WM 2006
Nur mit Fußball kann man in Deutschland noch Staat machen
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| Freitag, 6. Januar 2006Andreas Platthaus (FAZ/Feuilleton) versucht den Rang der WM für unser Land zu erfassen: „Ein Volk, ein Land, ein Fußball. So muß man sich jene vier Wochen wohl vorstellen, in deren Schatten die anderen achtundvierzig des Jahres stehen werden. Und in deren Schatten schon die zweihundertfünfundvierzig standen, seit Deutschland das Turnier zugesprochen bekam. Seit damals wird das deutsche Jahr beschworen, die Wiederkehr unseres Landes auf die Weltkarte, nachdem wir ökonomisch, außenpolitisch und olympisch in den Untergrund gegangen sind. Ganze Regierungen knüpften ihr Schicksal an den Verlauf des Turniers. Eine Fußballweltmeisterschaft sei für ein Land ein kombiniertes Sozial-, Verkehrsentwicklungs- und Tourismusprogramm, heißt es. Mit einem Wort: Das Turnier ist bares Geld wert. Deshalb gilt auch: Treue um Treue, was diesen Schatz betrifft. Jede Kritik ist defätistisch. Das konnte man schon spüren, als das Satiremagazin Titanic eine fingierte Bestechungskampagne zugunsten Deutschlands durchführte. Statt daß man das Blatt nach erfolgreicher Abstimmung dafür feierte, wurde es des Landesverrats bezichtigt. Man sollte unseren Satirikern wie vor Bundestagswahlen auch vor der WM eine Auftrittspause von sechs Wochen nahelegen. (…) Wir können jeden Stimmungsaufschwung gebrauchen – mehr noch als einen Wirtschaftsaufschwung, wie uns alle diejenigen dauernd erzählen, die nicht selbst in die Tasche greifen wollen, um die Nachfrage anzuregen. Statt Volk ohne Raum sind wir heute ein Volk ohne Traum. Nur an den Titelgewinn glaubt immer noch ein Viertel aller Deutschen. Nur mit Fußball kann man in Deutschland noch Staat machen.“
FAZ/Wirtschaft: „Ein Konjunkturprogramm ist die WM nicht”