Bundesliga
Gutes tun
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| Montag, 27. Februar 2006Wen kann man guten Gewissens über die Grenze schicken? René Martens (FTD) fallen nicht viele ein: „Puh, ist sie noch auszuhalten, die Spannung in der Bundesliga? Gewiss, der Meister steht seit dem ersten Spieltag fest und seit dem Wochenende auch der erste Absteiger. Die Plätze 2 bis 4 sind, abgesehen von der Reihenfolge, ebenfalls vergeben. Aber der Kampf um Platz 5! Bis Rang 13 reicht die Liste der Bewerber für den Uefa-Cup-Startplatz. Das Problem ist nur, dass es in dieser Saison keinen würdigen 5. gibt. Leverkusen, Hertha, Mönchengladbach – alles Kandidaten für eine Blamage in der ersten Runde. Und wenn Hannover 96 samt Humorwaffe Peter Neururer im Ausland zum Einsatz kommen soll, müsste man erst das Grundgesetz ändern. Für das Dilemma drängt sich nur eine Lösung auf: Der DFB sollte einen Uefa-Cup-Startplatz verschenken. Der Verband ist immer vom Glück begünstigt worden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs: Im Sommer darf er zum zweiten Mal innerhalb von 32 Jahren eine WM ausrichten, und bei allen wichtigen Auslosungen war Fortuna auf seiner Seite. Da kann man auch mal Gutes tun.“
1. FC Köln–Bayer Leverkusen 0:3
Ohne Messias
Christoph Biermann (SZ) korrigiert die Kölner Heilslehre: „Seine Wirtschaftskraft wird den 1. FC Köln mit weitem Abstand zum großen Favoriten für den Wiederaufstieg machen. Doch er wird zugleich ein Klub sein, dem eine Illusion verloren gegangen ist: Jahrzehntelang stand Wolfgang Overath für eine nie eingelöste Verheißung: Der Mann, der als Spieler die beste Zeit des 1. FC repräsentierte, würde ihn aus dem Mittelmaß in ein neues Goldenes Zeitalter führen. Diesen Glauben gibt es nun nicht mehr. Overaths Fußballinstinkte waren nicht ausreichend, um in dem Moment angemessen zu intervenieren, als die Probleme zwischen Uwe Rapolder und der Mannschaft deutlicher wurden. Beim Wechsel des Trainers übersah er, dass mit Hanspeter Latour auch die Spielidee komplett gewechselt werden musste. Overath wäre beileibe nicht allein verantwortlich, wenn es zum Abstieg kommen sollte. Aber er ist nun keine messianische Gestalt mehr, denn zugleich ist der 1. FC Köln unter seiner Führung wieder ‚kölscher’ geworden. Der Präsident ist eingesponnen in einen Kokon alter Vasallen, die inzwischen Scouts oder Berater geworden sind. Doch ob Stephan Engels oder Herbert Zimmermann, Hannes Löhr oder Jürgen Glowacz – das Schattenkabinett von Overath hat zu Beschlüssen geraten, die, das beweist diese Saison schon jetzt, nicht besonders hilfreich gewesen sind.“
Ohnmacht
Hans-Joachim Leyenberg (FAZ) sieht keinen Kölner Lichtblick: „Als ähnlichen Stimmungstöter haben Kölner Jecken allenfalls die Absage des Karnevalsumzuges empfunden. Damals, nach Ausbruch des Irak-Krieges. (…) Köln bleibt nicht drin. Am Tabellenende ist es ja schon seit Wochen, seit dem Debakel vom Samstag aber reift die Erkenntnis: Er bleibt dort, weil er mit seinem Personal tatsächlich dahin gehört. Dazu zählt ein Podolski, der den Ausflug mit der Nationalelf nach Florenz als Abstecher in die Leichtigkeit des Seins empfinden dürfte. Dem jungen Mann sollte man zumindest um seine Kapitänsbürde erleichtern. Er hat schon mit sich selber genug zu tun. Für Leverkusen hatte der Ausflug über den Rhein die Wirkung eines zusätzlichen Vitaminschubs, Köln aber entzog das Debakel in närrischer Zeit den Rest an Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Für den Fall des Falles, hat Hanspeter Latour betont, stünde er auch in der zweiten Liga zur Verfügung – ‚sofern die Vereinsführung der Meinung ist, das kann was geben’. Da greift er den Dingen aber gewagt weit voraus. ‚Ich bin traurig, da muß mehr kommen.’ Die Zuhörer ertappten sich erstmals beim Gedanken, daß auch von Latour mehr kommen müßte als ein Gefühl der Ohnmacht.“
Bayern München–Eintracht Frankfurt 5:2
Denkwürdig, peinlich
