Ascheplatz
Den Dachverbänden die Zähne zeigen
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| Samstag, 28. Januar 2006Uli Hoeneß im FAZ-Interview über die Verteilung des Fernsehgelds, die Stiftung Warentest und die Fifa: „Es gibt eine Reihe von Klubs in der Liga, die vor Jahren mit ihren großen Stadien vergleichbare Möglichkeiten hatten wie wir. Wir haben nur mehr daraus gemacht. Und deswegen empfinde ich es als ungerecht, daß uns vorgeworfen wird, wir hätten zu viel Geld. Wir streiten bei der Suche nach dem neuen Verteilerschlüssel ja auch nicht für Bayern München, sondern für eine angemessene Bezahlung des deutschen Meisters, Vizemeisters und des Dritten der Tabelle. (…) Wir behalten uns im Augenblick vor, bei einer Lösung, die unseren Vorstellungen erheblich zuwiderliefe, zum Bundeskartellamt zu gehen, um so die Möglichkeit einer dezentralen Vermarktung der Fernsehrechte prüfen zu lassen. Vielleicht sollte die Liga bereit sein, uns und den drei, vier anderen Vereinen, die dafür in Frage kommen, die Auslandsvermarktung ihrer Spiele zu überlassen. Darin steckt für den FC Bayern ein Potential von fünf bis zehn Millionen Euro pro Jahr. Ich bin, um das klarzustellen, kein Gegner der zentralen Vermarktung. Auch, weil damit die Gelder im Prinzip vernünftig aufgeteilt werden können. Dazu gehört aber auch auf seiten des Ligavorstandes, in dem wir durch Karl-Heinz Rummenigge eine Stimme haben, ein großes Maß an Toleranz und Verständnis für die unterschiedlichen Belange der Klubs. (…) Zwischen Platz 1 und 18 gibt es einen größeren Qualitätsunterschied als in der Vergangenheit. Daran ändert sich aber gar nichts, wenn ich dem Letzten ein oder zwei Millionen Euro mehr pro Jahr gebe. Bei den Klubs, die besonders schlecht dastehen, hat es über Jahre zu viele Fehler im Management, zuwenig Solidität und Kontinuität im Handeln gegeben. Warum hält sich denn Bremen so gut? Warum wird der HSV für uns zu einem ernst zu nehmenden Gegner? Weil bei Werder exzellent und beim HSV besser als früher gearbeitet wird. Warum wird Kaiserslautern, das jahrelang um die Uefa-Pokalplätze mitgespielt hat, zu einem Abstiegskandidaten? Weil es dort Managementprobleme gibt. (…) Der Stiftung Warentest würde ich empfehlen, das Stadion in Teheran zu untersuchen, in dem wir vor kurzem zu Gast waren und in dem die iranische Nationalmannschaft regelmäßig spielt. Da fehlte es an so vielem, daß die Tester wohl erst nach wochenlanger Prüfung zurückkämen. Bei uns aber wird mit dem Zollstab nachgemessen, ob eine Treppenstufe um ein oder zwei Zentimeter zu niedrig ausgefallen ist. Da hat sich die Stiftung, die ich als Institution für sehr wichtig halte, keinen Gefallen getan. Wenn sie die Qualität der Bratwurst in den Arenen untersucht hätte, wäre das okay gewesen. (…) Die Fifa ist dabei, völlig zu überdrehen. So eine Eröffnungsfeier muß ich wie geplant durchziehen, auch wenn mich das zehn oder zwanzig Millionen Euro kostet und das Publikum nicht mitspielt. Erst mal zwei Jahre lang die Leute planen lassen und dann mit einem Federstrich aus Zürich das Ganze absagen, so geht es doch wirklich nicht. Wenn die Fifa so weitermacht, schafft sie es noch, ein Spektakel wie die WM in Mißkredit zu bringen. Die Fifa, das ist ein Monopol, und Monopole sind immer gefährlich. Diskussionen lassen sie nicht zu. Die Verbände und Vereine sind gut beraten, den Dachverbänden, auch die Uefa, öfter mal die Zähne zu zeigen.“
Nigel de Jong, noch ein holländischer Nationalspieler in Hamburg – wer sagt’s denn, Florian Haupt (Welt)? „Der HSV hat mit seinen Transfers die Mär widerlegt, daß Deutschland für internationale Topspieler ein Tabu wäre. Drei der besten Niederländer aus der Nachfolgegeneration der Seedorfs, Kluiverts und Davids im Trikot eines Bundesligisten, der nicht einmal Champions League spielt – vor kurzem hätte allein die Vorstellung schallendes Gelächter hervorgerufen. Viel wird diskutiert über eine bessere internationale Vermarktung der Bundesliga. Der Hamburger SV weist den einzig richtigen Weg. Er macht das Produkt dort besser, wo es eben immer noch zählt: Auf dem Platz.“
SZ: Hamburg kann es kaum erwarten, Ailton spielen zu sehen
Tsp-Interview mit Daniel van Buyten
FR-Interview mit Bernd Hoffmann
Gehirnwäsche
Jens Jessen (Zeit/Feuilleton) warnt davor, Heimat zu verkaufen: „Ein Dutzend Vereine haben die Namen ihrer Stadien an Firmen verkauft, zuletzt verwandelte Borussia Dortmund sein Westfalenstadion in einen Signal Iduna Park. Das Hamburger Beispiel hat aber eine besondere Symbolik, die darin besteht, dass hier das Volk aus dem Namen vertrieben und durch ein Privatunternehmen ersetzt wurde. Und in der Tat ist in der Rechnung des HSV mit dem Medienkonzern ein dritter Vertragspartner enthalten, der freilich für die erwartete Leistung kein Geld bekam und auch nicht gefragt wurde: der Bürger, der in Zukunft nur noch von der AOL Arena sprechen sollte. Und AOL wollte sich keineswegs mit der bloßen Hoffnung darauf zufrieden geben. Der Vertrag enthält eine Klausel, wonach der HSV nur dann die volle Summe bekommt, wenn der neue Name oft genug in den Medien fällt. Streng genommen wurde hier ein Vertrag zulasten Dritter geschlossen, also etwas, das allen gesetzlichen Grundsätzen zuwiderläuft. Man stelle sich vor, Herr Müller schlösse mit Herrn Maier einen Vertrag, der einen ahnungslosen Herrn Schulze dazu verpflichtet, nur noch rote Pullover zu tragen. Was würde Herr Schulze dazu wohl sagen? Tatsächlich haben HSV und AOL jeden einzelnen Bürger zur Leistung einer Gehirnwäsche, zur Tilgung und Neucodierung seines persönlichen Stadtlexikons verpflichtet. Wäre nicht der Staat aufgerufen, das öffentliche Gut der freien Rede gegen die räuberische Privatisierung zu verteidigen? Nun wird freilich niemand zur Verwendung des neuen Namens gezwungen werden können. Heikel würde es erst, wenn eine städtische U-Bahn-Station AOL Arena heißen sollte. So weit ist es noch nicht; aber doch knapp davor. Denn schon hat sich die Stadt Frankfurt am Main, weit davon entfernt, den Bürger vor dem Verlust seiner semantischen Umwelt zu schützen, selbst an einer solchen Enteignung der Sprache beteiligt. Der Magistrat setzte seine Unterschrift unter einen Vertrag, der die Umbenennung des Waldstadions für zehn Jahre in Commerzbank Arena vorsieht. In einer langen Kette von Privatisierungen gesellschaftlichen Eigentums war dies die bislang dreisteste.“