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Bundesliga

Zur Ruhe kommt der VfB nicht

Oliver Fritsch | Samstag, 11. Februar 2006 Kommentare deaktiviert für Zur Ruhe kommt der VfB nicht

Auffällig: In den Kommentaren über die Entlassung Giovanni Trapattonis landen die Autoren einige Seitenhiebe auf Matthias Sammer, seinen Vorgänger. Außerdem führen sie den Fehler, Trapattoni einzustellen, auf den Stuttgarter Präsidenten zurück und sein Unwissen über Fußball. Andreas Burkert (SZ) ahnt, dass Horst Heldt diese Lücke schließen könnte: „Heldt ist neu im Geschäft, trotz sechzehn Profijahren, und offenbar hat es beim VfB bislang an einem wenigstens semi-kompetenten Experten gemangelt, der in der Lage gewesen wäre, die aus der stolzen schwäbischen Industrie rekrutierte Klubführung ans Händchen zu nehmen. Nicht anders ist es zu erklären, dass man nach Sammer abermals einen Fußballlehrer verpflichtete, dessen antiquierte Idee vom Spiel so gar nicht korrespondierte mit dem inzwischen leider vergilbten Label des VfB (die jungen Wilden). Trapattonis Folklore mag zur Anpreisung von Quarkspeisen und Maultaschen taugen, doch sein Stil der Hierarchiezerstörung und Teamkomposition hätte den Klub zeitiger ins Benehmen setzen dürfen. Doch der glühende VfB-Fan Staudt achtete eher auf sein Ego und die Hausmacht im Kompetenzduell mit Aufsichtsratschef Hundt. (…) Der VfB hat es versäumt, das aus der Not erschaffene Modell juveniler Helden zu hegen – geblieben ist ein desillusioniertes Publikum und ein teurer Kader. Vehs Verweildauer hat Staudt mit seiner speziellen Begabung für den Zwischenton auf zirca 14 Spiele beziffert, womit Veh wohl so fröhlich dem Saisonende entgegen sehen wird wie der nette Herr Slomka, Platzhalter in Schalke. Der VfB hat einen neuen Trainer, zur Ruhe kommt er nicht.“ Elke Rutschmann (BLZ) empfiehlt Staudt, bei seinen Leisten und Zahlen zu bleiben: „Der Präsident steht einem der finanziell gesündesten Klubs in der Liga vor. Auf dieses Segment sollte er sich jetzt konzentrieren.“

Der Blendwirkung erlegen

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ) macht sich darüber Gedanken, wie man die Zahl der Trainerentlassungen senken könnte: „Wie wäre es denn mit einer Wechselperiode nicht nur für Profis, sondern auch für Trainer? Als Gegenmittel für das Prinzip des Heuerns und Feuerns. Der eine oder andere Vorstand würde sich – so jedenfalls die Hoffnung – ein wenig gründlicher mit der Frage befassen, ob der Trainer zum jeweiligen Standort, zu der Mannschaft, den Ansprüchen und Zielen paßt. In Stuttgart steht der Name Trapattoni auf Dauer für ein Intermezzo auf der Trainerbank. In der Erinnerung bleiben putzige Sprachfetzen, die gequälte Miene eines Torhüters Timo Hildebrand, sobald er sich zu Sachthemen äußern sollte, eine vom Trainer betriebene Rotation, die ohne erkennbare Konturen blieb. Sinn und Ziel blieben nicht nur der Mannschaft verborgen. Lethargie machte sich dort breit, wo im Falle Sammers noch unverhohlene Ablehnung zu spüren war, als der Ball nicht so lief wie gedacht.“

Stefan Osterhaus (NZZ) hofft, dass die Vereinsführung aus dem Fehler gelernt hat: „Staudt erlag der Blendwirkung eines grossen Namens und versucht nun, dem schillernden Lombarden in Armin Veh einen wandelnden Gegenentwurf folgen zu lassen. Der Beschluss, Veh vorläufig bis zum Saisonende zu engagieren, verdient Beifall, denn er ist zumindest originell: Veh ist keiner aus dem üblichen Zirkel gutsituierter Erwerbsloser.“ Bernd Dörries (SZ) blickt zurück und nach vorne: „Die Ära Trapattoni war tatsächlich das große Missverständnis war, wofür es seit Herbst deutliche Anzeichen gab. Trapattoni, so schien es zum Schluss, war von seiner erfolgreichen Karriere selbst so gerührt, dass er glaubte, nichts falsch machen zu können. Ein Denkmal hat immer recht. Zum Schluss schien es, als wolle er zeigen, dass man Spiele gewinnen kann, ohne ein Tor zu schießen. Als Veh gefragt wurde, ob er so etwas wie eine Philosophie habe im Fußball, sagte er: ‚Ich liebe das Kurzpassspiel. Mir wäre es am liebsten, wenn man mit zwei Kontakten auskommt.‘ Trapattoni hätte wahrscheinlich stundenlang geantwortet und die Mannschaft dann doch hinten rein gestellt. Veh sagte nur zwei Sätze. Trapattoni und er könnten gegensätzlicher kaum sein.“

Übergangslösung?

„Der freundliche Herr…“, keine vorteilhafte Plakette für einen Trainer; die FAZ klebt sie gerne. Nach Skibbe ist nun Slomka dran – Richard Leipold (FAZ): „Allen Lippenbekenntnissen zum Trotz kann er sich nicht ganz sicher sein, wie hoch seine Akzeptanz unter den Spielern ist, die schon ganz anderen, berühmteren Trainern Rätsel aufgegeben haben und später ihre Füße in Unschuld wuschen. Also geriert Slomka sich als demokratischer Lehrer, der vorerst nur andeutet, daß er auch böse werden könne, wenn die Schüler seine freundlich-verbindliche Art auszunutzen gedächten. Er preist den Charakter der Mannschaft und versucht den richtigen Ton zu treffen, ob er es mit empfindsamen, zuweilen zickigen Künstlern zu tun hat oder mit robusten Söldnernaturen. Auch den Umgang mit den Medien gestaltet er seiner Position entsprechend. Slomka weiß, daß er sie noch brauchen wird. (…) So werden die Gelehrten sich weiter darüber streiten, ob Slomka Fachwissen und Autorität ins Gleichgewicht bringt oder ob Schalke eine Nummer zu groß für ihn ist. Seit seiner Beförderung sehen viele in ihm eine Übergangslösung, einen Platzhalter für einen namhaften Trainer, der im Sommer kommt. Nur wenn Schalke am Saisonende Rang 2 oder 3 belegte, könnte aus dem Platzhalter ein Platzhirsch werden.“

FR: Rätselhafter Kultspieler – Jiri Stajner avanciert nach langen Anlaufschwierigkeiten zum Publikumsliebling

NZZ: Afrika-Cup-Finale – 11 Elefanten unterliegen 75.011 Pharaonen

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