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Bundesliga

Zu den Irdischen zurückgekehrt

Oliver Fritsch | Montag, 3. April 2006 Kommentare deaktiviert für Zu den Irdischen zurückgekehrt

Bayern München–1. FC Köln 2:2

Seifenoper

Oliver Kahn, der heute in fast allen Zeitungen in einer Art Gregor-Samsa-Haltung abgelichtet ist, gibt seinen starken Freunden und großen Brüdern sehr viele, sehr schwierige, wohl unlösbare Hausaufgaben. Uli Hoeneß, der seinen eigenen Fehler kaschieren muß, Kahns Vertrag um zwei Jahre verlängert zu haben und seinen hochtalentierten Jungtorwart Michael Rensing verwelken zu lassen, Hoeneß also scheut nicht die Niedertracht, Jürgen Klinsmann für Kahns Fehler verantwortlich zu machen. Das ist so durchschaubar wie lächerlich. Dem Kahn-Lobbyisten Raimund Hinko, im Nebenberuf Sport-Bild-Redakteur (oder ist das ein Synonym?), gehen im DSF-Doppelpass die Worte und Tricks aus, er kämpft mit den Tränen: „Ich glaube“, schluchzt er, „der Oliver ist so zermürbt von der Torwartfrage, daß er selbst dann zurücktreten würde, wenn Klinsmann ihn zur Nummer 1 machen würde.“ Welch ein Talent zur Seifenoper! Die beim Doppelpass wissen anscheinend tatsächlich nicht, wie Harald Schmidt geulkt hat, daß ihnen Leute zuschauen. Anders ist das nicht zu erklären. Auch viele Bayern-Fans erkennen inzwischen, daß Kahn seinen Zenit überschritten hat und wohl nicht mal mehr ins Vereinstor gehört. Als der Stadionsprecher nach der Pause verkündet, daß Kahn wegen einer Rippenprellung gegen ihren guten, äh gesunden Torwart ausgewechselt werde, lachen die Zuschauer.

Zu den Irdischen zurückgekehrt

Roland Zorn (FAZ) hofft, daß sich Kahn bei der WM auf die Bank setzen wird: „Am Samstag konnten selbst wohlmeinende Kahn-Freunde nicht mehr übersehen, daß der Titan von gestern zu den Irdischen zurückgekehrt ist. Seine akute Verwundbarkeit zeigte sich bei beiden Treffern deutlich. Wie er die Flanke vor dem Führungstor des FC verfehlte und beim 2:1 einen haltbaren Distanzschuß nicht zu fassen bekam, ist auch im nachhinein mit einer Rippenprellung nicht zu entkräften. (…) Lehmann, kein Zweifel, ist zur Zeit der bessere Torsteher. Sein Torwartspiel mutet schnell, dynamisch, zeitgemäß an, da dieser Keeper in der Premier League, noch dazu bei einer besonders risiko- und spielfreudigen Mannschaft, zu einem Mitspieler seiner Abwehrkollegen wurde, der ständig auf dem Quivive und mit Hand und Fuß bei der Sache ist. Während Kahn noch immer als Koryphäe auf der Torlinie zu glänzen versteht, sich aber zunehmend unwohl zu fühlen scheint, je weiter er sich von seinem Revier zwischen Pfosten und Latte entfernt, genießt Lehmann seine Zusatzkompetenz als Hüter des eigenen Strafraums. Dieser Typus Torwart ist auch bei der WM gefragt – zumal bei den Deutschen hinter einer Abwehr ohne viel Erfahrung. (…) Kahn könnte gleichwohl Größe beweisen: wenn er sich trotzdem in das Unternehmen Weltmeisterschaft einreihte und sich fit hielte für den Fall der Fälle; der kommt gerade auf dem Platz zwischen den Pfosten oft schneller als gedacht.“

