Ascheplatz
Ohnmacht
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| Samstag, 14. Januar 2006Wie soll das neue Fernsehgeld verteilt werden? Thorsten Jungholt (Welt) hält den Gehalt von Bruchhagens Aussage für richtig, aber nicht den Ton: „Es ist Bruchhagens Verdienst, daß er der in der Vergangenheit oft schweigenden Mehrheit der kleinen Klubs eine Stimme verleiht. Denn mit der Sorge, daß die Liga in Zukunft von einem elitären Zirkel dominiert und dadurch langweilig wird, steht er keineswegs allein. Bruchhagens Vorwurf, der komplette Ligavorstand sei von Rummenigge dominiert, war allerdings überzogen. Er ist Ausdruck einer von den Unterprivilegierten selbst verschuldeten Ohnmacht. Die Kleinen haben es bislang versäumt, ihre Mehrheit bei Entscheidungen auch in Stimmen umzumünzen. Rummenigges Reaktion, zum x-ten Mal mit dem Ausstieg der Bayern aus der Zentralvermarktung zu drohen, war genau so wenig hilfreich und schürt diese Ohnmacht nur. Die Lösung liegt nicht in Kraftmeierei, sondern im Kompromiß. Bislang wurde der stets gefunden, und die Liga ist damit nicht schlecht gefahren. Denn im Vergleich mit anderen europäischen Ligen funktioniert die deutsche noch immer am besten.“
Sinnvolle Lösungsansätze
Roland Zorn (FAZ) begrüßt den Abschied vom Konsens: „Von außen muten die Hahnenkämpfe der Liga-Spitzen kindisch an, betrachtet man lediglich deren Form. Inhaltlich hat Bruchhagen mit dem Mut des Einzelkämpfers Themen angesprochen, die vielen am Herzen liegen: Wie ist es angesichts der unverkennbaren Bayern-Dominanz um den Wettbewerb in der Bundesliga bestellt? Muß der Krösus bei der Neuverteilung der Fernsehgelder partout am meisten profitieren? Ist eine Deckelung der Kader angesichts der grenzenlosen Öffnung des Spielermarkts gerade angesichts der parallel eingeführten ‚Local Player’-Regelung unumgänglich? Wer das mimosenhafte Wehklagen persönlich beleidigter Funktionäre ignoriert, erkennt in diesen stürmischen Tagen einer endlich mal wieder streitig geführten Debatte sinnvolle Lösungsansätze.“ Für Jan Christian Müller (FR) ist Bruchhagen „Robin Hood ohne Bande“: „Den FC Bayern zu vergrätzen, kann sich in der Bundesliga niemand leisten, denn er ist der Dukatenesel der gesamten Branche. Bruchhagens Kampf gegen das Establishment ist vielleicht mutig, auf alle Fälle aber aussichtslos und möglicherweise sogar gefährlich. Denn wenn die Bayern ihre seit Jahren in der Endlosschleife befindlichen Drohungen eines Tages wahrmachen würden und verärgert aus der Gesamtvermarktung der Fernsehrechte ausstiegen, wäre der Rest nur noch die Hälfte wert. Dann könnte der Branchenführer aus München seinen Profis nicht nur, wie derzeit, rund 50 Prozent mehr zahlen als die nächstbesseren Teams den ihren, sondern das Drei-, Vier- und Fünffache. Und dann wäre die Meisterschaft noch viel, viel langweiliger.“
Bruchhagen wird Rummenigge mit der harten Kritik nicht gerecht
Wolfgang Holzhäuser im Interview mit Jan Christian Müller (FR)
FR: Ihre Kollegen Bruchhagen und Rummenigge streiten sich heftig. Bruchhagen wirft Ihnen und Ihren Kollegen im Vorstand des Ligaverbandes vor, als ‚Kommission Rummenigge’ bloß noch braver Erfüllungsgehilfe Rummenigges zu sein. Hat er recht?
Holzhäuser: Mit Sicherheit nicht. Unsere Aufgabe besteht nun einmal darin, trotz teilweise diametral gegenüberstehender Interessen der 36 Lizenzvereine einen Kompromiss zu finden. Wir haben uns darauf geeinigt, dass kein Verein weniger erhält als beim alten Verteilungsmodell der Fernsehgelder und dass jeder Verein von dem, was mehr reinkommt auch etwas abbekommen muss, dass aber der Leistung in Zukunft mehr Rechnung getragen werden soll.
FR: Das heißt, dass die Bayern von der Verteilung künftig mehr profitieren werden als alle anderen Klubs. Ist Bruchhagens Kritik deshalb nicht berechtigt?
Holzhäuser: Ich weiß nicht, was ihn manchmal so treibt. Er schießt bisweilen über das Ziel hinaus. Es ist nun einmal so, dass man in einem Gebilde von 36 Mitgliederklubs möglicherweise 36 verschiedene Auffassungen hat. Da ist es nicht leicht, immer den Ausgleich zu finden. Wir haben im Vorstand immer einen Konsens gefunden. Den hat Rummenigge immer mitgetragen.
FR: Rummenigge formuliert aber in der Öffentlichkeit oft sehr hart und droht mit Alleingängen der Bayern.
