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Ball und Buchstabe

Kein angewandter Ethikunterricht

Oliver Fritsch | Dienstag, 11. April 2006 Kommentare deaktiviert für Kein angewandter Ethikunterricht

Auf der DFB-Tagung über Fußball unterm Hakenkreuz in Bad Boll – Andreas Rosenfelder (FAZ/Feuilleton) läßt beide gegensätzlichen Versuche ins Leere laufen, Fußball mit Moral zu laden: „Erstaunlicherweise sprach ausgerechnet Stephan Kramer, der junge Generalsekretär des Zentralrats der Juden, am heftigsten gegen die auf solchen Veranstaltungen übliche Weihrauchsemantik – und forderte die Deutschen auf, sich den ‚Mühlstein der Schuld‘ nicht weiter selbstgefällig um den Hals zu hängen. ‚Seien Sie stolz auf diese Studie!‘, lautete der Rat an den demütigen DFB. Unversehens wurde aus Kramer Stellungnahme ein feuriges Plädoyer für Patriotismus und eine Brandrede gegen Schuldkultur und Betroffenheitskult. Während man in Kramers Rede einen geläuterten Patriotismus vernehmen konnte, der das deutsche Vaterland hoffentlich nicht – mit Sarah Connors berühmten Worten – im Lichte dieses Glückes brühen läßt, setzte der DFB ganz auf überkommene Formen der Symbolpolitik. So galten dem DFB-Sicherheitsbeauftragten Wolfgang Sengle selbst Fangesänge wie ‚Hurra, hurra, die Deutschen die sind da‘ als neofaschistische Äußerungen, die er in historisch-kritischer Unbedarftheit mit alten Böhse-Onkelz-Liedern wie ‚Türken raus‘ verglich. Über den Sinn von Schultheatermaßnahmen wie jener, die Mannschaftskapitäne bei der WM vor jedem Anpfiff eine antirassistische Botschaft verlesen zu lassen, wird sich jeder Fan sein eigenes Urteil bilden. Fußball wird auch in Zukunft kein angewandter Ethikunterricht werden. Als Exerzierplatz für Zivilcourage ist das Spielfeld ebenso verkannt wie als Musterbeispiel ideologischer Verstrickung.“

Kuschelfaktor

Gerhard Fischer (SZ) vermißt eine Kontroverse über Nils Havemanns These: „Einige Historiker-Kollegen kritisieren Havemanns Einschätzung, dass der DFB vor allem deshalb mit den Nazis kooperierte, weil er sich wirtschaftliche Vorteile erhofft habe. Seiner Ansicht nach seien die jüdischen Funktionäre im April 1933 aus den führenden Positionen des Verbandes deswegen vertrieben worden, weil sie ein Profitum gefordert hatten, das der DFB nicht wollte; der wollte seine Gemeinnützigkeit und damit seine steuerlichen Vorteile erhalten. Warum aber hat man dann zeitgleich auch die Marxisten ausgeschlossen? Diese wollten kein Profitum. Gab es also doch andere Gründe als wirtschaftliche – etwa eine ideologische Nähe der nationalbewussten Fußball-Funktionäre zu den nationalsozialistischen Politikern? Man hätte darüber gerne mehr erfahren, aber der DFB versäumte es, Havemanns Gegenspieler einzuladen, etwa Arthur Heinrich oder Dietrich Schulze-Marmeling. Weil sie nicht da waren, sei der ‚Kuschelfaktor‘ bei der Tagung etwas zu hoch gewesen, wie der Publizist und Historiker Erik Eggers bemängelte. Feigheit oder fehlende Offenheit kann man dem neuen DFB unter Theo Zwanziger trotzdem nicht vorwerfen. Zwanziger sagte, mit dem Havemann-Buch wolle man keinen Schlusspunkt setzen, sondern erst einen Anfang machen in der kritischen Beurteilung der DFB-Geschichte. Dazu gehört hoffentlich auch, dass sich der Verband um seine Geschichte nach 1945 kümmert, um die Integration von belasteten Funktionären. ‚Während der ostdeutsche Sport die Strukturen des Nazi-Sportsystems übernahm, hat der westdeutsche Sport nach 1945 das Personal übernommen‘, sagte der Sporthistoriker Hans-Joachim Teichler.“

Wolfgang Hettfleisch (FR) stellt klar: „Zwanziger steht für eine Zeitenwende beim DFB. Jahrzehntelang hatten die Verwalter des organisierten deutschen Fußballs eine wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung dieses Kapitels der DFB-Geschichte gescheut. Unter Zwanziger erhielt Havemann als erster Fachmann uneingeschränkten Zugang zu den Archiven. Havemanns Studie schildert nüchtern und schonungslos Karrierestreben, Opportunismus und moralisches Versagen der DFB-Verantwortlichen im NS-Staat.“

taz: In Hamburg demonstrieren Fußballfans dagegen, pauschal als Kriminelle verdächtigt zu werden

NZZ: Die Rächer kommen nachts um zwei – Prügel für die Spieler und der ganz normale Wahnsinn bei Inter

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