Wirksame Motivation

Ralf Köttker (Welt) widerlegt Hoeneß: „Es ist fahrlässig und falsch, wenn Hoeneß jetzt Klinsmann für die Fehlgriffe Kahns verantwortlich macht und die Aussetzer des Bayern-Schlußmannes als logische Folge des Konkurrenzkampfes einordnet. Ein Blick nach London zeigt, daß diese Argumentation nicht aufgeht: Ausgerechnet Kahns Konkurrent Lehmann ist derzeit der beste Beweis dafür, daß der Wettbewerb leistungsfördernd sein kann. Die ärgerlichen Gegentore der vergangenen Wochen hat ausschließlich Kahn zu verantworten. Er ist nicht das Opfer des Leistungsdrucks, den er zu seiner Maxime erklärt und als wirksamste Motivation für sich ausgerufen hat, sondern schlicht ein in die Jahre gekommener Weltklassetorhüter, dessen Ehrgeiz bisweilen das Reaktionsvermögen übersteigt. (…) Derzeit hält nur Lehmann, was sich Deutschland von einer Nummer 1 verspricht.“

Patzer

Jan Christian Müller (FR) nennt einen schlimmen Fehler einen schlimmen Fehler und hat wohl auch DSF gesehen: „Dass sich Oliver Kahn nicht in der notwendigen Form befindet, um seinen Bayern oder der Nationalmannschaft einen Sieg zu retten, können neutrale Beobachter bereits seit einigen Wochen nüchtern feststellen: Beim 1:2 gegen den Hamburger SV unterlief dem bald 37-Jährigen bei einem Schuss des Ivorers Guy Demel fast von der Außenlinie ein Patzer, der selbst einem Bezirksligakeeper als grober Fehler angekreidet worden wäre. Keinen Monat später folgt gegen Köln ein ähnlich offensichtliches Missgeschick. Zwischendurch übt Kahn sich in der Champions League nach einem von Schewtschenko verschossenen Strafstoß überzogen und erfolglos als geifernder Wüterich. Derweil punktet Jens Lehmann im direkten Duell kühl kalkulierend von London aus. Jürgen Klinsmann wäre ohnehin mutig genug, Lehmann auch gegen den massiven Widerstand der Bayern-Lobby – am Wochenende von Uli Hoeneß zum wiederholten Mal machtvoll in Szene gesetzt – Kahn vorzuziehen. Kahns derzeitige Leistungen (inklusive Paraden und Patzer gegen die USA) machen es selbst den wacker kämpfenden Freunden der Sportbild zusehends schwerer, eine schlüssige Argumentationskette für dessen Einsatz im WM-Eröffnungsspiel zu knüpfen.“

BLZ: Das Torwartduell wird brisanter: Oliver Kahn patzt, Uli Hoeneß attackiert Jürgen Klinsmann

Borussia Mönchengladbach–Borussia Dortmund 2:0

Des Zauberns nicht mächtig

Richard Leipold (FAZ) beschreibt den schweren Stand Horst Köppels: „Mit dem Abstieg nichts zu tun zu haben und möglichst in der oberen Tabellenhälfte zu landen, das war das erklärte Ziel der Vereinsspitze. Köppel schickt sich an, genau das zu erreichen. Bei drei Punkten Rückstand auf Berlin ist rechnerisch sogar der 5. Platz in Sichtweite. Köppel gehörte zwar zu den Siegern, gerierte sich aber nicht als glücklicher Gewinner. Auch gegen Dortmund hatten die Gladbacher Profis keinen Zauber verbreitet. Sie hatten einfach nur gewonnen: taktisch klug, spielerisch limitiert, kämpferisch überzeugend. Mit drei Stürmern wirkten sie trotzdem in höchstem Maße abwehrbereit; ihr Trainer hatte sich etwas einfallen lassen. Ein nächtlicher Geistesblitz animierte ihn zu einem Schachzug. Er stellte zwei junge Kräfte als Außenstürmer auf: Marcel Jansen, im Hauptberuf Verteidiger, und Nando Rafael, zuvor erst einmal in der Startelf, gingen auf den Flügeln in die Offensive und nahmen Oliver Neuville in die Mitte. Das Experiment gelang. (…) Köppel bekam einiges an Lob für seinen Einfall. Aber gerade im Augenblick des Erfolges wurde ihm bewußt, auf welch dünnem Eis er sich bewegt. ‚Wenn es schiefgegangen wäre, hätte es doch geheißen: Warum wechselt der Vollidiot schon wieder?’ Damit war der Trainer beim Thema: Köppel sieht sich als Opfer übermäßig ehrgeiziger und eitler Menschen, denen es an Einsicht und an Geduld fehle. Köppel redete sich in Rage. Wen er genau meint, hat er nicht verraten, vermutlich schon aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht. Für den des Zauberns nicht mächtigen Fußball-Lehrer ist es wie verhext. Daheim kickt seine Mannschaft (im Ergebnis) zu gut, als daß er in Frage gestellt werden könnte; in fremden Stadien spielt sie zu schlecht, um den Trainer nachhaltig zu stabilisieren.“

