Champions League
Mängelliste
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| Freitag, 10. März 2006AC Mailand–Bayern München 4:1
Klaus Hoeltzenbein (SZ) prüft Bayern München auf Herz und Niere: „Sie haben es Milan auch leicht gemacht, die in der Bundesliga so selten schwer geprüften Innenverteidiger Ismaël und Lucio. Noch immer verrichten sie nahezu schweigend nebeneinander ihr Werk. Die in Stein gehauenen Säulenheiligen im Mailänder Dom reden bei Nacht mehr miteinander, und dieser Mangel an kreativer Kommunikation zieht sich durch die gesamte Bayern-Elf, er fiel schon im Hinspiel auf. Mit der Mängelliste vom Mittwoch werden die Münchner noch im Sommer beschäftigt sein, die Frage ist nur, wo begonnen werden muss: Bei Demichelis, der im Mittelfeld in der Spieleröffnung Probleme hat, bei Ballack, der in der Masse unterging, Deisler, in dessen Rücken Milan Angriff auf Angriff über die linke Seite inszenieren durfte, oder doch bei der kompletten Gruppe? Womöglich bewegt sich der FC Bayern nicht im Rhythmus der neuen taktischen Zeit. Oft wirkt die Mannschaft so, als verbinde sie allein der Zweck, was fehlt, ist eine einende, eine große Idee vom Fußball. Andere Mannschaften auf dem Niveau, auf das die Münchner wollen, verschieben ihre Reihen besser, stellen mehr Fallen und schwärmen entschlossener aus.“
Bis ins letzte Fitzelchen zerlegt
Frank Hellmann (FR) lenkt den Blick auf den Trainer: „Ins Kreuzfeuer der Kritik gerät auch Felix Magath. Scheint für die nationalen Aufgaben beinahe einerlei, wer auf der Trainerbank sitzt, ist für den internationale Auftritt mehr gefragt – auch von Trainerseite. Vielleicht sind es noch andere Komponenten, die den Klassenunterschied ausmachen: Die einen sind zu naiv (Ismael), die anderen über ihren Zenit (Kahn), die dritten ohne Form (Makaay). Und es fehlten Verve, Courage und Entschlossenheit, um gegen ein bärenstarkes Milan zu bestehen.“ Heinz-Wilhem Bertram (FTD) redet Tacheles: „Ein technisch und taktisch klar überlegener, hoch inspirierter, intelligenter und erfolgshungriger AC Mailand hatte den Rekordmeister bis ins letzte Fitzelchen zerlegt. Die Dosierkönige und Superzocker der Bundesliga, sie waren am Ende ihres Weges angelangt. Wie kläglich, dass sich Magath nuschelnd in Ausreden flüchtete. Vom unberechtigten Elfmeter sprach er, und vom schwachen Schiedsrichter. Hat er es nicht herausgelesen? Diese Mannschaft hat kein Herz. Seine Spieler lassen sich feiern für Siege über Fußballmäuschen wie Duisburg und Bielefeld. (…) Der FC Bayern ist das Rosenborg Trondheim von Deutschland: Primus im Lande, Kanonenfutter in Europa.“
Kein Stratege
Michael Ashelm (FAZ) vermißt sehr viel: „Die Hoffnung, mit dieser nun über eine längere Periode zusammenspielenden Mannschaft und der einen oder anderen höherklassigen Ergänzung könne das Feld international aufgerollt werden wie vor Jahren mit Ottmar Hitzfeld, hat sich nicht erfüllt. Es scheint, als würden sportlicher Anspruch und die Wirklichkeit auf dem Platz bei den Münchnern nach dem Ende der Ära Hitzfeld wieder viel weiter auseinanderklaffen als zwischenzeitlich geglaubt. Die Mannschaft zeigt sich unter Druck auf Höchstniveau wenig einheitlich. Es mangelt ihr im Vergleich mit Teams wie dem AC Mailand an Dynamik, es fehlen in entscheidenden Momenten die perfekt einstudierten Spielzüge, die nicht von Glücksumständen abhängig sind.“ Stefan Osterhaus (NZZ) fügt hinzu: „Offenkundig sind die Defizite der Mannschaft, die in Deutschland so gefürchtet ist. In ihrem Gefüge gibt es niemanden, der den Puls eines Matches fühlt, ihn aufnimmt und dann den Rhythmus selber vorgibt. Im hochdekorierten Mittelfeld, das begabte Individualisten vereint, ist nicht ein einziger Stratege, sieht man von Ballack in seinen besten Momenten ab.“
In der Falle
Philipp Selldorf (SZ) findet keine Erklärung für die Nichtleistung Roy Makaays: „Unbegreifliches ist geschehen mit dem Torjäger, der nach seinem famosen Start in die Saison zum Erbfolger Gerd Müllers erkoren wurde. Die Menge von Makaays Ballkontakten dürfte an einer Hand abzuzählen sein. Seine Intensität und sein Tempo taugen für ein Durchschnittsspiel in der Bundesliga – selbst das nur sporadisch –, aber im Duell mit einem Spitzenklub wirkt sein bescheidener Einsatz wie eine Beleidigung des Gegners. Makaays Krise ist ein Zustand, und im Verein hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass sich daran nichts mehr ändern wird. (…) In Mailand ist der FC Bayern aus seinen Illusionen erwacht. In der Bundesliga ist er eine Großmacht, international ist er eine Größe von gestern. In der Champions League hat der