Deutsche Elf
Stellen Sie Lehmann ins WM-Tor!
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| Freitag, 10. März 2006Michael Rosentritt (Tsp) kommentiert Franz Beckenbauers Befehl, Oliver Kahn zu bevorzugen: „Man kann darüber streiten, ob Jürgen Klinsmann nicht besser beim WM-Workshop aufgehoben wäre, statt in die Sonne Kaliforniens zu blinzeln. Und man kann darüber unterschiedlicher Ansicht sein, inwiefern das Abschneiden der Nationalmannschaft letztlich nur ein Produkt der Qualität der Bundesligaklubs. Es gibt aber keine zwei Meinungen mehr darüber, wer ins deutsche WM-Tor gehört. Natürlich hat auch Beckenbauer mitbekommen, dass Kahns Rivale Lehmann in zwei Spielen gegen die offensiv immer noch stärkste Mannschaft der Welt, Real Madrid, jeweils zu null gespielt hat, wohingegen der Torwart seines Vereins nicht ganz schuldlos vier Stück in einem Spiel gefangen hat. Was Beckenbauer offenbar nicht weiß, ist, dass er Kahn damit keinen Gefallen getan hat und viele Deutsche dem Bundestrainer zurufen möchten: Herr Klinsmann, vergessen Sie Ihre Kinderstube und stellen Sie Lehmann ins WM-Tor!“
Siehe dazu meine 11-Freunde-Kolumne vom Oktober 2005: „Oliver Kahn wird 2006 deswegen im Tor stehen, weil er die besseren und mächtigeren Fürsprecher hat als seine Kontrahenten.“ Morgen sicher mehr über dieses Thema.
Hornissenstiche
Philipp Selldorf (SZ) fasst die letzten sieben Tage zusammen: „Zur Jahrhundertwende schienen die Italiener den Anschluss ans internationale Spitzenniveau verloren zu haben, Spanien und England waren die gelobten Länder des Fußballs in Europa. In wenigen Jahren haben die Italiener ihre Antwort gefunden, und das nicht nur wie früher mit aberwitzig teuren Transfers, sondern mit eigenen Lösungen. Das ist nicht nur bei der Nationalelf zu sehen, die an Jugend dem deutschen Team um nichts nachsteht, sondern auch bei ihren Spitzenvertretern aus Mailand und Turin, die trotz teurer Gastarbeiter die italienische Kultur fördern und pflegen. Wo die Deutschen immer nur denken, zwischen Treviso und Palermo werde allein der Catenaccio kultiviert, entwickeln die Italiener bewegliche, reife Strategiemodelle. Die Bayern verbuchten in Mailand 60 Prozent Ballbesitz, aber die Mailänder nutzten ihre 40 Prozent zu Angriffen wie Hornissenstiche. Im Grunde müssten die Deutschen unter dem Eindruck der italienischen Woche eine Fußball-Notstandskommission einrichten. Und vielleicht bietet man ja den Signori Capello, Ancelotti und Lippi noch schnell eine Gastprofessur an.“
Italienische Lehrstunden
Auch Frank Hellmann (FR) ringt nach Luft: „Die beiden 1:4-Pleiten zeigen das Dilemma schonungslos: Eines, in dem die gesamte Bundesliga steckt, deren hochgejazztes Treiben in den Tagen der italienischen Lehrstunden als Blendwerk enttarnt ist. Technisch und taktisch, aber auch physisch und psychisch ist der Rückstand frappierend. Da wirkte die auch sachlich falsche neuerliche Schiedsrichter-Schelte von Felix Magath nur peinlich. Es gibt keine andere Erkenntnis, als dass es Fußball-Deutschland vor allem bei Auswärtsspielen an Qualität mangelt. In der Champions League und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei der WM – wobei es dienlich gewesen wäre, wenn Jürgen Klinsmann die beiden Partien in Italien verfolgt hätte. Der Bundestrainer hätte hautnah gesehen, dass es insgesamt nicht mehr für eine Liga langt, die sich selbst belügt und deren Repräsentanten wieder einmal staunend vor den Bildschirmen hocken, wenn Europas Elite in drei weiteren Runden um den bedeutendsten Titel im Vereinsfußball streitet.“
Wackelkandidat
Michael Ashelm (FAZ) gibt die Hoffnung nicht auf: „Die neuesten Erfahrungen reihen sich ein in die der vergangenen Jahre, weshalb die vor allem durch den Confederations Cup entstandene deutsche Aufbruchstimmung einer realistischen Einschätzung längst nicht mehr standhält. Dies haben die aktuellen deutsch-italienischen Vergleiche drastisch vor Augen geführt. Der deutsche Fußball bleibt mit dem Blick auf die WM ein Wackelkandidat. Hoffnung ist derzeit aus so gut wie keinem internationalen Vergleich von gehobenem Format abzuleiten. Andererseits wäre es genauso falsch, dem großen Turnier dieses Sommers ohne jede Hoffnung entgegenzusehen. Vielleicht lernen gerade die jungen Spieler, auf die Klinsmann setzt, aus den Rückschlägen von Turin und Mailand. Vielleicht präsentieren sie sich bei der WM wenigstens wieder so, wie sie vom Confederations Cup in Erinnerung geblieben sind: begeisterungsfähig, lernwillig und viel tatkräftiger als bei den jüngsten Schlappen in Italien.“