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Ball und Buchstabe

Aus einem Gerücht eine Geschichte konstruieren

Oliver Fritsch | Samstag, 18. März 2006 Kommentare deaktiviert für Aus einem Gerücht eine Geschichte konstruieren

Wie viel Schaden verursacht ein Gerücht – unabhängig davon, ob es stimmt oder nicht? Christian Eichler (FAZ) vergleicht die Fälle Bastian Schweinsteiger und Jürgen Jansen: „Der Ruf wird wohl nie wieder derselbe sein. Denn in vielen Medien und damit in der Wahrnehmung vieler Mediennutzer kommt nur die laute Beschuldigung vor; nicht die leise Zurücknahme oder Widerlegung von Beschuldigungen. Sie prägt auch die Zukunft, in der Jansen gewiß manchen Menschen begegnen wird, die nur die Halbwahrheit im Gedächtnis behalten haben: Jansen? War das nicht der, der in die Hoyzer-Geschichte verwickelt war? Schweinsteiger wird es wohl nicht so gehen. Er hat im Rücken den mächtigen FC Bayern, der die Sache offensiv angeht. Das wird sicherstellen, daß die Rehabilitierung genauso viel Aufsehen machen wird wie der Verdacht. Das natürlich nur, falls es nicht doch Beweise gibt, die über aus zweiter oder dritter Hand kolportierte angebliche Aussagen von Kleinkriminellen hinausgehen, die sich bei Ermittlern beliebt oder bei Journalisten wichtig machen wollen. Im Moment ist das eher unwahrscheinlich, und der Name Schweinsteiger ist keine Nachricht; nur die Art, wie man aus einem Gerücht eine Geschichte konstruierte, ist eine, und die Reaktionen darauf sind eine. Eine Nachricht aber, die den Namen verdient und das Nachdenken auch, ist die des Jürgen Jansen, der seinen Kampf, auf den Platz zurückzukehren, beendet hat.“

Rufmord am laufenden Band

Michael Hanfeld (FAZ/Medien) kritisiert die tz für die dicken Schlagzeilen auf dünner Beweislage: „Skandalblatt bringt Bastian Schweinsteiger in Verruf. (…) Zulässige Verdachtsberichterstattung: Das ist der juristische Begriff, um den es geht. Kann man das machen, wenn es keine offizielle Bestätigung gibt? Man kann nicht, man darf es nicht, man soll es nicht, zumal seit dem entsprechenden Bericht von Plusminus in Sportkreisen das große Raten nach Namen eingesetzt hat. Plusminus hatte berichtet, daß in den Skandal ein Spieler der Nationalmannschaft verwickelt sei – aber keinen Namen genannt. Seither bleibt kaum eine Redaktion von anonymen Tipgebern verschont, die mitteilen: Der Nationalspieler, den Sie suchen, heißt übrigens: … Die halbe Nationalmannschaft wird als verdächtig genannt – es ist ein Rufmord am laufenden Band.“

die Stellungnahme der tz
faz.net: tz-Chefredakteur entschuldigt sich für Fehler
Tsp: die Presseerklärung Bayern Münchens
FR: Reaktionen des DFB

Die Korruption greift das Erfolgsrezept des Spiels an

Die FAZ schreibt auf Seite 1 über den chinesischen Einfluß auf den Wettbetrug in Europas Fußball: „Während andere europäische Wirtschaftszweige seit Jahren unter den Folgen der Globalisierung durch Chinas gewaltige, billige Produktivität leiden, schien das größte Volk der Welt für Europas Fußballmarkt nur Annehmliches zu bieten: viele potentielle Fans als Käufer von Trikots und anderen Produkten – und kaum Konkurrenz. Nun aber sieht es aus, als exportiere China die Fußball-Korruption ebenso fleißig wie Baumwollhosen oder Spülmaschinen. Verschobene Spiele hat es schon immer gegeben, von den letzten Spieltagen der vorletzten Klasse, wenn für einen Bierkasten das abstiegsgefährdete Team gewinnt, bis zu mancher internationalen Partie, für die ein Unparteiischer dank Gastlichkeit, Geschenk oder Gespielin schon mal ein kleines bißchen parteiisch gestimmt wurde. Beweisbar war das selten, und es blieb, schon aus Gründen der Ökonomie, beschränkt auf wenige Spiele, in denen viel auf dem Spiel stand. Auf dem Wettmarkt aber, einer Branche mit rasanten Steigerungsraten, kann jeder selbst bestimmen, wieviel auf dem Spiel steht. Den Schaden haben viele Einzelwetter, die von abgekarteten Spielen nichts ahnen. Den noch größeren hat der Ruf des Fußballs. Der Ruch der Korruption beginnt das Erfolgsrezept des Spiels anzugreifen: Der Reiz des Fußballs ist die Unwägbarkeit – man kann alles tun und doch nicht vom zählbaren Erfolg belohnt werden. Jeder kennt solche Spiele, in denen ein Team 89 Minuten überlegen ist und 0:1 verliert. Fußball, ein Fehlerspiel. Fehler kann man aber auch freiwillig machen. Und in keinem Spiel fällt das so wenig auf wie in diesem, in dem die Perfektion unmöglich ist, weil Ball und Fuß stets eine nur unvollkommene Verbindung eingehen – ein Spiel, in dem selbst die Götter manchmal wie Stümper spielen.“

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