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Ball und Buchstabe

Jeder Verband hat den Skandal, den er verdient

Oliver Fritsch | Samstag, 11. März 2006 Kommentare deaktiviert für Jeder Verband hat den Skandal, den er verdient

Die neue Wettaffäre im deutschen Fußball ist für Barbara Klimke (BLZ) Beweis für die Hilflosigkeit des DFB: „Der DFB, der sonst gern seine Autonomie betont, hat diese neuerlichen Betrugsfälle nicht gewollt. Aber er hat kaum etwas Substanzielles dazu beigetragen, sie zu verhindern. Zu lasch waren die sportlichen Sanktionen im Hoyzer-Skandal 2005. Zu halbherzig waren die Versuche, die schuldhafte Verzögerungstaktik einiger Verbandsfunktionäre aufzuklären. Zu auffällig war das peinliche Bemühen, den Imageschaden gering zu halten. Es war noch nie Verlass auf die Selbstreinigungskräfte im Sport – nicht, wenn es um Geld geht, um Betrug, um Doping, um Vorteilsnahme. Jeder Verband hat den Skandal, den er verdient.“

Nichts gelernt

Nach den ersten Aussagen fürchtet Thomas Kistner (SZ), daß der DFB die Sache kleinredet: „Löblich ist, dass der DFB den neuen Fall offensiv bekämpft, allerdings ist dieser erste Reflex so verständlich wie verräterisch. Denn er besagt: Solange es nicht das Kernprodukt des deutschen Profifußballs betrifft, solange also keine namhaften Klubs und Spieler involviert sind, sei die ganz große Skandalwirkung nicht zu befürchten. Wer unter solchen Prämissen ernsthaft den Wettbetrug bekämpfen will, springt allerdings zu kurz. Insofern ist die neue Affäre leider auch Beleg dafür, dass die Szene aus dem Hoyzer-Skandal weder gelernt hat noch sich davon abschrecken lässt – und wenn sich bewahrheitet, dass im vorliegenden Fall das vom DFB mit Betradar unterhaltene Frühwarnsystem nicht angeschlagen hat, steht der Fußball am selben Punkt wie vor dem Sündenfall Hoyzer: Er kann nur hoffen, dass einer auspackt.“

Gründerzeitfieber

Veranstalter, Wettanbieter und -partner, Betrogener – Matti Lieske (BLZ) schildert den Interessenkonflikt des DFB: „Kaum eine Werbepause kommt ohne sie aus, und wer einen Überblick über die Marktführer möchte, der muss nur die Websites der Profivereine durchklicken. Bei der DFL sind sie ebenso präsent wie in Gestalt der staatlichen Wette Oddset beim DFB und dem Organisationskomitee. Hier ist Oddset nicht nur Geldgeber, sondern Nationaler Förderer und kümmert sich vor allem um das Volunteer-Programm. Sportwetten sind das Geschäft der Stunde und vor allem auch das der Zukunft. (…) Dass der zweite Wettskandal binnen Jahresfrist eine Sensibilisierung bewirkt, ist kaum zu erwarten angesichts des Gründerzeitfiebers, das den DFB erfasst hat. Helfen könnte ein Blick nach Amerika, wo man durch viele Affären gelernt hat, welch unheilige Allianz Sport und Wetten darstellen. Die großen Profiligen haben nicht nur ein Wettverbot für Sportler und Funktionäre, sondern auch maßgeblich dazu beigetragen, dass Sportwetten in den meisten Staaten der USA verboten sind. Selbst als Veranstalter aufzutreten, wäre für die sonst jedem Profit aufgeschlossenen Sportmanager völlig undenkbar.“

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun

Alles halb so wild – Roland Zorn (FAZ) gibt mit Blick auf die WM Entwarnung: „Es verfestigt sich das Bild von einem Gastgeberland dieser WM, das sich auf dem Fußballplatz und an dessen trüben Rändern nicht in allerbester Verfassung präsentiert. Rund ein Jahr nach der schlimmen Affäre um Robert Hoyzer erschüttert ein weiterer Fall von Wettbetrug eine Szene, die sich um ihre Glaubwürdigkeit aufs neue Sorgen machen muß. Mag auch das Ausmaß dieser Schmuddelgeschichte um möglicherweise beeinflußte Regionalliga- und Zweitligaspiele nicht an die moralische Dimension des Hoyzer-Skandals heranreichen, so ist die Substanz der nach Aufklärung rufenden Taten doch gleich verwerflich. Daß der öffentliche Aufschrei diesmal weniger laut ist, hat auch damit zu tun, daß anders als seinerzeit keine Spielleiter den Ausgang im nachhinein strittiger Partien beeinflußt zu haben scheinen. Die Autorität der höchsten neutralen Instanz auf dem Platz wird also in der jüngsten Wettbetrugsaffäre nach Lage der Dinge nicht schon wieder beschädigt. Doch auch die nun sichtbaren Gaunereien, Wettbewerbe rechtswidrig zu begleiten, sind abstoßend und geschäftsschädigend genug. (…) Doch so unangenehm diese Geschichte auch ist: Den Glanz und die Aura, die von einer Weltmeisterschaft ausstrahlen, kann eine noch so miese Wettaffäre nicht nachhaltig ramponieren. Zumal das eine mit dem anderen nun wirklich nichts zu tun hat.“ Auch Udo Muras (Welt) warnt vor Alarmismus: „Global gesehen, muß Deutschland froh sein darüber, wie wenig Erfolg die kriminellen Elemente mit ihren Versuchen hatten, seit es den Fall Hoyzer gegeben hat. In Belgien sind Dutzende Erstligaspiele suspekt, auch andere Länder Europas wie Finnland, Griechenland oder Kroatien und nicht zuletzt Italien haben in jüngerer Vergangenheit für Schlagzeilen gesorgt – und das im Erstligabereich. Wir indes sprechen von einem Anfangsverdacht an Schauplätzen wie Siegen, Eschborn und Erfurt, von denen im Ausland kaum jemand Notiz nimmt, sofern wir nicht selbst zu laut trommeln. Und mit denen zu rechnen war, weil das installierte Frühwarnsystem nicht alle Hinterzimmer dieser Welt erfassen kann und weil der Fall Hoyzer Nachahmer geradezu inspirieren mußte. Doch es gilt diese Fälle in Relation zu setzen und nicht durch übertriebene Hysterie aufzuwerten. Gnadenlos aufgeklärt werden müssen sie dennoch.“

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