WM 2006
Stimmungstief
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| Dienstag, 31. Januar 2006In einer Karikatur zieht die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung die Mundwinkel der Smileys aus dem WM-Logo nach unten; Michael Ashelm übt sich in der gleichen Geste, wenn er an die Stimmung im Gastgeberland denkt, die durch viele heftige Diskussionen getrübt ist: „Das Projekt, das in Sonntagsreden gerne als ‚einmalige Chance’ für eine abgeschlaffte Nation propagiert wird, hängt in einem Stimmungstief. Wer meckert, gilt als Spielverderber und Defätist. Wer auf der anderen Seite die Chancen der WM weiterhin hervorhebt, setzt sich dem Vorwurf aus, ein unkritischer Geist zu sein. Die Pole stoßen sich ab – auch in ihrer Argumentation. (…) In den verbleibenden Monaten werden die WM-Organisatoren die öffentliche Meinung nicht mehr großartig wenden können – zumindest nicht weiter zum Positiven. Weitere organisatorische Höhepunkte wie die Endrundenauslosung fehlen bis zum Turnierstart – und so hängt die Stimmungslage in Fußball-Deutschland eng mit dem sportlichen Erscheinungsbild zusammen. In den Mittelpunkt des WM-Vorlaufs rückt die Nationalelf, die nun vor allem für das Fußballfieber im Lande verantwortlich sein wird. Bei nur zwei Testspielen vor Bundesligaschluß bleiben dem Klinsmann-Team allerdings kaum Chancen zur Lustoffensive.“
Die nächste WM-Debatte steht wohl bevor: Die FAZ hat gestern auf Seite 1 recherchiert, an wen die zwölf Städte ihre Tickets aus dem Fifa-Kontingent verteilen, heute tut es ihr die Financial Times nach, Report München (ARD) hat gestern die gleiche Frage gestellt – alle kommen zum selben Ergebnis: Vor allem die Lokalpolitiker würden bevorzugt behandelt.
Kommerz, Diskriminierung und Repression
Eine weitere, alte Diskussion ist latent und wird uns sicher durch die WM begleiten: die Sicherheitspolitik im Umgang mit Fans. Der Spiegel hat letzte Woche die Bedenken der Polizei und der Innenministerien notiert: „Das größte Risiko, das ergab das interne Lagebild des Landeskriminalamts NRW für die Innenministerkonferenz, ist – der Fan. Auf die circa 10.000 in Deutschland bekannten Hooligans werde eine noch unbekannte und kaum kontrollierbare Zahl gewaltbereiter ausländischer Fans treffen. Als besonders neuralgisch gelten alle Spiele der deutschen und der englischen Elf, ebenso die politisch heiklen Begegnungen Serbien und Montenegro gegen Kroatien sowie USA gegen Iran. Aber auch polnische Hooligans verbreiten Angst: In einer ersten Probeschlacht der Nationen vermöbelten sie im November vergangenen Jahres in einem Waldstück bei Frankfurt (Oder) deutsche Gegner kräftig.“ Christian Kamp (FAZ) spricht mit der Gegenseite: „Es gibt Fußballfans, die treibt eine weit größere Sorge um, als keine Karte für das bevorstehende Sommerspektakel zu haben. Es ist die Sorge um den Charakter des Volkssports Fußball, den sie bedroht sehen durch Kommerz, Diskriminierung und – vor allem – Repressionen von seiten der Sicherheitsorgane. Die Stimmung bei einigen Anhängergruppen ist gereizt.“
taz: Das Bündnis aktiver Fußballfans diskutiert über die Nebenwirkungen der WM. Befürchtet werden bleibende Schikanen gegen die Fankultur
Tsp: Organisierte Fußball-Anhänger fühlen sich von der WM ausgeschlossen – sie kritisieren Stadionverbote und hohe Ticketpreise
SpOn: In Polen ist eine große Hooligan-Szene entstanden, auf die vor der WM noch niemand vorbereitet ist
FR: Kölner Fans protestieren gegen geplante Registrierung – nach einigen Zwischenfällen in der Vorrunde will der Bundesligist wissen, wer zu Auswärtsspielen mitfährt
SZ: Klausurtagung für das Staatsprojekt: Beim Kurzlehrgang in Düsseldorf Jürgen Klinsmann seine Mannen auf die kommenden Monate einschwören
Welt-Interview mit Oliver Bierhoff