestrigen. Warum sollten sie auch? Dass Schalke Ralf Rangnick nun entlassen hat, damit haben alle gerechnet. „Die Schalker Bosse haben Rangnick zermürbt“, zieht die Financial Times ihren Schlussstrich – ein klarer Vorwurf an die Vereinsführung. Ungewöhnlich und wie am Montag: Die FAZ, sonst eher besonnen, redet Tacheles und bezieht die deutlichste Position. Peter Heß porträtiert Rudi Assauer als einen Mann von gestern und spricht Rangnick frei: „Noch nicht einmal die direkte Qualifikation für die Champions League, der Einzug ins Pokalfinale konnten den Schalker Manager von seinen Vorurteilen befreien. Assauer, der jahrzehntealte, unverrückbare Ansichten hat, wie Männer und Fußballprofis zu sein und zu handeln haben, mochte den auf Logik, Pädagogik und wissenschaftliche Lehre setzenden Trainer nie akzeptieren. Rangnick sah keine Gespenster, Rangnick litt nicht an Verfolgungswahn oder übergroßer Empfindlichkeit: Assauer saß ihm stets im Nacken und ärgerte ihn. Daß Assauer seinem scheidenden Trainer wegen seiner Ehrenrunden mangelnde Professionalität vorwirft, beweist nur sein auf Kürze angelegtes Denken. Er spielt seinen Kritikern in die Hand – dergleichen hat sich der Manager fast im Wochenrhythmus zuschulden kommen lassen.“ Klaus Bellstedt (stern.de): „Assauers Image dürfte weitere Kratzer abbekommen haben. Und solange man auf Schalke nicht endlich merkt, dass der Fisch vom Kopf her stinkt, ist Besserung nicht in Sicht.“ Boris Hermann (BLZ) spielt mit Assauers Anspruch an einen Schalke-Trainer, Tabellenerster, -zweiter oder -dritter werden zu müssen: „Wenn man diesen Manager sieht, kann Schalke auch mit einem Platz zwischen 11 und 13 zufrieden sein.“

Daniel Theweleit (BLZ) rät Schalke, eine Lehre zu ziehen und sich neu zu ordnen: „Schalke erinnert in diesen Tagen an seine wildesten Chaostage der 80er-Jahre. (…) Assauer ist der unangefochtene Chef des Ladens, seine Art der Führung bleibt stilprägend. Aufsichtsratschef Clemens Tönnies hat seine Machtlosigkeit demonstriert, als er Rangnick vor nicht einmal einer Woche eine Vertragsverlängerung bis 2008 in Aussicht stellte, Andreas Müller hat seine Nähe zu Rangnick geopfert, um seine Position als Kronprinz auf Assauers Fürstenthron nicht zu gefährden, und Josef Schnusenberg hat seit jeher eher eine beratende denn eine führende Rolle gespielt bei den wichtigen Entscheidungen des Klubs. Der Schalker Aufbruch braucht auf jeden Fall einen neuen Motor.“ Stefan Osterhaus (NZZ) empfiehlt eine Abkehr vom Populismus: „Erfolg allein ist keine Garantie für den Rückhalt einer zerstrittenen Klubführung, deren Exponenten ihren Standpunkt nach den Kriterien des Boulevard bilden.“

Selbstentlassung

Nur wenige kritisieren Rangnick für seine Offensive. Philipp Selldorf (SZ) erlebt zum ersten mal, dass ein Trainer seinen Rauswurf provoziert: „Den Vorwurf, auf dem Weg des einsamen Protestmarschs einen moralischen Aufruhr gegen die Klubführung anstiften zu wollen, wird Rangnick kaum widerlegen können, obwohl er bekundet, er habe lediglich der Unterstützung des Publikums seinen Tribut erweisen wollen. Dazu hätte allerdings auch eine Danksagung nach dem Spiel genügt. Man hat eben auch im 42. Jahr der Bundesliga noch nicht alles gesehen. Der Trend zur Selbstentlassung durch skurriles und aberwitziges Betragen ist bisher nicht vorgekommen.“

