Deutsche Elf
Wir werden eine geile WM spielen
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| Freitag, 10. Februar 2006Jürgen Klinsmann, leicht beleidigt, im FAZ-Interview
FAZ: Oliver Bierhoff hat die Entscheidung für Sammer und die schroffe Absage für Peters als Niederlage bezeichnet. Wie beurteilen Sie die Entscheidung des DFB-Präsidiums?
Klinsmann: Es ist bedauerlich, daß dem inhaltlichen Konzept keine Beachtung geschenkt wurde. Es wurde nur diskutiert: Welchen Kopf hätten wir gerne – und nicht, welchen Inhalt. Ich habe dem Präsidium gesagt: Wenn Sie das Konzept, das viele zum ersten Mal gesehen und gelesen haben, schon früher gekannt hätten und wir die Möglichkeit gehabt hätten, das Konzept in aller Ruhe zu präsentieren und wir darüber auch ein zweites Gespräch hätten führen können – dann bin ich vollkommen überzeugt, daß das Eis für Bernhard Peters gebrochen worden wäre.
FAZ: Gab es eine Möglichkeit für Sie, auf der Präsidiumssitzung für das Konzept zu kämpfen, wie war die Atmosphäre?
Klinsmann: Eigentlich relativ ruhig und unproblematisch. Aber das lag daran, weil die Entscheidung der Herren schon vorher gefallen war. Wir konnten unser Konzept nur vortragen, aber fanden kein Gehör mehr. Das Präsidium hat sich eben für einen Fußballer entschieden – und nicht für die qualitative und innovative Variante mit einem Fachmann aus einem anderen Sportverband, um eine Sache voranzutreiben.
FAZ: Können Sie sich vorstellen, daß dies ein erfolgreiches Modell werden kann, nachdem Sie mit Ihren Ideen gescheitert sind?
Klinsmann: Ich denke schon, vorstellbar ist das allemal. Aber man muß sehen, wie das in der Praxis ausschaut.
FAZ: Bisher haben Sie sich und die Nationalmannschaftsführung mit den Reformvorschlägen durchsetzen können. Diesmal sind Sie regelrecht abgebügelt worden. Sind Sie mit Ihren Reformvorstellungen an Grenzen gestoßen, hat der DFB genug davon?
Klinsmann: Das weiß ich nicht. Es war aber schon in den letzten Tagen zu erkennen, daß aus einer Sachdiskussion eine öffentlich-populistische Diskussion wurde. Dem hat sich das Präsidium gebeugt. Bei allem, was man gerne bewegen möchte, kommt es auf den Inhalt und die Möglichkeiten an, es entsprechend vorzutragen. Diesmal ist es leider in unfairer Weise nicht dazu gekommen.
FAZ: Ist Ihr Elan, für den DFB Entwicklungsarbeit über die WM 2006 zu betreiben, nach der Entscheidung gedämpft worden?
Klinsmann: Nein, meinen Elan kann man nicht dämpfen. (…)
FAZ: Jetzt heißt es mitunter schon, Sammer sei der Ersatz-Bundestrainer, falls bei der WM etwas schiefgeht.
Klinsmann: Falls bei der WM etwas schiefgeht, sind sie logischerweise auf der Suche nach einem Ersatztrainer. Aber es geht nicht schief bei der WM. Die Frage stellt sich nicht, denn wir werden eine geile WM spielen. Es gehört auch dazu im Fußball, daß man Wind um die Ohren kriegt.
Die schlechten, alten Reflexe
Andreas Lesch (BLZ) verzieht den Mund über die Aussagen aus der Liga und die Art, wie der Springer-Kolumnist Sammer sich ins Amt gedrängt hat: „Der wichtigste Aspekt, den Fußball und Zirkus gemein haben, wird immer übersehen: Sie riechen streng. Anders ist kaum zu verstehen, dass von vielen Meinungsmachern dasselbe Argument benutzt worden ist: Wer den Job wolle, müsse Stallgeruch mitbringen. Er müsse also nach Grasnarbe, Blutgrätsche, Männerschweiß duften. Es ist erstaunlich, wie berechenbar die Branche reagiert. Sie funktioniert offenbar immer noch nach den schlechten, alten Reflexen. Sie feiert die Tatsache, dass sie sich künftig nicht mit störenden neuen Einflüssen, mit den Ideen eines Querdenkers, eines Außenseiters wie Peters herumärgern muss. Die Branche jubelt, weil sie nun leichter weitermachen kann wie bisher – und weil sie Klinsmann, dessen kalifornischer Reformeifer viele schon lange nervt, eine empfindliche Niederlage zugefügt hat. (…) Es ist bezeichnend, dass sich niemand daran stört, auf welchen Pfaden Sammer auf den Sportdirektoren-Sessel gefunden hat. Im Oktober lehnte er Klinsmanns Angebot, dieses Amt zu übernehmen, noch ab. Nun, als durch eine Indiskretion die Peters-Diskussion losbrach, bewarb sich Sammer plötzlich heftigst um den Job. Diese Wendung darf man merkwürdig nennen.“
Das Imperium DFB hat zurückgeschlagen
