Deutsche Elf
Aus der Deckung kommend
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| Donnerstag, 23. März 2006Sehr lesenswert! Holger Gertz (SZ/Wochenende) porträtiert Miroslav Klose als Sinnbild und Hoffnungskeim der deutschen Mannschaft und möglichen Erbe der großen deutschen Stürmer: „Bei der Weltmeisterschaft wird man ihn sehen müssen, sonst wird das deutsche Team nichts reißen. Vielleicht ist es ein gutes Zeichen, dass Kloses Biografie irgendwie auch die von Uwe Seeler aus Hamburg ist, die von Gerd Müller aus Nördlingen, die von Rudi Völler aus Hanau, alle keine Entertainer, jedenfalls nicht am Mikrofon, alle bescheiden, rackernd, jeder die Verkörperung dessen, was die Fußballkenner in aller Welt als ‚deutsche Tugenden‘ fürchten. Alle aus der Deckung kommend, aus dem Schatten der Chefcharismatiker, die Beckenbauer hießen oder Netzer oder Matthäus. Und jetzt heißen sie Ballack oder Podolski und Schweinsteiger, aber Michael Ballack hat zuletzt in Mailand bewiesen, dass er manchmal unsichtbar wird, wenn es drauf ankommt. Und Podolski und Schweinsteiger hängen zwar überlebensgroß an Hotelwänden und sind auf den Deckblättern von Schulheften; sie heißen Schweini und Poldi in den Boulevardblättern. Aber auf dem Platz benehmen sie sich manchmal noch so wie zwei, die man Schweini und Poldi nennt. Die Industrie versucht, aus Fußballern Popstars zu machen, mit Starschnitt und intimen Interviews von Tobi Schlegl, aber an Klose, Vater von Zwillingen, ist diese Welle vorbeigerauscht. Er ist mit 27 zu alt für so was, er ist zu ernsthaft, er hat seine Karriere gebaut wie ein Zimmermann den Dachstuhl für ein Haus. Undenkbar, ihn mit einer Ziege-artigen Punkfrisur zu sehen. Er hat noch nicht mal mit verschiedenen Formen von Mehrtagebärtigkeit experimentiert. Als er vor Wochen eine Schutzmaske trug, um nach einem Jochbeinbruch schnell wieder spielen zu können, war sie nicht zorromäßig schwarz wie bei Fußballern, die alles zu Accessoires machen. Sie war durchsichtig und sah aus wie eine Schutzmaske. Wenn Miroslav Klose von Fußball spricht, spricht er viel von Arbeit; sie ist erstaunlich wichtig für einen Mann, der an guten Tagen kein Fußballarbeiter ist, sondern ein Dribbler, ein Samtfuß, der das schnelle Kombinationsspiel von Werder vollendet. Ein Spiel übrigens, das in guten Tagen fast nach Fußball aussieht, wie man ihn von Barca oder Arsenal kennt. Die Kritiker des deutschen Fußballs sagen, ihnen fehlen die Straßenfußballer. Schulschluss, Ranzen in die Ecke, rauf auf den Platz. Die Völlers, Müllers, Seelers haben sich auf diese Weise die Grundlagen spielerisch antrainiert, dribbeln und rennen, den ganzen Nachmittag, und Miroslav Klose hat das auch so gemacht. (…)
Er hat da noch was gut
Wem etwas daran liegt, dass Deutschland Weltmeister wird oder wenigstens weit kommt, der kann nur auf das Glück hoffen, und vielleicht hat Miroslav Klose so viel Glück, dass es das ganze Team trägt. Er ist beinahe in die Südwest-Auswahl gekommen damals, er ist beinahe Torschützenkönig geworden bei der WM 2002, er hat beinahe mit Werder das Viertelfinale in der Champions League erreicht, er wurde vom kicker beinahe in die Kategorie Weltklasse eingestuft, er hätte beinahe eine Traumsaison gespielt, aber dann brach das Jochbein, riss eine Sehne in der Schulter. Im Spiel gegen Juventus, als Emerson zum 2:1 traf, wäre er beinahe rechtzeitig da gewesen, um diesen Ball noch wegzukratzen. Beinahe. Also, er hat da noch was gut. Es kommt die WM, am 9. Juni ist das Eröffnungsspiel gegen Costa Rica. Das erste Spiel ist verdammt wichtig, sagen die Fußballer, und es ist nur eine weitere Beschwörung des Glücks, ein Zahlentrick, aber man kann es zum Schluss kurz erwähnen: Miroslav Klose hat am 9. Juni Geburtstag.“
Morgen: Was schreibt die Presse über das 4:1 gegen die USA?