Ulrich Hartmann (SZ) ergänzt: „Allerdings könnte nach der Saison ein fader Geschmack bleiben ob einer verpassten Gelegenheit. ‚Um Platz 5 hättest du in dieser Saison mitspielen können’, sagte Köppel in verräterischem Konjunktiv, obwohl der Klub nur drei Punkte Rückstand hat. Aber er weiß, dass sein aktuelles Team für den Europacup zu schwach ist. ‚Nächste Saison brauchst du acht Punkte mehr für den 5. Rang’, prognostiziert Köppel, was die Vermutung nahe legt, dass die Gladbacher bereits in diesem Jahr jenen Uefa-Pokal hätten erreichen können, den sie sich erst für die Zukunft vorgenommen hatten. Die beste Saison seit dem Wiederaufstieg könnte demnach als Spielzeit der verpassten Chance in die Klubhistorie eingehen, und zurückfallen wird das auch auf Köppel, dessen Vertrag bis 2007 gültig ist, über dessen Zukunft aber spekuliert wird. Nicht einmal nach einem der wichtigsten Siege dieser Saison war Köppel zum Lachen zumute.“

Hertha BSC Berlin–VfB Stuttgart 2:0

Augenringe weg

Javier Cáceres (SZ) fühlt die Erleichterung Marcelinhos: „Dass von ihm eine Last abgefallen war, die so groß war wie sein Herkunftsland Brasilien, brauchte Marcelinho nicht einmal zu betonen, es war daran abzulesen, dass er zum ersten Mal seit Wochen nicht mehr so zerknirscht aussah wie Keith Richards vor fünfzehn Jahren. Sogar seine Augenringe schienen auf einmal verschwunden zu sein.“ Alles wieder in Butter? Matthias Wolf (FAZ) zweifelt: „Wenn sich Dieter Hoeneß nun dafür lobt, daß er und Falko Götz stets an ihrem Regisseur festgehalten hätten, so ist dies nur die halbe Wahrheit. Mit ihrer stetigen öffentlichen Kritik an ihm haben sie ihm viel von dessen Genialität und Selbstbewußtsein genommen. Ein paar beherzte Dribblings, drei, vier sehenswerte Torschüsse und das Lächeln danach – das allein ändert noch nicht viel. Stimme der Preis, heißt es, könne Marcelinho schon im Sommer gehen.“

Großbaustelle

Heiko Hinrichsen (StZ) sehnt sich zwei, drei Jahre zurück: „Es ist wieder deutlich geworden, welch konfuses Gebilde der VfB in diesen Wochen abgibt. Wenn der Verein auswärts antritt, dann werden längst nicht mehr die jungen Wilden angekündigt. Vielmehr ist von der Großbaustelle VfB die Rede, von einem Verein mit chronischer Trainerdiskussion und einem Kader, in dem es an allen Enden zwickt. Fußballerisch fürchtet den VfB längst kaum einer mehr.“

Eintracht Frankfurt–Werder Bremen 0:1

Fluch der guten Tat

Ein nüchterner, prosaischer Sieg der Bremer – da sage noch einer, die Bundesliga sei für keine Überraschungen gut. Uwe Marx (FAZ) hoffte auf ein Feuerwerk: „Die Bremer waren eher in Erklärungsnot als die Frankfurter. Sie hatten zwar gewonnen, aber erstens ist man von ihnen mehr Tore gewöhnt und zweitens mehr Spektakel. Es ist der Fluch der guten Tat: Wo Werder ist, geht es hoch her, so war es oft in dieser Saison. Frankfurt war eine Ausnahme. Die Bremer quälten sich in einem lethargischen ersten und einem mäßig engagierten zweiten Durchgang zu einem Sieg, der Punkte brachte, nicht aber die Gewißheit, ob ihr jüngstes Zwischentief denn nun beendet ist oder nicht.“

