Deutsche Elf
Hat der DFB zu viel Geld?
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| Dienstag, 7. Februar 2006Es geht weiter um den neuen Technischen Direktor des DFB, eine Stelle, für die sich vor einer Woche noch keiner interessierte. Was filtern wir heute? 1. Den Missmut vieler DFB-Offizieller können wir immer besser hören, heute klagt Rolf Hocke, Präsident des Hessischen Fußball-Verbandes, sein Leiden unter Klinsmann; Experten der Öffentlichkeitsarbeit werden sicher bald von einem Kommunikations-GAU des DFB sprechen. 2. Viele Redakteure und Autoren verachten die Doppellösung, die Theo ZWanziger als Kompromiss plant. Nebenbei: Hat der DFB zu viel Geld, dass er ernsthaft erwägt, zwei hohe und teure Führungsämter zu zahlen, nur um des Friedens willen? 3. In einigen Zeitungstexten heißt es mehr oder weniger deutlich, dass Hockey-Trainer Peters als einziger der „Bewerber“ in der Lage gewesen ist, sein Konzept schriftlich darzulegen. Vermutlich wird nicht einmal diese Information all diejenigen zum Schweigen oder Nachdenken bringen, die in den letzten Tagen gegen ihn auf die Pauke gehaut haben.
Wir haben verschiedene Kröten geschluckt
Autorisiert der DFB auch die Interviews seiner Funktionsträger? Scheinbar nicht. Rolf Hocke lehnt im FR-Interview neue und alte Vorschläge Klinsmanns sehr gereizt ab: „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Klinsmann nach der WM sagt: ‚Meine Herren, das war es für mich. Ich gehe zurück ins warme Kalifornien.‘ Was machen wir, wenn der neue Bundestrainer die Personalie Peters nicht mitträgt? Die Frage muss erlaubt sein. Ich halte den Termin für alles andere als glücklich. Klinsmann verlangt von uns eine Entscheidung, aber er selbst ist nicht bereit, eine Entscheidung zu treffen. Ich sehe die Gefahr, dass wir unter Zeitdruck Entscheidungen treffen sollen, die man dann im Nachhinein bedauern könnte. Ich würde mir auch wünschen, dass sich Peters persönlich vorstellt. Das müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. (…) Wir haben verschiedene Kröten geschluckt, um das Projekt WM nicht zu gefährden, ich nenne als Beispiele nur mal den Scout aus der Schweiz und die Fitnesstrainer aus den USA. Wir haben da mitgemacht, weil wir es uns nicht erlauben können, dass wir hinterher die Schuldigen sein sollen, weil wir nicht die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen hätten, wenn es bei der WM schief gehen sollte. (…) Es liegt jetzt an uns zu zeigen, dass wir keine Marionetten sind.“
Mit Änderungen tut sich der Fußball schwer, der deutsche Fußball im besonderen
Oliver Bierhoff und Jürgen Klinsmann verteidigen heute den Peters-Vorschlag und verweisen beide darauf, dass sie nur das getan hätten, wozu sie vom DFB beauftragt worden seien. Bierhoff sagt im FAZ-Interview: „Es ist traurig, daß jetzt das Bild entsteht: Klinsmann gegen den DFB. Es gab von Beginn unserer gemeinsamen Arbeit an die Bitte und die Forderung des Präsidenten, Gedanken für die Weiterentwicklung im deutschen Fußball zu zeigen. Das haben wir getan (…) Mich ärgert die oberflächliche Betrachtungsweise. Der Technische Direktor muß die Trainer führen, ihnen Methoden zeigen und Selbstmanagement vorführen. Das macht Peters seit zwanzig Jahren. Er muß ihnen nicht erklären, wie man einen Ball stoppt. (…) Der deutsche Fußball ist in gewissen Bereichen ein geschlossener Zirkel. Und zudem gibt es dort auch eine gewisse Angst, sich mit anderen zu messen. Mich ärgern besonders die abfälligen Bemerkungen von Leuten aus dem Fußball, die von der Funktion des Technischen Direktors gar keine Ahnung haben. Mit Änderungen, die es in anderen Sportarten schon gegeben hat, tut sich der Fußball schwer, der deutsche Fußball im besonderen. Als ich in Italien spielte, war es in der Bundesliga noch üblich, daß ein Cheftrainer im Training eines Bundesligavereins alles gemacht hat. In Italien wurden damals schon lange Fitneßtrainer beschäftigt, es gab entsprechende Fitneßräume. Wir hatten beim AC Mailand immer einen Psychologen dabei und auch einen Chiropraktiker. Außerdem hat damals zum Beispiel Silvio Berlusconi mit Arrigo Sacchi einen völlig unbekannten Trainer für Milan verpflichtet, der früher selbst kaum gegen den Ball getreten hatte. Er wurde zu einem Trainer mit Weltruf, der den Fußball maßgeblich beeinflußt hat. Jürgen und ich haben im Ausland viele interessante und anregende Menschen kennengelernt. Das hat jeden von uns bereichert.“