Klinsmann-Biograph Michael Horeni (FAZ) rechnet mit Klinsmanns Rücktritt nach der WM: „Seit vielen Monaten, ja seit Beginn von Klinsmanns Dienstantritt, beobachten Teile des Verbands besorgt, wie der Bundestrainer durch seine Erneuerung versuchte, die Nationalmannschaft mit unabhängigen Personen immer weiter vom Verband abzukoppeln. Dafür diente die Chiffre von ‚Klinsmanns Imperium‘. Nun aber hat das Imperium DFB zurückgeschlagen, so brüsk, daß sich selbst Präsident Zwanziger mit seinem Vorschlag einer Doppelspitze Sammer/Peters nicht durchsetzen konnte. (…) Eingeschränkte Freiheiten konnte Klinsmann in seiner Karriere immer nur schwer akzeptieren. Das wissen auch der DFB und der künftige Sportdirektor. Mit dem exzellenten Fußballfachmann und Meistertrainer Sammer hat sich der Verband auch für den Fall des Abschieds von Klinsmann gewappnet. Aber darum, so verbittet es sich die DFB-Spitze, ging es bei der Entscheidung natürlich nicht.“
Bisher ist er nicht als Visionär aufgefallen
Ludger Schulze (SZ) hätte Peters eine Chance gegeben: „Es wäre verfrüht und unfair, dem neuen Mann auf der neu geschaffenen Position die Befähigung abzusprechen, ehe er überhaupt den Stuhl hinter seinem Schreibtisch eingenommen hat. Sammer soll eine exzellente Bewerbungsvorstellung gegeben haben. Man darf jedoch daran erinnern, dass Sammer als Bundesligacoach nicht eben zukunftsweisende Arbeit geleistet hat. Und als fanatischer Förderer des Nachwuchses ist der Dauergriesgram auch nicht eben ins Bewusstsein gerückt. (…) Man schmort weiter im eigenen Saft. Gerade auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung aber kann der deutsche Fußball, wie die beiden vergangenen EM-Turniere schonungslos bewiesen, keineswegs auf bewährte Erfolgsmethoden vertrauen. Ein Experte wie Franz Beckenbauer lobt in dieser Hinsicht stets das französische Beispiel. Auch anderswo hat die Arbeit mit jungen Leuten deutlich mehr Ertrag gebracht, etwa in der Schweiz. Oder im deutschen Hockey.“ Thomas Kilchenstein (FR) zweifelt an der Qualifikation Sammers: „Bislang hat sich Sammer nicht den Ruf erworben, besonders eloquent und verbindlich zu sein. Er wirkt wie ein Gegenentwurf zum Daueroptimisten Klinsmann, gilt vielen als missmutig, misstrauisch und leicht erregbar. ‚Feuerkopf‘ Sammer, der gelernte Maschinen- und Anlagenmonteur, weiß um seine Schwäche. Um gelassener und souveräner aufzutreten, hat er sich einen Privatlehrer genommen. (…) Bisher ist er nicht als Visionär aufgefallen. Hinterm Schreibtisch kann man sich den Ex-Nationalspieler schwer vorstellen. Auf ein schriftlich ausgearbeitetes Konzept hat er bei seiner Bewerbung um den Posten als Sportdirektor gleich ganz verzichtet.“
Grundfalsch
Deutsche Sportfunktionäre – Markus Hesselmann (Tsp) ballt die Faust in der Tasche: „Warum provoziert der DFB vier Monate vor der WM einen solchen Eklat? Die Kritik am Ticketverkauf und an der Sicherheit der WM-Stadien reichte den Funktionären offenbar nicht. Sie mussten hier und jetzt ihre Macht demonstrieren und ihren wichtigsten leitenden Angestellten in aller Öffentlichkeit demontieren. Dabei hätte die Entscheidung über den neuen Sportdirektor problemlos nach der WM fallen können. In vier Monaten lässt sich ohnehin nicht nachholen, was in vier mal vier Jahren verschlafen wurde: ein Konzept für eine bessere Nachwuchsarbeit zu entwickeln. Auch inhaltlich ist das Votum für Sammer und gegen Peters grundfalsch. Nichts gegen Sammer – als Fußballer, als Mensch. Aber Peters, der Mann mit Distanz, mit Überblick, mit wissenschaftlicher Akribie, wäre die bessere Wahl gewesen für einen Verband, der sich seit Jahren selbst genügt. Der DFB steht mit all seiner Selbstgerechtigkeit im deutschen Sport nicht allein. Das Nationale Olympische Komitee fällte vor den Winterspielen die – richtige – Entscheidung, den früheren Stasi-IM Ingo Steuer nicht als Eiskunstlauf-Trainer in die deutsche Delegation aufzunehmen. In der irrigen Annahme, dass solche Entscheidungen schon deshalb unangreifbar sind, weil deutsche Sportfunktionäre sie gefällt haben, wurde versäumt, sie auch gerichtsfest zu begründen. Mit dem Ergebnis, dass Steuer nun in Turin an der Bande steht.“
FR: die strategischen Fehler Klinsmanns und Bierhoffs
SZ: Sammer ignoriert den Widerstand des Bundestrainers und sagt Loyalität zu