Champions League
Einbruch
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| Donnerstag, 23. Februar 2006Bayern München–AC Mailand 1:1
Weniger das Spiel der Bayern ist für die Zeitungen und uns interessant, eher das eitle, verletzte, gekränkte Gerede danach. Michael Horeni (FAZ) prüft Münchner Ansprüche und ärgert sich über Felix Magath: „Der spektakuläre Treffer Ballacks könnte vielleicht das letzte Zeichen dieser Saison gewesen sein, das von höchsten internationalen Münchner Ambitionen kündet. Nach dem Gesamteindruck des Möchtegern-Finalisten gegen den tatsächlichen Vorjahresfinalisten ist die Versetzung der Bayern nämlich schon ins Viertelfinale höchst gefährdet. Das angegriffene bayerische Selbstbewußtsein fand nach einem Abend, an dem 45 Minuten genügten, um den Unterschied zwischen der bayrischen Allmacht in der Bundesliga und der Ohnmacht in Europa zu demonstrieren, nur in den Klagen über den umstrittenen Handelfmeter ein bißchen Halt. Magath verstieg sich zu der Behauptung, daß ‚ich noch nie gesehen habe, daß in der Champions League so etwas Elfmeter geahndet wird‘. Ismael hatte sich, vollkommen unnötig, in eine Hereingabe gehechtet. Der Ball traf dabei eindeutig die Hand des Franzosen, auch wenn er den Arm eng am Körper angelegt hatte. ‚Er hätte den Arm auch weglassen können‘, entgegnete Carlo Ancelotti lapidar, ‚der gehört da nicht hin.‘ Eine bestenfalls umstrittene Entscheidung also, aber sie mußte herhalten, um einen unerklärlichen Einbruch der Bayern zu erklären. Nach einer starken und engagierten ersten Hälfte mit dem verdienten Führungslohn glaubten die Bayern offensichtlich wie in der Bundesliga mit Minimalismus über die Runden zu kommen. Ein solches Spielchen läßt sich zwar mit überforderter nationaler Konkurrenz treiben, nicht aber mit den wahren Minimalisten des internationalen Fußballs. ‚So ein ungerechtes Tor zieht einen runter‘, behauptete Magath, als würde ein Pfiff genügen, um aus deutschen Alleinherrschern zwangsläufig europäische Mitläufer zu machen.“
Die Welt widerspricht Magath nicht in der Sache, aber seinem Schluss: „Die Szene, die zum Strafstoß führte, erregte die Gemüter und spaltete die Expertenmeinung. Ismael war im Fallen angeschossen worden – und eher nicht mit der Hand zum Ball gegangen, wie es das Reglement für eine Straßstoßentscheidung voraussetzt. ‚Bei so einem Elfer muß man lachen‘, schimpfte Uli Hoeneß, während sich Magath minutelang echauffierte. Warum seine Akteure danach taktische Linie und spielerisches Selbstverständnis verloren, vermochte der Bayern-Trainer allerdings nicht zu erklären.“ Stefan Osterhaus (NZZ) ergündet Magaths Zorn: „Magath gelang ein rares Kunststück – eines von jener Sorte, das auf den ersten Blick verborgen bleibt und den Betrachter hinterher dafür umso mehr staunen lässt: Magath verlor die Contenance. Doch sein Tonfall blieb ungerührt, er kam sogar mit dem mimischen Repertoire einer Cäsarenbüste aus. Still begann er sein Lamento, das vor allem einem Mann galt: dem Schiedsrichter De Bleeckere. Es war kein Elfmeter. Das bekräftigte die Zeitlupe. Doch man hatte schon viel gravierendere Fehlentscheidungen erlebt als die des Belgiers, die Magath als Argument zur Rechtfertigung eines unerklärlichen Auftritts half. (…) Wie gelegen war Magath der Pfiff gekommen. Sonst hätte er über die Fehler seines Teams reden müssen, vielleicht sogar über seine eigenen.“ Auch uns fallen spontan zwei schlimmere Elfmeter in der jüngeren Champions-League-Geschichte ein: der Ballack-Flug in Chelsea (Achtelfinale 2004/05) und der Luft-Elfmeter für Pizarro gegen Anderlecht (Vorrunde 2003/04). Außerdem: Ismael stand etwa zehn Meter vom Schützen entfernt, da kann ein Abwerspieler schon mal den Arm in Sicherheit bringen.