Klinsmann klagt in einem sid-Interview, zitiert auf Spiegel Online, darüber, dass alle mitreden, unabhängig davon, inwieweit sie über Details informiert sind: „Es ist traurig, dass durch eine Indiskretion interne Informationen an die Öffentlichkeit gelangt sind. Es war geplant, unser Modell, das Oliver Bierhoff seit Monaten intensiv vorangetrieben hat, bei der turnusmäßigen Präsidiumssitzung vorzustellen. Diese Aufregung ist total unnötig. Man redet die ganze Sache schon kaputt, bevor eine sinnvolle Diskussion entsteht. Unsere Idee ist mit Theo Zwanziger, Horst R. Schmidt und Wolfgang Niersbach abgestimmt. Sie sind von der Idee sehr angetan. Ansonsten weiß keiner genau, um was es eigentlich geht, aber jeder meldet sich zu Wort. Dadurch entsteht eine Dynamik, die der Sache nicht dient. (…) Der Technische Direktor soll das Bindeglied zur Trainerausbildung sein, zu den U-Teams. Er soll die Trainingslehre von oben nach unten tragen, die Talentsichtung intensivieren. Es ist an ein Leistungszentrum wie in Frankreich gedacht und vieles mehr. Das ist ein sehr komplexer Aufgabenbereich und erfordert hohe Management- und Führungsqualität. Es ist nicht nötig, ein Fußballer zu sein. Man muss strategisch denken, Konzepte entwickeln, in die Tiefe gehen. Da ist viel mehr Wissen über Management gefragt als über ein 4-4-2- oder 4-3-3-System.“
Überzeuged
Michael Horeni (FAZ) kritisiert Klinsmanns Schweigen, hält aber seine Idee, Peters zu verpflichten, für gut: „Es ist für einen machtbewußten Verband von sechs Millionen Mitgliedern natürlich keine Kleinigkeit, einen Hockeytrainer all seinen eigenen Leuten vorzuziehen – diese Zumutung wenigstens erträglich zu gestalten war in Klinsmanns Kommunikationsplan viel zu spät vorgesehen. Es war und ist immer noch dringend notwendig, eine öffentliche Diskussion über die Prinzipien zu führen, nach denen sich der deutsche Fußball in den kommenden Jahren ausrichten soll. Das läßt sich nicht so einfach im kleinen Kreis besprechen und entscheiden. Die Argumente und die bisherige Personalsuche allerdings sprechen für sich. Von keinem Kandidaten aus dem Fußball-Lager hat Bierhoff bisher ein schriftliches Konzept erhalten. Sie waren, wie es heißt, dazu nicht in der Lage. Peters hingegen gilt als exzellenter Fachmann auf den Gebieten, in denen der deutsche Fußball seit Jahren unter strukturellen Mängeln leidet. Es fehlt nicht nur an einem stringenten sportlichen Konzept von der A-Nationalmannschaft hinunter in die anderen Auswahlteams. Die Schwächen in der Trainerausbildung und in der Führung der Trainer sind bekannt, ebenso die mangelhafte Bereitschaft, sich den neuesten Erkenntnissen der Sportwissenschaft zu öffnen. Sowohl Peters als Person als auch die Argumente für ihn überzeugen.“
Gewagtes, aber schlüssiges Modell
Philipp Selldorf (SZ) verneint die Doppelspitze: „Zwei Anwärter sind nicht unbedingt eine doppelt bessere Lösung – im vorliegenden Fall scheint es eher so zu sein, dass das Modell dann nur noch halb so gut wäre. Dabei hatten Klinsmann und Bierhoff von Zwanziger einen klaren Auftrag erhalten: Sie sollten das Aufgabengebiet eines künftigen Sportdirektors definieren und dazu den geeigneten Kandidaten rekrutieren. Am Ende stand die Empfehlung, den progressiven Hockey-Trainer Peters zu engagieren, weil er sich für die Management- und Verwaltungsaufgaben besser eignet als der Fußballtrainer Sammer. Die Notwendigkeit eines Ersatz-Bundestrainers sieht der Plan mit Peters nicht vor, weil er voraussetzt, dass mittlerweile im DFB ohnehin genug fußballerischer Sachverstand versammelt ist. Es ist ein gewagtes, aber schlüssiges Modell. Ihm fehlt bloß ein wesentliches Element: der Mut, es umzusetzen.“
Tsp: Der Streit um den Sportdirektor wird zur Machtprobe
FR: Mächtig Gegenwind für Klinsmann – DFB-Präsidiumsmitglieder sind über Peters-Coup verärgert
SZ: Wer verliert? Klinsmann und Bierhoff votieren für den Hockey-Bundestrainer, für den derzeit arbeitslosen Sammer sieht es eher schlecht aus