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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Champions League

Teamgeist

Oliver Fritsch | Donnerstag, 6. April 2006 Kommentare deaktiviert für Teamgeist

Dirk Schümer (FAZ) stellt Inter Milan gegenüber: „Milan – ein Ensemble von Gewinnern gegenüber dem ewigen Loser Inter, dessen Pechsträhne mit den Jahren ein Fall für Sportpsychologen zu werden droht. (…) Daß Milan nun in den vier letzten Jahren dreimal ins Halbfinale vordringen konnte, beruht nicht auf Zufall. Das alternde Ensemble hat zwar nicht mehr die Klasse der Vorjahre und kann in der Meisterschaft gegen Juventus Turin nicht mithalten, doch mit Zynismus, mit Glauben und Glück, vor allem aber mit unbändigem Kampfgeist hat es der schwarz-rote Traditionsverein gegen die spielerisch eleganteren Franzosen tatsächlich noch einmal geschafft. Ob der glückliche Sieg auch dem Eigner Silvio Berlusconi bei den Wahlen Rückenwind geben wird, ist zweifelhaft. Die Tifosi jubeln mit dem rechten Ministerpräsidenten, aber sie wählen eher links. Bei Inter liegt der Fall komplizierter und tragischer. Dessen Patron, der Ölmilliardär Massimo Moratti, hat in den letzten Jahren eher mehr Geld als Berlusconi für sein fußballerisches Hobby ausgegeben; die Rede ist von einer Dreiviertelmilliarde Euro. Dafür hat er so gut wie nichts bekommen. Die erkennbar zerstrittene und unmotivierte Truppe des eitlen Jungtrainers Roberto Mancini mußte sich wie so oft in ihr Schicksal fügen. Der mit dem Scheckbuch zusammengekauften Mannschaft fehlt wohl der Teamgeist, der entscheidende Zusammenhalt für eine lange Saison sowie der letzte Biß, um gemeinsam heikle Situationen zu bewältigen.“

NZZ: Das Herz Inzaghis und der Wahn Recobas

Falke

Vorsicht, Filipo Inzaghi! Birgit Schönau (SZ): „Inzaghi schreckt, das hat sich mittlerweile herumgesprochen, auf dem Weg zum Tor vor so ziemlich gar nichts zurück. Er ist der ungekrönte Schwalbenkönig des italienischen Fußballs, der übrigens kein Wort für die so genannte Schwalbe kennt, das Vortäuschen eines Fouls. Und wo es keinen Begriff gibt, existiert auch keine Debatte. Ungeachtet dieser linguistischen Finessen gilt Filippo Inzaghi auch in seiner Heimat als gefährlichster, windigster, rücksichtslosester Torjäger. Federstiebend flattert er seinen Bewachern davon, wie ein Falke sticht er ins Tor, und wenn es geht, nimmt er dabei auch seinen Teamkollegen den Ball vom Fuß. (…) Wo der Falke nicht zustößt, könnte es zur Not auch eine Schwalbe richten.“

Tschechien des Klubfußballs

Was ist Olympique Lyon zum Verhängnis geworden, Boris Herrmann (BLZ)? „In den vergangenen Wochen wurde in der internationalen Presse mehrfach verbreitet, der Status der Franzosen als Geheimtipp sei gar nicht mehr so geheim. Das Schlimmste, was einem heimlichen Titelaspiranten widerfahren kann, ist aber dass seine Tarnung auffliegt. Geheimfavorit sein geht nämlich so: Man braucht eine funktionierendes Kollektiv ohne herausragende Helden, das tolle Spiele abliefert, aber nach 70 Minuten rechtzeitig die Arbeit niederlegt und sich entscheidende Gegentore einschenken lässt. Geheimfavoriten müssen Mitleid erregen. So wie es die Nationalmannschaft Tschechiens seit vielen Jahren eindrucksvoll vormacht. Lyon ist das Tschechien des Klubfußballs – das Verhältnis aus Talent und Ertrag ist minimal. Die deutschen Mannschaften, die allesamt bereits ausgeschieden sind, müssen sich mit diesen Problemen zum Glück nicht herumschlagen. Sie können die Saison mit dem guten Gewissen beenden, dass das Verhältnis von Talent und Ertrag in etwa stimmt.“

Kontrast

Peter Burghardt (SZ) zeichnet den Erfolgsweg Villareals: „Mit Ausnahme des Italieners Alessio Tacchinardi kommen alle Stammkräfte aus dem iberischen Sprachraum, auch das mag ein Vorteil sein. Viele von ihnen galten an besseren Adressen schon als gescheitert wie Riquelme in Barcelona und Forlan bei Manchester, vor allem sie nutzten ihre zweite Chance. Riquelme ist mittlerweile auch Spielmacher der argentinischen Nationalelf und Sorin ihr Kapitän, beide interessieren sich für den Titel des Weltmeisters und waren wesentlich auffälliger als die vier Argentinier von Inter. An der Peripherie haben sie ihren Stolz wiederentdeckt, nicht in einer Modemetropole. In einem Kaff mit 45.000 Einwohnern (…) Was für ein Kontrast zum Mailänder Ensemble verblasster Helden wie Luis Figo, Alvaro Recoba und Juan Sebastian Veron!“

NZZ: Die Fussballer aus Villarreal nutzen das koloniale Erbe Spaniens
BLZ: Villarreal schreckt die Konkurrenz

Kühlschrankatmosphäre

Peter Hartmann (NZZ) erkennt Juve beim 0:0 gegen Arsenal nicht wieder: „Juventus hatte zwar den Hauch mehrerer Chancen, aber die Londoner kontrollierten die Turiner fast nachsichtig und liessen ihr immerhin die Gesichtswahrung auf italienisch: mit einem 0:0, dem Make-up der Hilflosigkeit. Obwohl Juve in der Serie A nichts mehr zu befürchten hat, wird dieser Prestigeverlust interne Aufräumarbeiten hervorrufen. Denn das Betragen von Spielern wie Nedved, der sich als schlechter Schauspieler fast in jeder Szene fallen liess, und Ibrahimovic, der praktisch die Laufarbeit verweigerte, treibt einen arbeitsbewussten Trainer wie Fabio Capello, der seine Mannschaften auf dem Reissbrett entwickelt und sie eisern am Zügel hält, zur Weissglut. Nichts ist in Turin, wie es scheint. Dieses Stadion zeigt sich von aussen wie ein heiteres Zirkuszelt, aber im Innenraum breitet sich Kühlschrankatmosphäre aus. Der Rasen grün wie ein britischer Parkteppich, in Wirklichkeit eine sandige Steppe. (…) Ibrahimovic schlich nach einem abgeschlagenen Angriff so langsam wie ein Sonntagswanderer zur Mittellinie zurück, wie wenn die Saison zu Ende wäre. Juve verabschiedete sich aus diesem Wettbewerb, der zum obersten Jahresziel erklärt worden war, wie von einem peinlichen Spaziergang, auf dem sie am liebsten nicht beobachtet worden wäre.“

FAS: Cesc Fabregas, in London verehrt, in Barcelona vermißt

NZZ-Bericht Barca–Benfica (2:0)

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