Auf bestimmte Dinge wird hektisch reagiert
Bernhard Peters im Interview mit Lars Gartenschläger (Welt)
Welt: Aber was sagen Sie den Menschen an den Stammtischen, die sich vielleicht ganz trivial fragen: Was hat ein Hockeytrainer im Fußball zu suchen?
Peters: Unterschätzen Sie die Leute nicht, die sich für Fußball interessieren! Die haben alle ein feines Gespür. Ich bin ganz sicher, daß es sehr viele gibt, die offen für Innovationen sind und sich Gedanken darüber machen, wie die Sportart, für die sie schwärmen, optimiert werden kann. Ich habe nicht nur aus meinem Umfeld viel Zuspruch erhalten, sondern auch von Leuten, die aus dem Fußball kommen. Das hat mir zusätzlich gezeigt, daß die Idee, sportartenübergreifend zu arbeiten, so schlecht nicht ist.
Welt: Warum verschwenden Sie überhaupt einen Gedanken an eine Zusammenarbeit, wenn Sie es im Hockey viel ruhiger haben könnten, wo Sie seit Jahren sehr erfolgreich arbeiten?
Peters: Es ist der Reiz des Neuen. (…)
Welt: Wie erleben Sie die Diskussion um den Bundestrainer, der seit dem 1:4 in Italien viel Kritik einstecken muß?
Peters: Es ist für mich nicht nachvollziehbar. Jürgen Klinsmann hat vor fast zwei Jahren einen Weg eingeschlagen, den alle mitgehen wollten. Er vertritt eine klare Linie, aber er kann nun mal nicht zaubern. Es dauert eben, bis diverse Dinge, die angegangen wurden, auch so greifen, wie man es sich vorstellt. Er hat nicht mehr viele Tage bis zur WM, deshalb sollte er unterstützt werden, wo es nur geht.
Welt: Oliver Bierhoff hat von einer Tendenz zur Miesmacherei gesprochen.
Peters: Es fällt auf, wie hektisch von einigen Seiten auf bestimmte Dinge reagiert wird. Es wird in unserem Land immer viel über Reformen geredet. Aber wir Deutsche tun uns sowohl in der Politik als auch im Sport mit der Umsetzung sehr schwer.
Sündenpfuhl
Ein schöner Schnipsel aus einem Portrait Klaus Eders, des Physiotherapeuten der deutschen Mannschaft und anderen Spitzensportlern – Rudolf Neumaier (SZ): „Mit der DFB-Auswahl arbeitet Eder gern zusammen, immer wieder. Und er spürt sofort, wie die Spieler drauf sind. Das vergeigte Spiel gegen Italien – nach dem 1:4 waren die Muskeln hart. Eder massierte die halbe Nacht. Er glaubt übrigens keineswegs, dass der WM-Titel utopisch ist: ‚Die Jungs sind gut, sie haben Willen und vor allem Charakter. Mehr als frühere Fußballer-Generationen.‘ Wobei früher keine sieben Jahre zurückliegt. Eder nennt nur einen Namen: Mario Basler. Die Therapie war abgeschlossen, und Klaus Eder schwante Schlimmes, als er den Fußballer drei Tage danach aus dem benachbarten Hotel in Donaustauf torkeln und in ein Taxi steigen sah. Basler fuhr nach Regensburg, um einen netten Abend in einer Trattoria zu verbringen. Das war der Abend, an dem er einen anderen Gast vermöbelte. Schlecht für Klaus Eder, denn Uli Hoeneß schob die Schuld auf ihn und kündigte an, er werde keine Spieler mehr in diesen Sündenpfuhl schicken. Eder war schwer damit beschäftigt, die Krankenkassen zu beschwichtigen, die für die Behandlung seiner anderen Patienten aufkommen. Seitdem lädt er prominente Kicker erst mal zu sich nach Hause ein, bevor er sie aufs Regensburger Nachtleben loslässt.“
SZ: Podolski-Biographie
NZZ: Der FC Reading auf geradem Kurs Richtung Premier League
Tsp: Vor 20 Jahren erschütterte ein Skandal den DDR-Fußball: Der Schand-Elfmeter von Leipzig half dem BFC
NZZ: Tod eines Mittelstürmers – Mafia mordet Zeugen