Stress auf kontinentalem Niveau
Andreas Burkert (SZ) analysiert Bayerns Schwäche und blickt aufs Rückspiel: „Die zusammengekniffenen Lippen, durch die Uli Hoeneß vagen Optimismus presste, wiesen am deutlichsten darauf hin, dass die Bayern ihre Rekordsaison nun sehr wohl vom abrupten Stimmungsabfall bedroht sehen. Und sollte der angekündigte Angriff auf Europa schon im Achtelfinale beendet werden, könnten sie einerseits zu der Erkenntnis gelangen, dass sie die gemütlichen Runden gegen Leverkusen, Nürnberg oder Hannover wohl doch unzureichend präparieren für Stresssituationen auf kontinentalem Niveau. Andererseits stünde dann, wie bereits nach dem K.o. im Vorjahr gegen Chelsea, der Zustand der Mannschaft zur Diskussion, die dann nicht nur das Problem des anhaltend blassen Spielteilnehmers Makaay mit sich herumtrüge. Vielleicht hat Ballack zuletzt mit seinen schönen Toren doch sehr viel übertüncht, auch Magath nennt ja den Angriff ‚eine offene Wunde – von den Stürmern kommt sehr wenig‘. Gegen Milan fehlte überdies jemand, der das mit einem Schuss zersprengte Team mit harter Hand und Gesten wieder zusammengeführt hätte. Konversation blieb eine Rarität, nicht einmal die längere Verletzungspause von Dida wurde dazu genutzt. Von niemandem. (…) 90 Minuten haben Magath und seine Leute nun noch Zeit, den Eindruck zu korrigieren, ihnen fehle gegen ein abgeklärtes Team wie Milan die taktische Finesse und das krisenfeste Führungspersonal.“
Neue Gesetze
Es ist nicht zu fassen. Karl-Heinz Rummenigge (SZ), der ahnt, dass sein Verein ausscheiden könnte, will das künftig verhindern – indem er den vielen Setzlisten noch eine Setzliste hinzufügen will: „Es ist schade, dass es bereits im Achtelfinale ein Spiel zwischen Bayern und Milan geben musste. Oder Chelsea gegen Barcelona: Dass solche Top-Duelle bereits in der ersten K.o.-Phase stattfinden, halte ich für verfrüht. Mein Mailänder Kollege Galliani und ich haben darüber beim Mittagessen mit Lennart Johansson (Uefa-Präsident) gesprochen. Wir haben ihm gesagt, dass wir dafür sind, eine Setzliste einzurichten. Er scheint da aufgeschlossen zu sein.“ Fällt den Großen und Möchtegerngroßen vielleicht irgendwann ein Gesetz ein, das ihre Niederlagen verhindert? Verbietet? Bestraft? Wir finden: Genau das macht den Reiz der Champions League aus: dass es nicht erst im Halbfinale zu Spitzenbegegnungen kommt. Nebenbei: In welchem Ranking, von Käfers Gästeliste mal abgesehen, fühlt sich Rummenigge auf gleicher Höhe mit Mailand und Chelsea?
Real Madrid–Arsenal 0:1
Mimosenhaftigkeit
Paul Ingendaay (FAZ) vergleicht die Leistung Thierry Henrys mit der Ronaldos, der vor dem Spiel über mangelnde Liebe der Fans geklagt hat: „Den Effekt dieser Worte, die auf einen arg verwöhnten Spieler schließen lassen, sah man auf dem Platz: Ein schwerer, einfallsloser Ronaldo verfing sich ein ums andere Mal in der vielbeinigen Londoner Abwehr, während Thierry Henry von allen Ecken des Spielfelds aus die Partie dirigierte und leichtfüßig durch die Reihen der Spanier lief. Das Meisterstück dieses Athleten war das Tor: Henry gewann im Mittelfeld einen Zweikampf gegen Ronaldo, zog auf und davon, ließ sich auch von Guti, Mejia und Sergio Ramos nicht bremsen und bezwang Casillas mit einem präzisen Flachschuß. Zu keiner Sekunde ließ Henrys Gesicht darauf schließen, daß er Liebe braucht, um solche Leistungen zu vollbringen. Manchen genügt die richtige Einstellung. Die offensichtliche Peinlichkeit der Madrider Vorstellung wird Folgen haben, doch vorläufig äußern sie sich nur bei Journalisten und Fans. In der Sportzeitung Marca erschienen schon die ersten Ronaldo-Witze, die den verhätschelten Stürmer, der sechs Millionen Euro Jahresgehalt kassiert, mit Julia Roberts vergleichen. Und es wird nicht aufhören. Mimosenhaftigkeit ist das letzte, was das Bernabeu-Stadion erträgt.“
NZZ-Bericht Werder–Juventus (3:2)
NZZ-Bericht Chelsea–Barcelona (1:2)
NZZ: Der FC Thun vor dem Rückspiel in Hamburg