Ich hatte schon viel zu oft viel zu viel geschluckt und verziehen

Ralf Rangnick im Interview mit Jan Christian Müller (FR)
FR: Besaßen Sie nicht ausreichend diplomatisches Geschick, um mit Rudi Assauer zusammenzuarbeiten?
RR: Ich glaube, dass es zu meinen Stärken gehört, genau das zu haben. Wenn ich das nicht gehabt hätte, hätten wir es nicht geschafft, 15 Monate erfolgreich zusammenzuarbeiten.
FR: Sie mussten also immer wieder die Faust in der Tasche ballen?
RR: Fälle wie den am Donnerstag mit der Bild-Zeitung hat es zuvor bereits dutzendfach gegeben. Diese Indiskretion war nur das i-Tüpfelchen. Ich will damit nicht sagen, dass die Information an Bild von Assauer kam. Aber es ist immer wieder vorgekommen, dass Interna irgendwo in Bild oder anderswo geschrieben standen.
FR: Warum hat auch noch Ihr gutes Verhältnis zu Andreas Müller gelitten?
RR: Das stimmt ja gar nicht. Wir sind ein Stück weit befreundet und bleiben das auch. Es war so: Ich hatte Andy nach Erscheinen des Bild-Artikels angerufen und ihn gefragt, ob er den Bericht bestätigen könnte. Er ist ausgewichen und wollte erst am nächsten Tag mit mir darüber reden. Ich habe das abgelehnt. Ich kann ja nicht vor die Mannschaft treten, wenn in der Zeitung steht, der Daumen geht schon halb nach unten. Ich habe ihm gesagt, dass ich sonst selber handeln muss. Deshalb kann ich es auch nicht nachvollziehen, dass der Vorstand überrascht gewesen sein soll über meine Entscheidung. Es konnte niemand im Vorstand erwarten, dass ich weiterhin alles schlucke. Ich hatte schon viel zu oft viel zu viel geschluckt und verziehen.
FR: Warum sind Sie die Ehrenrunde gelaufen? Wohlgemerkt: Vor dem Spiel.
RR: Also, es war so: Mein Co-Trainer Mirko Slomka ist zu mir gekommen, nachdem ich mit dem Premiere-Interview fertig war und eigentlich in die Kabine gehen wollte. Mirko hat mir mitgeteilt, dass die Fans seit einer Viertelstunde lautstark verlangen, dass sie den Trainer sehen wollen. Da bin ich Richtung Nordkurve gelaufen, da hat die ganze Nordkurve skandiert. Als ich da dann lang lief, stand plötzlich die Gegengerade auch auf. Wenn man das rein rational betrachtet, wäre es sicher besser gewesen, das nicht zu machen. Das räume ich ein. Für mich war das eine Ausnahmesituation. Vielleicht hat auch unterschwellig reingespielt, dass ich gespürt habe, es könnte eventuell mein letztes Spiel als Schalker Trainer sein. Wenn du fünfzehn Monate immer wieder nur Prügel zwischen die Beine geworfen bekommst und dann die Fans plötzlich mit so viel Gespür reagieren, dann ist es vielleicht nachvollziehbar, dass du dich auf der Welle der Sympathie mitreißen lässt. Jetzt so zu tun, als wäre das eine bewusste Provokation gewesen, ist unredlich. Woher hätte ich denn wissen sollen, dass das ganze Stadion so abgeht? Wenn ich sage, ich gehe, ist die Wahrscheinlichkeit doch eigentlich größer, dass mir mindestens die Hälfte der Fans einen Stinkefinger zeigt.

Bildstrecke Rangnick und Schalke, faz.net

Bayern München – 1. FC Kaiserslautern 2:1

Ganz oben nach Selbstverständnis

Elisabeth Schlammerl (FAZ) wiegt die Bedeutung der Herbstmeisterschaft für Bayern München: „Beim FC Bayern ist es immer wichtig, ganz oben zu stehen, egal ob an Weihnachten, Ostern oder zur Oktoberfestzeit. Der Konkurrenz hinterherzuhecheln, das mögen die Münchner nicht, das entspricht nicht ihrem Selbstverständnis. Außerdem ist es auch deshalb nicht schlecht, mit einem kleinen Polster in die Rückrunde zu gehen, weil die Konzentration ab Ende Februar verstärkt der Champions League gehören wird. Sie fühlen sich wieder einmal reif, das Finale zu erreichen. Der Meister hat in den vergangenen Wochen schon mal geübt, sich die Kräfte in der Bundesliga geschickt einzuteilen.“

1. FC Köln – Werder Bremen 1:4

Eine geschlagene Armee

Köln leidet, Christoph Biermann (SZ) leidet: „Diese Rumpfelf wehrte sich tapfer gegen eine spielerisch selbstredend klar bessere Mannschaft. Doch die Bremer trampelten noch zweimal mit brutaler Eleganz durch das Beet, in dem die Kölner ihre zarten Hoffnungen gehegt hatten. Johan Micoud und Miroslav Klose zerschmetterten den Gegner in den letzten Momenten des Spiels durch zwei toll herausgespielte Tore. Man musste schon ein Herz aus Stein haben, um nicht mit den Kölnern zu fühlen. (…) Es passte zu kölschen Pech und Pannen, dass auch noch die Straßenbahnen ausfielen und Tausende tief frustrierter Fans kilometerweit durch die Kälte stapfen mussten wie eine geschlagene Armee.“ Erik Eggers (FR) spekuliert über Uwe Rapolders Zukunft: „Man muss kein besonders talentierter Prophet sein, um dem Verein und Rapolder unruhige Zeiten vorherzusagen. Die letzten Wochen hatten dem Trainer noch in die Karten gespielt, war doch die Malaise überdeckt worden von den spektakulären Geschichten am Rand: Die Chancenlosigkeit in Hamburg wurde nicht wahrgenommen wegen des Trommelstocks aus dem Fanblock, und beim Nachholspiel in Duisburg sorgte der Kopfstoß Norbert Meiers für die Schlagzeilen. Gegen Bremen aber war nur der finale Kollaps des Gastgebers spektakulär. Wenn im letzten Spiel in Bielefeld die sieglose Serie nicht beendet wird, ist Rapolder sicher nicht mehr zu halten.“

Welt: Seit sich Micoud menschlich öffnet, spielt er noch besser

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