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Strafstoss

Reine Nervensache XX – Tore zum Netz aufrütteln

Oliver Fritsch | Montag, 20. März 2006 Kommentare deaktiviert für Reine Nervensache XX – Tore zum Netz aufrütteln

Strafstoß #XX – YYYY. ZZZZ 2006

von Herrn Mertens und Herrn Bieber

Mathias Mertens: Ob sie auf dem Platz präsent sind oder nicht, darüber mag man streiten. Aber wie beurteilen Sie als Internetinterpretationspionier eigentlich die Webpräsenz unserer Nationalspieler? Mir will scheinen, dass man dort spielerische Kreativität vermissen lässt. Alle haben dieselben News, Galerie und Kolumnenpunkte, alle in Trikot, in Sauwetter und im Anzug mit Handy am Ohr. Sieht so moderner Fußball aus?

Christoph Bieber: Na, das ist ja endlich mal ein Spielfeld, auf dem ich mich auskenne – und außerdem heißt es ja, unsere Nationalmannschaft könne inzwischen besser E-Mails schreiben als die Abseitsfalle stellen. Von daher wundert mich Ihre Erstdiagnose ein wenig. Aber welche Nationalspieler-Websites haben Sie sich denn angesehen? Unter www.nationalspieler.de hatte ich eine kleine Handreichung vermutet, aber dort finde ich nur den leicht hämischen Kommentar „We are not a global player“.

MM: Was sich ja ausschließlich auf das Flugverbot für Teamchefs bezieht. Ich habe mir natürlich erst einmal die Alpharüden-Seiten der blockenden Bayern angesehen, ich bin eben auch Deutscher und somit soliogenetisch nicht zur Kreativität fähig.

CB: Ich mag es ja eher systematisch und fange daher mit der DFB-Website an. Und dort findet man in der Tat eine langweilige Behörden-Website, gegen die bereits das Auftreten des Deutschen Bundestages aussieht wie ein Entwurf aus der digitalen Designerwerkstatt. Einfach nur ein weiteres Beispiel für die Verstaubtheit des Arbeitskreises alter Männer in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise?

MM: Ist halt so‘n Content Management System, wie sie’s alle haben, gucken Sie sich doch mal den indirekten-freistoss an, auch nicht besser. Interessant finde ich, dass man die Nationalspieler anklicken kann, auch wenn sich dahinter wieder nur Paninische Weisheiten wie im Schlachthof verstecken. Obwohl ich sehr gerne mal die alten Männer zum Anklicken hätte, um deren Werte zu begutachten.

CB: Was hatten Sie denn erwartet – die persönlichen Homepages der Herren Podolski, Frings oder Ballack sehen eben so aus, wie persönliche Homepages heutzutage eben aussehen. Manche Seiten sind doch sogar vergleichsweise originell: ich war schon etwas verwirrt, als mich unter www.oliver-kahn.de ein jubelnder Ronaldo begrüßte, während der Titan wie tot am Boden lag. Und daneben las ich die „Erfolgsregel Nr. 5″: „Großen Erfolgen gehen oft große Niederlagen voraus“. Das muss man erst einmal mit sich machen lassen.

MM: Ja, aber dieser ganze Flash-Mumpitz. Überall wird nur geladen, geladen, geflasht, geladen. Da fällt mir die selbstironische Seite unseres Miros doch sehr positiv auf, der da auf www.klose.de wissen lässt, dass er, um mir künftig eine bessere Performance und Erreichbarkeit zu gewährleisten, in ein neues Rechenzentrum umziehen wird. Wobei ich nicht hoffen will, dass das eine verschlüsselte Botschaft seines Managers ist, dass er demnächst bei Real Madrid den Ball treten wird.

CB: Noch überraschender fand ich allerdings www.arne-friedrichs.de Vorliebe für fernsteuerbare Modellautos. Sein Kochbuch „foodball“ war ja schon merkwürdig genug. Nun reicht´s aber mit dme Geplänkel im kalauerverdächtigen Abseits. Der wesentliche Grund für den von Ihnen vorgekosteten multimedialen Einheitsbrei ist aber eigentlich ganz leicht zu finden: sehr viele der Fußballer-Homepages werden von ein und demselben Dienstleister erstellt, einer Firma mit dem etwas seltsamen, aber doch fußballbezogenen Namen „Seven Dead Cats“. Aber es gibt auch Ausnahmen, etwa Kevin Kuranyis Pixelfeuerwerk oder den retro-schicken Andreas Hinkel.