Holzhäuser: Ich kann Ihnen versichern, dass man Rummenigge mit der harten Kritik nicht gerecht wird. Wer es noch nicht verstanden hat: Das Vorstandsmandat kann in der Liga nur ausüben, wer bereit ist, sich von den persönlichen Interessen des eigenen Vereins loszulösen und sich den Interessen der gesamten Gruppe zu unterwerfen. Ich finde es deshalb unglücklich, in der Öffentlichkeit so stark zu polarisieren.
FR: Ist die Befürchtung von Bruchhagen nicht berechtigt, dass die Schere immer weiter auseinander geht? Die umsatzstärksten Klubs, Ausnahme Leverkusen und Wolfsburg, standen schon nach drei Spieltagen vorne, die Kirchenmäuse unten drin. Bruchhagen sorgt sich um einen spannenden Wettbewerb.
Holzhäuser: Wir haben derzeit drei Vereine, die sehr stabil spielen: Bayern, Werder und der HSV. Wir hatten schon Spielzeiten, in denen Bayern München ganz alleine vorne war. Das ist doch nicht neu. Bruchhagen weiß es doch selbst als ehemaliger DFL-Geschäftsführer: Die Liga ist bei ihren Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, dass ein signifikantes Auseinanderdriften auf den ersten zehn Plätzen nicht festzustellen ist. (…)
FR: Wenn die Bayern und andere Spitzenklubs aus den zusätzlichen TV-Geldern von 120 Millionen Euro überdimensional profitieren, ist das Ihrer Meinung nach keine zusätzliche Wettbewerbsverzerrung?
Holzhäuser: Wenn wir von Wettbewerbsverzerrung reden, dann müssen wir auch fragen, ob es richtig ist, dass in Berlin der Umbau des Olympiastadions mit 250 Millionen Euro von der öffentlichen Hand finanziert wurde. Oder ob es richtig ist, dass in Frankfurt viel, viel Geld für das neue Stadion ausgegeben wurde und keiner wusste, wer es betreibt – und Eintracht Frankfurt kann dieses schöne Stadion jetzt nutzen, zugegeben gegen Mietzahlung. Frankfurt ist durchaus in der Lage, mit einem von Gottes Hand hingestellten Stadion, mit einer sehr vernünftigen Politik, die Eintracht Frankfurt auch mit Hilfe von Bayer Leverkusen, das Spieler zu sehr günstigen Konditionen an die Eintracht abgegeben hat, vorne mitspielen kann.
FR: Die Ausländerregelung, wonach es keine Beschränkungen mehr gibt, zwar künftig eine bestimmte Anzahl von eigenen Talenten im Kader stehen müssen, der Kader aber uneingeschränkt groß sein kann, ist von Heribert Bruchhagen kritisiert worden. Auch Oliver Bierhoff hat die neue Regelung als ‚Witz’ bezeichnet…
Holzhäuser:… ich schätze den guten Herrn Bierhoff zwar grundsätzlich und habe auch viele Sympathien, wie in der Nationalmannschaft das Teambuilding betrieben wird, aber ich wundere mich doch über diese sehr überzogene Formulierung. Für einen Witz halte ich es vielmehr, dass Bierhoff in seinem Büro am Starnberger See sitzt – obwohl er in der Zentrale des DFB in Frankfurt auch ein Büro hat – und von dort aus die Diskussion in der Liga kommentiert. Wir unterstützen die Nationalmannschaft, wo wir können, aber er sollte bitte daran denken, dass die Liga nicht primär daran interessiert ist, Nationalspieler auszubilden, sondern dass jeder Verein für sich die beste Mannschaft auf den Platz bringen will.
Nur in der perfekten Welt sind die Kleinen und Großen einer Meinung
Klaus Allofs im Interview mit Axel Kintzinger (FTD): „Ich bin nicht so pessimistisch wie Bruchhagen. Aber ich kann sein Anliegen verstehen. Nur in der perfekten Welt sind die Kleinen und Großen einer Meinung. Die Bayern sind natürlich bemüht, den Abstand zu den anderen europäischen Klubs, der ja besteht, nicht größer werden zu lassen. Die Kleinen wollen den Abstand zu den Großen der Liga nicht größer werden lassen. Da muss man eine Lösung finden, auch wenn am Ende beide nicht restlos zufrieden sind. Ohne überheblich zu sein: Wir zählen uns schon zu den sportlichen Großen. Daher unterstützen wir den Vorschlag, die Verteilung des TV-Geldes stärker nach den Erfolgen in der Bundesliga vorzunehmen. Wenn es bei dem Grundsatz bleibt, dass keiner weniger bekommt und alle mehr, dann ist das eine positive Sache.“
FR: Zoff um Bruchhagen
Chance
Christian Hönicke (Tsp) lehnt eine Ausländerbeschränkung in der Bundesliga ab: „Besser – und mithin auch für die Vereine interessanter und deswegen realistischer – ist der Vorschlag, den Klubs ein paar Millionen mehr zukommen zu lassen, die sich dadurch hervortun, dass sie deutsche Talente nicht nur auf die Bank, sondern auch vermehrt aufs Spielfeld schicken. Anreiz statt Zwang – so fühlt sich kein Fußball-Manager gegängelt und kann die bisher unattraktive Nachwuchsstrategie über Zusatzeinnahmen abfedern und vielleicht sogar als Einnahmequelle etablieren. Nein, deutsche Spieler brauchen keinen Artenschutz. Sie brauchen nur Vereine, die ihnen eine Chance zur Entwicklung geben.“