Deutsche Elf
Es könnte Jahre dauern, bis Deutschland den Anschluß an die Weltspitze findet
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| Mittwoch, 15. März 2006Der Economist, um es vorsichtig zu sagen, eins der wichtigsten und einflußreichsten Magazine der Welt, sorgt sich immer sehr um die deutsche Wirtschaft und die deutsche Politik. In letzter Zeit blickt die Redaktion in ihrer Berichterstattung über Deutschland auffällig häufig auf Jürgen Klinsmann und lobt ihn in einer Art, für die man in Deutschland inzwischen der Kungelei und Schönfärberei bezichtigt werden würde. In der Ausgabe vom 11. Februar hat der Economist in einem Deutschland-Dossier seine zuversichtliche Beschreibung der deutschen Wirtschaft aus dem letzten Jahr revidiert und die Schwächen des deutschen Arbeitsmarkts, der Integrationspolitik und des Schulsystems analysiert. Klinsmann wird dabei Vorbildfunktion für das ganze Land bescheinigt: „Nach der Demütigung der Nation bei der Europameisterschaft 2004 erkannte der DFB, eine klobige, selbstgerechte Organisation, die Notwendigkeit, etwas zu ändern. Man hat Jürgen Klinsmann engagiert, einen ‚Westküstendeutschen‘, der Optimismus ausstrahlt und dafür kämpft, seinen Weg zu gehen. Der deutsche Fußball scheint eher dazu bereit, einen Wechsel anzunehmen als die Nation.“
In der aktuellen Ausgabe schüttelt der Economist über den Streit um Klinsmann mit dem Kopf: „Plötzlich steht Klinsmann in der Kritik. Zunächst als Heilsbringer des deutschen Fußballs gefeiert, wurde er nach dem Debakel in Italien von seinen Gegnern gejagt. Nun spekulieren manche schon über seine Entlassung. In typisch deutscher Manier wird Klinsmann nicht dafür kritisiert, ein schlechter Trainer zu sein, sondern für seinen Wohnsitz Kalifornien, eine vermeintliche Unsitte, die sein Team angeblich schwäche. Selbstkritik würde dem deutschen Fußball-Establishment derzeit besser zu Gesicht stehen. Die Wahrheit ist: Es könnte Jahre dauern, bis Fußball-Deutschland wieder den Anschluß an die Weltspitze findet – genauso wie es Jahre dauern könnte, bis die politischen Reformen das Land zurück in die Spur bringen.“
Waiting for a Wunder
Generell zur Bedeutung der WM für Deutschland heißt es unter dem Titel „Waiting for a Wunder“: „Wenn Sie in diesem Frühling Berlin besuchen, dann halten Sie Ausschau nach Fußbällen. Sie sind überall: auf Plakaten, Bussen oder Hochhäusern – auch wenn die WM erst in Monaten stattfindet. Ein deutsches Unternehmen verwandelt gar den Fernsehturm am Alexanderplatz in einen Fußball. Wenn es die Technik ermöglichen könnte, würden die Marketing-Abteilungen einen Fußball auf den Mond projizieren [ein Witz aus der Süddeutschen Zeitung, of]. Doch nicht nur Marketing-Leute sind nervös; die Politik diskutiert über liberale Öffnungszeiten und den Bundeswehreinsatz während des Turniers. Die Deutschen, so scheint es, nehmen die WM sehr ernst – nicht nur, weil sie leidenschaftliche Fußballanhänger sind. Deutschland versucht, seinen beschädigten Ruf zu polieren und seine kollektive Depression zu heilen. Die Hoffnung beruht auf einem erfolgreichen oder zumindest respektablen Abschneiden der Nationalelf – wie 1954 bei der WM in der Schweiz. Das Wunder von Bern [Original] half, den beschädigten Stolz der Deutschen wiederherzustellen. (…) Angela Merkel sollte nicht auf eine Belebung der deutschen Wirtschaft durch die Fußball-WM hoffen, die zu einem befremdenden Märchen über undichte Stadien und Ticket-Pannen geworden ist. Selbst wenn die Deutschen zum ersten Mal seit 1990 den Pokal wieder holen sollten, bleibt dem Land noch eine Menge zu tun.“
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Kein Grund zur Sorge
Endlich wäscht einmal jemand den Schalkern für ihre „Mike-Büskens“- und „Yves-Eigenrauch“-Rufe bei Länderspielen den Kopf! Stefan Hermanns (Tsp) gibt für das Spiel in Dortmund Entwarnung: „Historisch betrachtet gibt es keinen Grund zur Sorge. Zum dreizehnten Mal spielt die Nationalmannschaft in Dortmund. Elf Spiele hat sie gewonnen, nur eins, 1977 gegen Wales, endete unentschieden. Vor allem die letzten beiden Begegnungen haben den Ruf des Westfalenstadions als günstiges Umfeld für die Nationalmannschaft begründet: Im November 2001 gewannen die Deutschen 4:1 gegen die Ukraine und qualifizierten sich für die WM. Fünf Wochen zuvor, beim 0:0 gegen Finnland, war die Mannschaft in Gelsenkirchen noch ausgepfiffen worden, die Zuschauer feierten den heimischen FC Schalke und schmähten vor allem die Nationalspieler des Erzfeindes Borussia Dortmund. Im Westfalenstadion hingegen war die Stimmung von der ersten Minute an freundlich bis enthusiastisch – und das, obwohl kein einziger Dortmunder in der Anfangsformation stand. Auch vor dem bisher letzten Länderspiel in Dortmund, im September 2003 gegen Schottland, hatte es Befürchtungen gegeben, dass das Publikum feindselig sein könnte, weil Teamchef Rudi Völler vier Tage zuvor seinen legendären ‚Käse, Scheißdreck, Mist‘-Ausbruch gehabt hatte. Auch diese Sorge erwies sich als unbegründet. Völler wurde noch mehr gefeiert als seine Mannschaft.“
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