MM: Ob der mit seinem hessischen „Weich ist stärker als hart, Wasser ist stärker als Stein, Liebe ist stärker als Gewalt“ allerdings im Strafraum, geschweige denn dem Entmüdungsbecken allerdings zu reüssieren weiß, bleibt aber doch anzuzweifeln. Wenn schon retro, dann auch richtig, mit allem Kopfballungeheurem und HTMLigen: www.hrubesch.de. Aber ich habe mich schon wieder nach Kalau verlaufen. Zurück zu uns. Und zu der Frage an den Experten hier bei mir in der Kolumne, was denn um Himmels Willen ein Fußballspieler im Netz zu suchen hat?

CB: …wo doch eigentlich nur der Ball dortselbst zappeln soll – geben Sie´s zu, lieber Mertens, das ist eine rhetorische Abseitsfalle! Doch wir stehen ja auf gleicher Höhe und daher wird nicht abgepfiffen: im Zuge eines gelungenen Eigenmarkenaufbaus gehört die digitale Selbstdarstellung einfach ins Portfolio des modernen Profis. Der allgegenwärtige Medienfußballzirkus gastiert eben nicht mehr nur auf dem Fernsehbildschirm, sondern längst auch dem Computermonitor. Aber ich sehe schon, diese Antwort wird sie langweilen.

MM: Warten Sie, ich bitte kurz Herrn Netzer ans Telephon, damit er seine Standardstichelei gegen Delling feilbieten kann. In der Zwischenzeit verweise ich noch auf eines der berüchtigsten Beispiele, wo ein Fußballer ins Netz gehen wollte, und zwar das gruselige Klinsmann-Gerüttele an den Maschen in einem seiner letzten Spiele. Und weil Herr Netzer immer noch nicht zur Verfügung steht, bleibt mir nichts anderes übrig, als ins Medienwissenschaftliche zu verfallen und zu verraten, dass meine ganze Kalauerei eigentlich eine Theorie-Vorbereitung waren. Denn um was geht es im Internet, zumindest in seiner Berners-Leeschen-Ausprägung? Um Links! Um Assoziationen! Um das Denken in Ähnlichkeiten. Und wo wir Null-Acht-Fuffzehn-Existenzen unsere Internetpräsenz benötigen, um dieses einzige Medium, das uns zur Verfügung steht, dazu zu nutzen, uns immer ähnlicher zu werden, ist das gleiche Bestreben bei dauerausgestrahlten Fußballern einfach nur peinlich. Die sind schon so sehr sie selbst, dass sie sich gar nicht mehr hinterherkommen können. Die sollten das Ähnlichkeitsprinzip des Netzes eher dazu nutzen, sich noch anderes einzuverleiben. Sponsoring zum Beispiel. Mich wundert, dass etwa Patrick Owomoyela das Potenzial seines unschreibbaren Nachnamens noch nicht erkannt hat und einen Vertrag mit Ovomaltine eingegangen ist.

CB: Bei Owomoyela denke ich im übrigen eher an „Telenovela“. Hm, aber „Denken in Ähnlichkeiten“… abgesehen von der schweren Vermittelbarkeit in der Halbzeitpause scheint mir das eine gute Strategie für die weitere WM-Vorbereitung zu sein. Ich wäre ja schon froh, wenn wir nur „so ähnlich“ wie Italien spielen würden. Aber noch mal zur Frage des Einverleibens – was mir an den Spieler-Websites auffällt, ist nämlich weniger der aufgeblähte Sponsorenbauch, sondern die vielen Projekte, Stiftungen und karitativen Zwecke, für die sich die Spieler engagieren: Owomoyela für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei, Friedrich für den Mukoviszidose e.V., und haben sie schon mal versucht, www.juergen-klinsmann.de aufzurufen? Da grüßt doch das soziale Netz, oder?

MM: Ein Musterbeispiel für das, was ich elfenbeintürmend versuchte zu umschreiben. Indem er das Andere zum Eigentlichen seines Auftritts macht, ist Klinsmann schon wieder Jahre voraus und läßt das Netzgezappel hinter sich. Er hat eben immer schon deutlich gemacht, dass man gestrige Konzepte einfach nur in die Tonne treten muss. Dumm nur, dass die deutsche Nationalmannschaft mit Konzepten für Übermorgen trainiert, wo die Weltmeisterschaft doch morgen stattfindet.

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