Bayer Leverkusen–1. FC Kaiserslautern 5:1

Volkes Stimme

Kriegen Leverkusen-Fans noch was mit? Hans-Joachim Leyenberg (FAZ) runzelt die Stirn ob der Sprechchöre der Calmund-Jünger: „Das Echo auf jedes Bayer-Tor war so schrill wie bizarr. Erst frenetischer Beifall für den Schützen, dann ein schneidendes, ätzendes ‚Holzhäuser raus!’ aus dem Fanblock. Dort artikulierte sich holzschnittartig Volkes Stimme. Die schweigende Mehrheit hörte, sah gereckte Fäuste und suchte den Blickkontakt zu jenem Mann auf der Tribüne, den Tausende ausgemacht hatten als Sündenbock: für die Brüche in der einst nach außen heilen Welt von Bayer 04. Selbst das imponierende 5:1 reichte nicht als Kitt. Immer wieder brandete der Brandruf auf, bisweilen kombiniert mit einem Zusatz, um klarzustellen, wem die Sympathie gilt: ‚Reiner Calmund, du bist der beste Mann!’ Die Galavorstellung hat nichts von der Schärfe der sich Artikulierenden nehmen können. Es war faszinierend und irritierend zugleich, was sich in den zwei Stunden samt akustischem Vor- und Nachspiel tat. Die Mannschaft steigerte sich in einen Rausch, sie spielte Kaiserslautern an die Wand, und sie blieb völlig unempfindlich, was die Nebengeräusche anging. Die Lauterer Schwächen allein reichten nicht als Erklärung für die Stärke der Leverkusener. In der Form der letzten Wochen sind sie tatsächlich wieder ein Kandidat für den Uefa-Cup.“

1. FC Nürnberg–FSV Mainz 3:0

Nach 20 Sekunden war Morlock wieder Geschichte

Wie Nürnberg mit seinem guten Spiel seinen Fans die fränkische Lust am Nörgeln nimmt – Volker Kreisl (SZ): „Begonnen hatten sie gegen Mainz derart selbstbewusst, mit einer Torchance, die so schnell daherkam, dass sie sogar die eigenen Fans überraschte. Die waren noch damit beschäftigt, Ordner zu beschimpfen. Die Aufpasser entfernten gerade ein langes Spruchband, das aus Protest gegen den Verkauf des Stadionnamens an ein Kreditinstitut verkündete, ab sofort heiße die Nürnberger Arena ‚Max-Morlock-Stadion’, nach dem großen Nürnberger Fußballer. Das geht natürlich nicht in der heutigen Zeit, Fans können ihr Stadion nicht einfach nennen, wie sie wollen, also rissen die Männer in den schwarzen Uniformen die Transparente herunter, und gerade als die ersten Papierknäuel und Becher flogen, die Pfiffe und Beleidigungen nur so herunterprasselten, da landete der Ball im Mainzer Strafraum, Jan Polak setzte zum Volleyschuss an, und nach 20 Sekunden war Morlock wieder Geschichte.“

Desolate Vorstellung

Michael Eder (FAZ) vergleicht die zwei Teams: „Nach einem solchen Sieg könnte man glatt abheben. Zum Rundflug über das ehemalige Frankenstadion, man könnte sich den Abstiegskampf von oben anschauen und sich für die Größten halten. Es gab Zeiten, da hätten sie ein derart fulminantes Spiel beim 1.FC Nürnberg zum Anlaß für Träumereien und Selbstüberschätzung genommen. Aber jetzt, da ihr Trainer Hans Meyer heißt, geht das nicht mehr. (…) Bei so viel Begeisterung, bei so viel schönem, offensivem Fußball sahen die zaudernden Mainzer wie ein ernstzunehmender Abstiegskandidat aus. Ohne Antionio da Silva und Mohamed Zidan, ihre beiden besten Offensivspieler, die verletzt zuschauen mußten, boten die Rheinhessen in allen Mannschaftsteilen eine desolate Vorstellung.“

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