Am Grünen Tisch
Für Arroganz bestraft
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| Donnerstag, 15. Dezember 2005Weitere Kommentare zur zehnten Jährung des Bosman-Urteils, die die große Kraft betonen, mit der das Urteil Europas Fußball verändert (siehe freistoss v. 14.12.). Peter Hartmann (NZZ) fällt in seinem Rückblick nur Schlechtes ein: „Über Fifa, Uefa und vor allem über die Klubs kam das Urteil wie die Pest, nachdem die Funktionärskaste die ‚Affäre Bosman’ lange blind und hochmütig verdrängt hatte. Eine Flut hungriger Importspieler aus Südamerika und Afrika überschwemmt Europas Fussball bis heute. Das Transfergeschäft brach zusammen, erholte sich zwar kurzzeitig, als die Preise für Fernsehrechte mit dem Markteintritt der Pay-TV-Anbieter ins Astronomische stiegen, pendelte sich aber auf tiefem Niveau ein – abgesehen von der Milliardärsliga der egomanischen Spender vom Typ Abramowitsch, Berlusconi, Moratti. Bosman, der Habenichts, hat eine Generation von Berufskollegen reich gemacht und mit ihnen Spielerhändler, Agenten, Impresarios, die nach dem Wegfall der Transfergelder neuen Spielraum für Profit und Provisionen eroberten und die Klubpräsidenten mit ihren Forderungen im Extremfall bis zum Bankrott erpressten.“ Heinz-Peter Kreuzer (BLZ) schreibt den Fußballfunktionären hinter die Ohren: „Es gibt viele Verlierer: auch die Uefa. Sie wurde für ihre Arroganz bestraft. Die Funktionäre hatten die Europapolitiker nicht ernst genommen. Hätte die Uefa versucht zu vermitteln, das Bosman-Urteil hätte vermieden werden können. Mittlerweile nehmen Uefa und auch die nationalen Verbände die EU ernst und schreiben beispielsweise ihre Fernsehrechte streng nach den Vorgaben der EU-Wettbewerbskommission aus.“
Christian Hönicke (Tsp) blickt voraus: „Auf Bosman, Version 2, ist der deutsche Fußball besser vorbereitet. Der heißt Igor Simutenkow und hat früher auf Teneriffa Fußball gespielt. Der Russe hat erfolgreich auf Gleichberechtigung mit EU-Bürgern geklagt; es wird daher erwartet, dass in Kürze auch die Beschränkungen für Nicht-EU-Ausländer fallen, wenn ihre Länder Partnerschaftsabkommen mit der EU abgeschlossen haben. Deshalb will die DFL ab der kommenden Saison alle Ausländerbeschränkungen aufheben. Dafür müssen künftig zwei Spieler im Kader stehen, die im Verein ausgebildet wurden, und zusätzlich zwei aus demselben Land. Die Zahl der so genannten ‚Local Player’ soll bis 2008 auf 4 plus 4 steigen.“
Ich warte darauf, dass ein zweiter Spieler vor Gericht zieht
Luc Misson, Bosmans damaliger Rechtsanwalt, im Interview mit Flora Wisdorff (Tsp)
Tsp: Wie umgehen die Klubs das Urteil?
LM: Die Klubs wenden alle möglichen Tricks an, um doch Transfersummen verlangen zu können. Nach dem Bosman-Urteil gilt nur, dass Zahlungen nach Beendigung eines Vertrags illegal sind. Also wird alles getan, damit ein Vertrag nur schwer beendet werden kann, es gibt zum Beispiel hohe Strafzahlungen bei Vertragsbruch. Und was die Quoten für nationale Spieler angeht, will die Uefa jetzt von allen Klubs verlangen, mindestens sechs Spieler zu haben, die im eigenen Land ausgebildet worden sind. Das ist ja fast das Gleiche wie eine Quote für Nationalitäten.
Tsp: Müsste also wieder jemand klagen?
LM: Ja, ich warte nur darauf, dass ein zweiter Spieler vor Gericht zieht.
Tsp: Wäre das nicht auch ein Risiko, weil dessen Karriere dann zu Ende wäre?
LM: Ja, die Karriere von Bosman wurde durch den Prozess zerstört. Für die Klubs symbolisierte er Widerstand, so jemanden stellt man ungern ein. Das ist schade, er war ein großes Talent. (…) Er war mein erster Fall im Sportrecht – zuvor hatte ich Prostituierten und Studenten zur freien Bewegung in der EU verholfen.
Welt: Auch zehn Jahre nach dem Bosman-Urteil streitet Misson für das Recht von Sportlern