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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Artfremder

Oliver Fritsch | Montag, 6. Februar 2006 Kommentare deaktiviert für Artfremder

Die Bundesliga erzählt zurzeit nicht viele Geschichten, Fußball-Deutschland spricht weiter über Jürgen Klinsmanns Wunsch, einen Hockey-Trainer als Sportdirektor zu engagieren – auch der DSF-Stammtisch, bei dem wir uns erstens wundern, welche Leichtmatrosen die Bild-Zeitung manchmal dorthin schickt und hoffen, dass der ständige Applaus des Saalpublikums für Udo Lattek mit viel Geld bezahlt wird. Die einzige angemessene Reaktion auf die hundertsiebte oder dreihundertfünfte Wiederholung seiner Stanzen („Ich nagel Dich an die Wand“) wäre ja, ihn kräftig abwechselnd an beiden Ohren zu ziehen; Tritte vors Schienbein sind ja leider aus der Mode. Sollte die Zustimmung jedoch ehrlich gemeint sein, kann es dann ein aussagekräftigeres Symptom für den schlimmen Geisteszustand des deutschen Fußballs geben?

Jedenfalls hat die SZ den Durchblick verloren: „Inzwischen ist die Diskussion so übersichtlich wie ein Grundsatzstreit aus der Zeit, als die Grünen noch aus Fundis und Realos bestanden.“ Auch Christiane Mitatselis (taz) kann an dem Gerede nichts Essentielles finden: „Das einzige Thema, das die Liga kollektiv erhitzt, lautet: Darf ein Artfremder Technischer Direktor des nationalen Heiligtums Fußball-Nationalmannschaft werden? Die Stimmungslage scheint sich auf ‚Ja natürlich darf er das, denn wird sind ja aufgeschlossen und modern, aber nur wenn ihm ein Fußball-Mann zur Seite gestellt wird‘ einzupendeln. Peters ließ sich vom ZDF interviewen und sonderte erwartungsgemäß Klinsmanneskes ab: Er will ‚neue Gedanken‘ einbringen und das Projekt unter ‚neuen Perspektiven‘ beleuchten. Prozesse und so weiter – ach ja.“

Krachende Geräusche

Michael Ashelm (FAS) hält dem DFB und Klinsmann schlechte Kommunikation vor: „Argwohn, Mißtrauen, Enttäuschung und perfide Machtspielchen – nach anderthalb Jahren mit Klinsmann kommt der DFB nicht zur Ruhe. Hier der nicht enden wollende, sicher kräftezehrende Kampf des Bundestrainers in der Rolle des strengen Reformers, dort die abwehrende Haltung eines noch immer vom alten Stolz erfaßten Verbandes. Die Reibung zwischen den Blöcken erzeugt krachende Geräusche. Welche der beiden Parteien letztlich die Personalie Peters schon diese Woche an die Öffentlichkeit gebracht hat, bevor sich die handelnden Personen im stillen Kämmerchen ein umfassendes Bild machen konnten, bleibt unbeantwortet. Ein Zeichen von vertrauensvoller Zusammenarbeit ist dieses Vorgehen allerdings nicht. Klinsmann bleibt der Einzelkämpfer, ein Mann, der bisher bei vielen seine pragmatischen Ideen nur eine kleine Gruppe von Unterstützern hinter sich weiß. (…) Der Bundestrainer ist auf Wohlwollen angewiesen, um nicht in Gefahr zu kommen, langsam demontiert zu werden. Vielleicht wird die Diskussion erst einmal zu einer diplomatischen Lösung ohne schwerwiegenden Gesichtsverlust für eine Seite führen.“ Thomas Kilchenstein (FR) hält nichts von einer Doppellösung: „Läuft es also auf einen Kompromiss hinaus? Verlockend wäre er. Doch auch faul. Hinter all dem steckt die Furcht, irgendjemanden vor den Kopf zu stoßen, steckt die Angst vor dem Konflikt. Doch die Entscheidung, allen wohl und niemandem weh, ist eine halbherzige, ist nicht Fisch, nicht Fleisch.“

Furzidee

Matthias Sammer bewirbt sich in seiner Kolumne in der Welt am Sonntag: „Es ist eine große Aufgabe und Herausforderung zugleich, die auf den gesamten DFB und seine Mitarbeiter zukommen. Ich bin bereit, mitzuhelfen und meine als Spieler und Trainer gesammelte Erfahrung einzubringen.“ Doch Uli Hoeneß (TspaS) lässt auf Sammer einen fahren: „Wer auf diese Furzidee gekommen ist, einen Bundestrainer in petto haben zu müssen, nur weil sie damals beim DFB nach Rudi Völlers Rücktritt ein katastrophales Bild abgegeben haben, der ist weltfremd. Das ist doch lächerlich. Kein Bundestrainer der Welt will einen zukünftigen Bundestrainer als Sportdirektor haben, der nur mit den Hufen scharrt, wenn zwei Spiele verloren werden. Das wäre total unprofessionell. Deswegen verstehe ich Klinsmann, dass er nicht unbedingt den Herrn Sammer da haben will.“

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