Ball und Buchstabe
Lupenreiner Materialismus
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| Dienstag, 21. Februar 2006Eine Tagung über Fußball im Nationalsozialismus im Kloster Irsee – Andreas Rosenfelder (FAZ/Feuilleton) kommentiert die Brisanz der Debatte zwischen Nils Havemann, dem Autoren von „Fußball unterm Hakenkreuz“, und seinen Kritikern: „Der deutsche Fußball wiederholt den Historikerstreit (…) Es geht darum, die Deutungshoheit über die Geschichte des deutschen Fußballs festzuschreiben. Warum ließen sich selbstbezügliche Eigenwelten wie der Sport, die Kunst oder die Wissenschaft so leicht ins nationalsozialistische System einbauen: aufgrund ihrer ideologischen Anfälligkeit – oder gerade im Gegenteil deshalb, weil sie sich als ideologiefreie Zonen definierten? Havemanns Skandal liegt in seiner völligen Abwendung von der Ideologiekritik. Anstatt die DFB-Funktionäre als Opfer eines Verblendungszusammenhangs zu behandeln, deutet er ihre Anbiederung an die Nazis als Mimikry aus kaufmännischem Kalkül. Der lupenreine Materialismus dieses Ansatzes erinnert verblüffend an Götz Alys erst nach Abfassung der Studie erschienenes Buch über ‚Hitlers Volksstaat‘. Gegen Havemanns illusionslose Perspektive steht die Sehnsucht nach einem klaren ideologischen Raster, das sich über die Geschichte legen läßt. (…) Vielleicht graut jenen Historikern, welche die Aufarbeitung des Nationalsozialismus mit dem Ideologiebefund für abgeschlossen hielten, ja auch nur vor der Idee eines politischen Vakuums im Inneren ihres Lieblingssports. Denn mit dem fragwürdigen Konzept des strammrechten Fußballs steht und fällt auch die uneingelöste Utopie eines linken Fußballs. Vielleicht würde ja schon die Einsicht weiterhelfen, daß man keine moralische Rechtfertigung braucht, um an jedem verdammten Samstag ins Stadion zu gehen oder die Sportschau einzuschalten.“ Andreas Wittner (Welt) ergänzt: „Ganz deutlich zeigte diese Aussprache, wie schwer es bis heute fällt, eine unvoreingenommene, sachliche Debatte über dieses Thema zu führen. Ebenso wurde deutlich, daß die Vergangenheit des DFB mit Havemanns Publikation bestenfalls ausgearbeitet, jedoch noch lange nicht aufgearbeitet ist.“
Handwerklich sauberer Sportjournalismus hat gelitten
Olympia im TV – Hans-Jürgen Jakobs (SZ) kritisiert ARD und ZDF für ihr Lavieren in Doping-Fragen: „Die Geringschätzung von Doping-Themen hat bei den gebührenfinanzierten Sendern durchaus Tradition. Lange vorbei sind die Zeiten eines Harry Valérien, der in Mainz noch Mut machte, mit journalistischen Mitteln Sportskandale aufzudecken. Insbesondere unter dem telegenen Wolf-Dieter Poschmann breitete sich nach Ansicht zahlreicher Kritiker eine gemütliche Kuschelatmosphäre aus. Poschmann leitete nicht nur die ZDF-Sportredaktion, er moderierte auch bei Veranstaltungen des Wasserabfüllers und Radrenn-Sponsors Gerolsteiner; ein Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten habe es nicht gegeben, sagt er. Sein ARD-Kollege Hagen Boßdorf wiederum erklärte in der Vip-Lounge des Münchner Olympiastadions Kunden des Telekom-Konzerns Spiele des FC Bayern. Und die ARD sponserte gleich die ganze Tour de France. Was bei all diesen Kooperationen, die inzwischen abgestellt wurden, offenbar gelitten hat, ist handwerklich sauberer Sportjournalismus. Das ZDF hat ein Format wie den Sport-Spiegel genauso schnöde entsorgt wie ARD-Sender ihre entsprechenden Angebote, zum Beispiel Sport unter der Lupe (SWR) oder Sport drei extra (NDR). Im Zweifel waren die Marktanteile zu niedrig. Richtig ist aber, dass nicht immer der Fetisch Einschaltquote die Programm-Entscheidungen bestimmen sollte. Nein, die Rundfunkgebühren für ARD und ZDF gibt es, weil diese öffentlichen Sender ihren Programmauftrag nachkommen sollen, und der sieht neben Unterhaltung auch Information und Bildung vor.“