Magath will Mourinho werden – Ingo Durstewitz (FR) fasst sich nach Magaths Kopfwäsche an den selben: „Vor der Partie platzte der Frust aus Magath heraus. In einem gleichermaßen denkwürdigen wie peinlichen Auftritt prangerte er die Berichterstattung der Reporter an, die notorische Schwarzmaler seien. Augenzeugen berichteten, der emotionale Ausbruch des sonst so zurückhaltenden Fußballlehrers habe um ein Haar die Dimension von Trapattonis legendärer Wutrede erreicht. Magath gestikulierte wild, mit messerscharfer Stimme hielt er eine fünfminütige Grundsatzschelte, die sich an einem schnöden Elfmeterpfiff entzündete. Magath geißelte die Berichterstatter, die sogar allen Ernstes versucht hätten, den von Valerien Ismael verschuldeten Strafstoß gegen den AC Mailand als gerechtfertigt darzustellen. Frechheit, so was. Sollten sich mal ein Beispiel an den italienischen Journalisten nehmen, die sich nicht scheuten, Partei zu ergreifen für die eigene Mannschaft. Objektivität? Geschenkt. Die Bayern waren bis aufs Blut gereizt – und die ängstlichen Frankfurter waren die Leidtragenden.“
Kehraus der schlechten Erinnerungen
Hat Bayern Probleme mit den Spitzen? Nicht mit allen, findet Klaus Hoeltzenbein (SZ): „Marcelinho hat jetzt einen Herausforderer in der Fachfrage: schneiden, waschen, färben, legen, föhnen. Bislang war der Brasilianer die ungekrönte Frisur der Liga, ein Tönungs-Weltmeister, der sich mal grün, mal rot, mal blau und mal orange präsentierte. So intensiv beschäftigten sich die Berliner mit ihrem Hauptstadt-Beau, dass sie darüber völlig den Fußball vergaßen – momentan färbt Marcelinho seinen Schopf passend zur Lage seiner Herthaner: metallic-grau. Nähert man sich Paolo Guerrero, dem Herausforderer, mit Blick von oben, fällt ein Meisterwerk der Flechtkunst auf. Gerade Linie, Schlängellinie, gerade Linie, Schlängellinie, gerade Linie… – wer will, kann daraus ein Profil ableiten. ‚Er hat noch zu viele Schnörkel im Spiel’, antwortete Magath auf die Frage, was dem 22-Jährigen noch fehle. Das mag gegen die Großen des Weltfußballs ein Nachteil sein, gegen Eintracht Frankfurt waren es auch die vielen Guerrero-Schnörkel, die den 23. Spieltag in München zum Erlebnis aufwerteten. Unter Mithilfe des Peruaners gelang eine Art schnörkelnder Geradeaus- oder gradliniger Schnörkelfußball, jedenfalls etwas sehr Verwirrendes (…) Der AC Mailand scheint die Bayern geweckt zu haben, die nach nun 19 Heimsiegen in Serie an der Spitze schlummerten. So kam auch die Eintracht gerade recht, ein frischer, frecher, zur rechten Zeit naiver Partner für den Kehraus all der schlechten Erinnerungen an die Italiener.“
Makaay nicht zu kränken, das ist die Politik dieser Tage
Auch Heinz-Wilhelm Bertram (BLZ) widmet sich der Makaay-Frage: „Hat Magath seinen ersten gravierenden Fehler als Trainer beim FC Bayern begangen – und damit das Weiterkommen in der Champions League aufs Spiel gesetzt? Beharrlich hielt er am formschwachen Roy Makaay fest. Mit zwei Toren und zwei Vorlagen demonstrierte der in dieser Saison erstmals von Beginn spielende Guerrero: Es war falsch, mir nicht zu vertrauen. Nach der glänzenden Leistung des Peruaners versuchten die Verantwortlichen alles, um den Fauxpas, der sich als folgenschwer erweisen könnte, herunterzuspielen. Makaay hatte beim gegen Milan eine Möglichkeit kläglich vergeben und enttäuscht. Wenig freute die Bayern-Bosse die aufkommende Diskussion, Guerrero sei wohl die bessere Wahl gewesen. (…) Makaay nicht zu kränken, das ist die Politik dieser Tage. Dabei konnte jeder sehen, dass Guerrero vieles hat, was Makaay nicht besitzt: Spritzigkeit und Gewandtheit, Aufgewecktheit und Geistesgegenwart, List und Raffinesse.“
Werder Bremen–Borussia Mönchengladbach 2:0
Konstanz ist gefragt
