Deutsche Elf
Stimmungssache
Kommentare deaktiviert für Stimmungssache
| Dienstag, 14. März 2006Vor dem Treffen zwischen Klinsmann, Beckenbauer und Zwanziger bei Angela Merkel wirft Michael Horeni (FAZ) ein: „Der Notstand, der im Fußball-Land so kurz vor WM-Beginn ausgebrochen ist, hat die Politik alarmiert. Denn eigentlich sollte der Fußball, so der Plan eines unsicher gewordenen Landes, neue Hoffnung vermitteln. Die WM sollte das Bruttosozialprodukt steigern, Arbeitsplätze schaffen und Aufbruchstimmung erzeugen. Aber von alldem ist nichts mehr zu hören. Während unverdrossen nationale Freundlichkeits- und Serviceoffensiven ausgerufen werden, um die Welt bei ihren Freunden entsprechend zu begrüßen, balgt sich die große Fußballfamilie über die Medien mit einer Hingabe, die zumindest auf diese unerwünschte Weise die Erinnerung an die kraftvolle Kultur des Straßenfußballs in Deutschland lebendig hält. Die Grundstimmung ist nachhaltig verdüstert in einem Land, in dem selbst der Bundespräsident und auch die Kanzlerin in ihren Neujahrsansprachen die nationale Bedeutung der WM vermessen haben. Nun fürchten aber auch die Kritiker Klinsmanns, daß der entfesselte Groll eben nicht nur einen beschädigten Bundestrainer zurückläßt, der die vor allem symbolische Bedeutung eines Fifa-Workshops mißachtete, sondern daß das gesamte WM-Projekt auf die schiefe Bahn geraten könnte. (…) Ein Sieg gegen die Amerikaner im Stimmungstestspiel, so schlicht funktioniert der Fußball, würde wohl weit mehr bewirken als ein flammender Appell der Bundeskanzlerin zur nationalen Fußball-Einheit.“
Aufheizen
Werden die Dortmunder Fans gegen Klinsmann pfeifen, Christof Kneer (SZ)? „Zur Stimmungsaufhellung kann nur ein überzeugendes Länderspiel beitragen, und zu allem Überfluss ist nun ein Heimspiel im Feindesland daraus geworden. Dortmund nimmt übel, seit Klinsmann es gewagt hat, den altvorderen Recken Wörns aus seiner proaktiven Jungdynamikerriege zu streichen. In den Vor-Klinsmann-Zeiten ist das Westfalenstadion für den DFB immer eine Art Fluchtpunkt gewesen; zu besonders wichtigen Anlässen hat man sich gern in Dortmund einquartiert, beim Relegationsspiel gegen die Ukraine vor der WM 2002 etwa oder im Herbst 2003, praktischerweise nach Rudi Völlers Käse-Mist-Scheißdreck-Eruption. Jetzt ist es aber so weit gekommen, dass der DFB in Person des Vizepräsidenten Rolf Hocke ‚Angst vor Dortmund‘ habe. ‚Es ist eine unglückliche Konstellation, jetzt in Dortmund zu spielen‘, sagt Hocke. Denken kann man das womöglich, sagen aber eher nicht, und solche Beiträge aus dem Hintergrund sind es, die das Klima zusätzlich aufheizen. Zitieren lassen will sich niemand beim DFB, aber man darf davon ausgehen, dass derlei Einwürfe aus den eigenen Reihen nicht sehr willkommen sind. Bislang galten DFB-intern die Funktionäre Nelle und Moldenhauer als potenzielle Profilierungskandidaten, nun hat Hocke das Duo zum Trio erweitert. (…) Aber womöglich gibt’s schon am Donnerstag ein erstes Zuckerl für die BVB-Anhänger: Dann stellt Klinsmann seinen Kader fürs USA-Spiel vor, und womöglich wird darin erstmals wieder der Dortmunder Sebastian Kehl auftauchen.“
Kein Gefallen
Wird der DFB den Dortmunder Zuschauern unliebsame Transparente aus der Hand reißen? Ralf Köttker (Welt) lehnt diese nordkoreanische Maßnahme ab: „Dem Bundestrainer tut man mit solchen Restriktionen keinen Gefallen. Stimmungen lassen sich nicht am Stadioneingang filtern. Und Verbote verstärken nur vorhandene Antipathien. Klinsmann hat seine Entscheidungen nie vom Applaus der Massen abhängig gemacht. Er hat immer betont, daß er mit Ablehnung und Kritik umgehen kann. Der Bundestrainer wird die Pfiffe aushalten. Was er jetzt am dringendsten braucht, sind nicht Einlaßkontrollen und Imagekampagnen, sondern einfach nur sportlicher Erfolg.“
Mal davon abgesehen, daß es eine Unterstellung ist, die Dortmunder Fans (ausgerechnet!) könnten sich, wie von manchem Klinsmann-Gegner insgeheim gehofft, für Wörns rächen wollen – warum kommt eigentlich niemand auf die Idee, daß sich die Dortmunder für die Nominierung Christoph Metzelders bedanken werden? Ist Metzelder nicht die viel bessere Dortmunder Symbol- und Identifikationsfigur? Daß Klinsmann trotz langer Verletzung und Versetzung auf die Bank große Stücke auf ihn zählt, müßte doch den Ärger über Stinkstiefel Wörns mindestens ausgleichen. Doch für alle Fälle noch ein Tip für den DFB, wie man Pfiffe gegen die eigenen Leute verhindert: Ladet Sepp Blatter ein!
FAZ: Es gibt einiges zu besprechen für die Experten beim Thema persönliche Eitelkeit, Sturheit und Kommunikationsdefizite, doch Die Zeichen stehen auf Entspannung.
bildblog: über die Spiegel-Kritik an der Bild-Kampagne gegen Klinsmann
FAZ: Die Fifa und die Medien – keine Einschränkung mehr für WM-Bilder im Netz