Deutsche Elf
Abwehrsorgen
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| Samstag, 18. Februar 2006Christof Kneer (SZ) möchte nicht mit Jürgen Klinsmann tauschen, wenn es darum geht, eine Innenverteidigung aufzustellen: „Am Ende ist vermutlich wieder Franz Beckenbauer schuld, aber bestimmt hat er es wieder gut gemeint. Es war ja kein ganz schlechter Zug von ihm, das Abwehrspiel neu zu erfinden. Er hat der Welt den Libero geschenkt, so was muss man machen dürfen, und vielleicht kann man es dem deutschen Fußball nicht mal übel nehmen, dass er sich so an dieser Erfindung begeisterte, dass er sie 25 Jahre später immer noch für neu hielt. Als die Entwicklung endete, hat das Land dies ebenso wenig bemerkt wie Beckenbauer selbst. Als der Teamchef beim WM-Sieg 1990 den alternden Augenthaler als treudeutschen Libero besetzte, begann international gerade die Zeit der Abwehrketten. In Deutschland begann die Zeit, in der der knapp 60-jährige Matthäus vom Mittelfeldspieler umschulte – zum Libero. Bald ist WM im Land der Abwehrspieler, und gerade jetzt hat das Land Abwehrsorgen wie nie zuvor. Der Libero ist ebenso ausgestorben wie sein Vorstopper – und seit die Mannheimer Vorstopperschule wegen nachgewiesener Rückständigkeit schließen musste, sehnt sich die Republik nach Försters und Kohlers, aber in moderner Version. Dass dies ein Widerspruch in sich ist, beweist der letzte Mannheim-Absolvent Christian Wörns. Er ist kein schlechter Manndecker, aber eben ein Überbleibsel aus jenen Tagen, als die Söhne Mannheims mit heißem Atem einem zugeteilten Stürmer hinterhersichelten. Nicht neu ist das Problem, dass in Deutschland viel zu wenig moderne Innenverteidiger wachsen – neu ist aber, dass es zur Stunde eigentlich gar keine WM-tauglichen Abwehrspieler gibt. (…) Die schwer zu beantwortende Grundfrage lautet: Wo endet eine vernünftige Reaktion auf eine aktuelle Notsituation – und wo beginnt Aktionismus? Es hat zu allen Zeiten Versuche gegeben, Spieler in ein Turnier hineinzusingen, und meistens hat es Trainer ausgezeichnet, wenn sie die Gesänge überhörten.“