Christian Kamp (FAZ) zählt Bremer Gegentore seit Januar und zieht daraus einen Schluss: „Während Gladbach den Nachweis eventueller Uefa-Pokal-Ambitionen schuldig blieb, scheint Werder Bremen nach einem holprigen Start ins Fußballjahr rechtzeitig wieder in Tritt gekommen zu sein. Denn selbst wenn die Bayern derzeit unerreichbar scheinen – im Wettstreit mit dem HSV und Schalke 04 ist Konstanz gefragt, wenn auch im kommenden Jahr wieder europäische Fußballfeste gefeiert werden sollen. Daß Werder neuerdings nicht mehr nur auf seine starke Offensive zählen darf, belegt ein besonderes statistisches Detail: In der Rückrunde haben die als notorisch abwehrschwach verschrienen Bremer erst vier Treffer zugelassen. Weniger hat in diesem Jahr kein anderes Team kassiert.“
FSV Mainz 05 – 1. FC Kaiserslautern 0:2
Überheblich
Gegenläufige Entwicklungen beider Teams beobachtet Uwe Marx (FAZ): „Die Reanimation des 1. FC Kaiserslautern ist in vollem Gange. Das vor wenigen Wochen noch klägliche Spiel der Lauterer hat wieder Struktur, getragen von erst im Winter verpflichteten Spielern wie Mathieu Beda, Jon Inge Höiland oder Balasz Borbely. Allerdings hatten auch die Mainzer ihren Teil zur Stärkung des Gegners beigetragen. Manager Christian Heidel war vor der Partie dummerweise auf die Idee gekommen, über die Spielstärke des Gegners zu räsonieren. Dieser – vor der Partie immerhin schon punktgleich und den schwächelnden Mainzern im Nacken – habe zuletzt drei Klassen schlechter gespielt als die eigene Mannschaft. Das war, wenn auch übertrieben, keineswegs an den Haaren herbeigezogen, wirkte aber trotzdem arg überheblich. Jetzt sind also die Mainzer auf einen Abstiegsplatz gerutscht, und Jürgen Klopp bleibt nichts anderes übrig, als das verbreitete Programm in Not geratener Trainer abzurufen: die eigene Mannschaft mit sensiblen Worten aufbauen, Gemeinschaftsgefühl vermitteln. Eine schwächelnde Mannschaft stark reden – was Klopp noch vor sich hat, hat Wolfgang Wolf erst einmal hinter sich. Seine ist bereits wieder stark.“
BLZ: Vier Talente stützen den Kaiserslauterer Aufschwung
Schalke 04–1. FC Nürnberg 2:0
Viele günstige Umstände
Wie hat sich Schalke nach der Barcelona-Reise in knapp 40 Stunden auf das Spiel vorbereitet, Richard Leipold (FAZ)? „Viel schlafen, gut essen und Biathlon gucken: das genügte, um den Abstiegskandidaten Nürnberg zu schlagen. Den größten Gefallen tat den Westfalen Ivica Banovic. Zuvor mit der Gelben Karte verwarnt, beging er ein überflüssiges Handspiel und erhielt zur Strafe einen Feldverweis. Einer von vielen günstigen Umständen für Schalke. Auch der Schiedsrichter leistete seinen Beitrag. In den beiden spielentscheidenden Situationen entschied er im Zweifel zugunsten der Königsblauen – und lag falsch. Der Führungstreffer wurde erst durch zwei, vielleicht gar drei Fouls möglich, die Manuel Gräfe übersehen hatte. Später ahndete Gräfe ein vermeintliches Foul an Asamoah mit einem Freistoß, den Lincoln zum zweiten Tor nutzte. Die Tore mögen nicht dem Buchstaben des Gesetzes entsprochen haben, spiegelten aber angemessen den Leistungsunterschied zwischen beiden Parteien.“
VfL Wolfsburg–Hannover 96 2:1
Hartz V
Eine Gesetzesvorlage (oder so) von Christof Kneer (SZ): „Unbarmherzig touren die Wolfsburg Globetrotters durchs Land und machen der Konkurrenz die Stadien leer. Am Wochenende sind wieder nur 21.436 Menschen gekommen, diesmal ins eigene Stadion. Auf Dauer kann das nicht mehr so weitergehen. Die grauen Mäuse müssen dringend wieder farbiger werden, weshalb als erstes Herr Effenberg zurückzuholen wäre, der den Klub in einer Doppelspitze mit Herrn Strunz führen könnte, was für die Zuschauer garantiert spannend wäre, weil Frau Strunz ja jetzt Frau Effenberg ist. Auch könnte der Wolfsburger Herr Hartz ein Hartz-V-Paket vorstellen, wonach arbeitssuchenden Fußballfans Freikarten für jenes Stadion zustehen, in dem gerade Wolfsburg spielt. Und wenn alles nichts hilft, könnte der stets von Leverkusen beeinflusste Klub immer noch Reiner Calmund anwerben. Den könnte man so geschickt über die Haupttribüne verteilen, dass es wie voll aussieht.“