Klub den Anschluss verloren, die Bilanz der vergangenen vier Jahre lässt sich nicht mehr als Sammlung von unglücklichen Einzelfällen erklären, sondern durch substanzielle Defizite. Doch wenn sich die Bayern-Bosse beratschlagen, werden sie feststellen, dass die Möglichkeiten zu einer grundlegenden Renovierung des Kaders beschränkt bleiben. Nun erweisen sich die Versäumnisse des vergangenen Jahres, als der Verein wegen einer ganzen Reihe von offenen Spielerverträgen unter Handlungsdruck geriet, und deshalb in einer großen Personaloffensive die Verträge mit Schweinsteiger, Hargreaves, Lahm, Lúcio, Sagnol, Demichelis, Santa Cruz, Deisler und Kahn verlängerte. Während die übrigen Großklubs in Europa ihre Dispositionen auf dem Spielermarkt sondieren, hat sich der FC Bayern mit seinen Festlegungen in die Falle manövriert.“
FR: Pressestimmen aus dem Ausland
Kampf mit ungleichen Waffen
Udo Muras (Welt) gibt zu bedenken: „Die Fünf-Jahres-Wertung der Uefa ist ein Geld-Ranking. Spanien, Italien, England und Frankreich nehmen die ersten Plätze ein, dort wird auch das meiste Geld für Stars ausgegeben – unabhängig davon, ob es vorhanden ist. Bayern München verfolgt diese Philosophie nicht und leistet sich eben Spieler, die zwar in der Bundesliga Helden sind, aber international keine Hauptrollen spielen. Auch die Bremer Kaufleute stehen nicht im Ruf, Hasardeure zu sein. Folglich handelt es sich schon seit Jahren um einen Kampf mit ungleichen Waffen. Und es wird Zeit, das zu akzeptieren, zumal die Liga alles tut, den Status quo zu manifestieren. Die Zentralvermarktung der Klubs bleibt eine heilige Kuh, die fortlebt, damit auch die Bundesliga in ihrer bewährten Form nicht stirbt. Folglich darf niemand Siege in der Champions League einfordern – und wir müssen allmählich zum olympischen Motto übergehen: Dabeisein ist alles.“
Arsenal–Real Madrid 0:0
Deutscher Kunstturner in Handschuhen
Raphael Honigstein (SZ) schildert die Inbrunst, mit der Arsenal-Fans Jens Lehmann feiern: „Die alte Art Deco-Tribüne wackelte bedenklich, zigtausende Männer ruinierten ihre Stimmbänder, wedelten wild mit den Armen, reckten Fäuste in die Höhe. Ein regelrechter Fieberwahn hatte die Besucher im Highbury befallen; noch lange nach Ende der Vorstellung war der kollektive Wille, den unrühmlichen Stadion-Spitznamen the library (‚die Bibliothek‘ – weil es dort oft so leise ist) ein für allemal ad absurdum zu führen, ungebrochen. ‚Lehmann, Lehmann, Lehmann, Lehmann‘, tobten die Ränge, das hatte man in London so noch nicht gehört. Der Held des Abends war gefunden. (…) Ein Torwart ist öfters der beste Mann auf dem Platz, wenn das Spiel torlos ausgeht. Selten aber ist ein 0:0 so atemraubend. Und Lehmann war in drei Jahren bei Arsenal sicher nie besser. Die blutjunge Heimmannschaft hatte bedingungslos gekämpft, begeisternd gekontert, tolle Torgelegenheiten kreiert – ohne die heroischen Taten des ‚deutschen Kunstturners in Handschuhen‘ (Daily Telegraph) wäre wahrscheinlich alles umsonst gewesen. Die einzig echte Chance, die sich diese untote, im Zwielicht umherirrende Ansammlung gewesener Granden herausspielen konnte, machte ‚Super Jens‘ (Sun) zunichte. Madrid sollte dem Torhüter sogar dankbar sein. ‚Er besorgte die letzte Ölung‘ (Times), das Regime der Galaktischen kann – drei Jahre verspätet – endlich begraben werden.“
Süd schlägt Nord
Christian Eichler (FAZ) sieht in Lehmann Deutschlands Lichtblick: „1:4 das Nationalteam, 1:4 die Bayern: acht Tage, in denen es im deutschen Fußball nur Verlierer gab. Bis auf einen: Jens Lehmann. Seine beste Tat vollführte er nach einem Pfostentreffer von Raul, als er dessen Nachschuß im Zurückhechten gegen die eigene Sprungrichtung am Pfosten vorbeilenkte. (…) Lehmann gab Real Madrid, dem Modell der Weltelf in Weiß, den vielleicht letzten Stoß auf dem Weg in die Mottenkiste. Zidane, Beckham, Roberto Carlos, Ronaldo, Raul zeigten sich als staubige Kollektion alter Meister – eine Umgebung, in der auch die jungen, eingewechselten Zukäufe Robinho, Cassano, Julio Baptista einer spielerischen Frühvergreisung verfielen. Reals tor- und geistlose Darbietung bedeutete die einzige Ausnahme im Trend der Champions League, der sich in der K.-o.-Runde zeigt: Süd schlägt Nord. Die mediterranen Ligen sind die Sieger der Saison. Ihre Vertreter schlagen die Konkurrenz aus England, Schottland, Holland; aus Deutschland sowieso.“
Bildstrecke, faz.net
taz: Fragen der Zensur – eine ‚dünnhäutige‘ Hertha schließt das Fanforum, weil es Schmähungen gegen den Manager enthalten habe
BLZ: Beschlagnahmung von Bettlaken – wie Hertha BSC in der Krise auf Kritiker reagiert