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Biotop für organisch wachsende Gefüge

Oliver Fritsch | Mittwoch, 14. Dezember 2005 Kommentare deaktiviert für Biotop für organisch wachsende Gefüge

Der Uefa-Cup erlebt dieses Jahr die Renaissance des osteuropäischen Vereinsfußballs. Rapid, Dinamo und Steaua Bukarest sind gut dabei – Christian Henkel (BLZ) erklärt das Erstarken Rumäniens: „Am plötzlichen Wohlstand, wie ihn russische Vereine genießen, kann es nicht liegen. Der unerwartete Aufstieg ist vielmehr dem schleichenden Niedergang der Nationalelf zu verdanken. Mit der sogenannten goldenen Generation, der Gheorghe Hagi, Marius Lacatus, Dorinel Munteanu oder Adrian Ilie angehörten, erreichte Rumänien in den 90er-Jahren bei drei Weltmeisterschaften mindestens den Einzug ins Achtelfinale. In den Fokus der europäischen Topligen geraten, wurden die rumänischen Talente en gros nach Spanien, Italien und Deutschland transferiert. Spielerberater, wie der heutige Generalmanager von Dinamo Bukarest, Ioan Becali, verdienten sich eine goldene Nase. Was im Lande blieb, hatte selbst den europäischen Zweitligatest nicht bestanden. Doch seit die einst zu Karpaten-Brasilianern geadelten Nationalspieler 2000 ihr letztes großes Turnier bestritten, ist die Divizia A zu einem Biotop für organisch wachsende Gefüge geworden.“ Marko Schumacher (StZ) fügt hinzu: „Für die Renaissance des rumänischen Fußballs sehen Experten zwei Hauptgründe: Einerseits ist die Korruption zuletzt spürbar zurückgegangen. Andererseits haben viele Klubchefs mittlerweile ihre Philosophie geändert und verzichten darauf, die besten Spieler sofort ins Ausland zu verscherbeln.“

Italien liebt ihn

Peter Hartmann (NZZ) variiert die Motive vom Heiligen und vom verlorenen Sohn: „Vielleicht ist das Kernproblem Francesco Totti. Macht Totti eine Mannschaft stark oder die Mannschaft Totti? Die ewige Frage, die ihn die ganze Karriere lang verfolgt. Er spielt immer, wie wenn er das Kreuz allein tragen müsste, bis ihn einer umsäbelt. Kein anderer Spieler wird so häufig gefoult in der Serie A wie der Schmerzensmann. Aber alle Ressentiments, Kritiken, Schuldzuweisungen entladen sich auf Antonio Cassano, den ‚Rebellen’, den unverstandenen ‚Genietto’, der vaterlos in der verfallenen Altstadt von Bari aufgewachsen ist. Sie würden ihn lieber heute als morgen hergeben. Die Legende geht anders: Capello hat einen Vater, der ein Doppelleben führte, mit der offiziellen Familie und mit Antonios Mutter als heimlicher Zweitfrau. Gennaro Cassano, ein Zigarettenschmuggler und Reinigungsarbeiter, kam fast jeden Tag vorbei und verprügelte den kleinen Antonio mit einer Eisenstange. Aber er überliess ihm seinen Namen. Gegen Roter Stern Belgrad hat Cassano einen Penalty leichtsinnig mit einem ‚cucchiaio’ vergeben, dem Heber, den sich nur Totti erlauben kann. Die Mitspieler hätten ihn am liebsten in den Hintern getreten. Im nächsten Spiel, in Lecce, hat er den Heber aus Trotz wieder versucht, aus 20 Metern. Es war das Tor des Tages. Ganz Italien liebt ihn.“

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