indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ascheplatz

Schmus von der heilsamen Rolle des Fußballs

Oliver Fritsch | Mittwoch, 12. April 2006 Kommentare deaktiviert für Schmus von der heilsamen Rolle des Fußballs

Der Titel der Wirtschaftswoche vom 3. April widmet sich „der Geldmaschine Fifa“ und den Methoden ihres Präsidenten Joseph Blatter: „Viel Geld – viel zu viel, wie Kritiker sagen – hat mit der Förderung des Fußballs nur wenig zu tun. Es fließt in Prachtbauten für Funktionäre wie das neue Vereinsheim in Zürich (rund 130 Millionen Euro) oder in stattliche Bezüge, Spesen und Privilegien für Fifa-Funktionäre. Die Entscheidungen darüber fallen unter Sepp Blatters Vorsitz im Exekutivkomitee, der Weltregierung des Fußballs. Alle zwei Monate treffen sich die Herren in Zürich – dann entscheiden sie etwa darüber, ob Profi-Schiedsrichter eingesetzt werden oder welche Verbände mit Zuschüssen bedacht werden sollen. Und immer wieder auch in eigener Sache: So sollen sich die Mitglieder vergangenes Jahr selbst eine Erhöhung ihrer jährlichen Bezüge auf jeweils 100.000 Euro genehmigt haben. Das Gehalt des Chefs liegt weit darüber – Kenner schätzen Blatter auf etwa 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Für Entwicklungshilfeprojekte stellt die Fifa nach eigenen Angaben jedes Jahr 100 Millionen Euro zur Verfügung, dafür, dass in der Dritten Welt Trainingszentren entstehen. Kinder und Jugendliche können dort Fußball spielen; eine warme Mahlzeit am Tag gibt es auch. ‚Irgendjemand muss Afrika gegenüber Gerechtigkeit walten lassen‘, sagt Blatter in der ihm eigenen Bescheidenheit. Oder: ‚Auf der ganzen Welt leben 1,2 Milliarden Menschen, die direkt oder indirekt mit dem Fußball verbunden sind.‘ Schaut her!, soll das heißen, ich bin bedeutender als der Papst. Der hat nur eine Milliarde Katholiken. Im Fußball, sagt der ‚einfache, religiöse Mensch aus den Walliser Bergen‘, als der er sich selbst bezeichnet, ’steckt die Hoffnung, ein besserer Mensch zu werden. Wir können es schaffen, mit dem Fußball eine bessere Welt zu schaffen.‘ Wie die bessere Welt des Herrn Blatter konkret aussieht, lässt sich etwa in Paraguay besichtigen. Dort stehen Millionen Fifa-Entwicklungshilfe in Prunkbauten zu höheren Ruhm der örtlichen Funktionäre. An vielen Orten der Dritten Welt sieht es nicht anders aus. Doch Blatter pflegt den Schmus von der heilsamen Rolle des Fußballs und der Fifa für die Entwicklung der Welt. Darüber gerät leicht in Vergessenheit, welch knallharter Manager der Schweizer ist, mit welchen Methoden er seinen Verein zu einem Milliardenunternehmen umbaute. (…) Seit seiner Wiederwahl vor vier Jahren hat Blatter die Fifa fester in den Griff genommen und sein Netz noch feiner gesponnen als je zuvor. Der Fifa-Chef führt sein Unternehmen wie ein Alleinherrscher. So sollen etwa die Delegierten erst einen Tag vor Sitzungen des Exekutivkomitees die exakte Tagungsordnung bekommen. Alle Proteste dagegen hätten bisher nichts genutzt. Die Sitzungen folgen angeblich einer speziellen Dramaturgie: Wichtige Punkte, wie der lukrative Rechtehandel, werden oft gegen Ende diskutiert – wenn die Zeit knapp ist, weil die Flieger für viele der Komiteemitglieder aus aller Welt bald starten.“

Fußball emm ist Art, ist Kunst

Der Schweizer Schriftsteller Erwin Koch dokumentiert im Stern in einer – um es vorsichtig zu sagen: für den Porträtierten unvorteilhaften – „Nahaufnahme“ Blatters Ausführungen, warum er Sitzplatzstadien bevorzugt: „Auf Stehplätzen / jeder sitzt, er kann ja mal aufstehen, weil so viele Emotionen drin sind, aber dann sitzen sie sich wieder hin / und dann / dann kann auch ruhig eine ganze Familie in den Fußball kommen, mit Vater und Kinder, und die Mutter / die Mutter kann zu Hause bleiben, wenn sie will / oder auch mitgehen / und der Vater bringt die Kinder gesund wieder zurück emm / nein / ich meine, es ist eine Frage der Erziehung. Im Fußball ist eben / haben wir einen Schiedsrichter, der eingreift, wenn etwas auf dem Spielfeld etwas passiert, und die Spieler können sich nicht austoben. Dann wird gesagt, ja, aber im Rugby zum Beispiel passiert nichts bei den Zuschauern, keine Schlägerei und so. Warum? Weil / im Rugby / die gehen aufeinander los, im Eishockey wird gecheckt. Aber der Fußball / das ist eben das gescheite Spiel, wo man den Fuß braucht, und sobald ich einen Ball berühren will, verliere ich das Gleichgewicht, und trotzdem ist das das attraktivste Spiel, und das ist Art, das ist Kunst, Fußball ist Kunst, und emm / im Fußball eben wird diese Gewalt nicht geduldet. Und die überträgt sich dann ab und zu bei den Zuschauer, und dann gibt es eben auch untern den Zuschauer wieder Rempelei, aber ich kann Ihnen sagen: Sitzende Zuschauer sind ruhiger.“

Support für die Menschheit

Heinz Tännler, Direktor der Rechtsabteilung der Fifa, verteidigt in der NZZ die Abstellungsfreiheit für Nationalspieler gegen die Forderung der „G14“: „Die in den Fifa-Satzungen verankerte Abstellungsregelung hatte ihre Ursache demnach im weltumspannenden Solidaritätsgedanken und ermöglichte seit ihrer Einführung eine notwendige Koordination von Klub- und Verbandswettbewerben und eine Harmonisierung der Spielkalender. Die Intensität von Klub-Wettbewerben auf nationaler und internationaler Ebene erforderte eine derartige Abstimmung, um dem Nationalmannschaftsfussball den ihm gebührenden Platz zu sichern. Von den Klubs wurde und wird vielfach übersehen oder ignoriert, dass gerade die Abstellung von Nationalspielern für die Klubs wertschöpfend ist: Es ist erwiesen, dass ein Fussballspieler beispielsweise an einer Weltmeisterschaft seinen Marktwert massiv zu steigern imstande ist, was sich für die Klubs in entsprechenden Erträgen bei Klubwechseln auszahlen kann. Die von der ‚G14′ verlangten Entschädigungen für die Abstellung von Nationalspielern würden das weltweite Solidaritätsmodell, das sich bewährt hat, entwerten. Im Prozess des Klubs RSC Charleroi verlangt die ‚G14′ für die Abstellung von Spielern in den letzten zehn Jahren 860 Millionen Euro. Der Anwalt der ‚G14′ begründet diese Forderung mit einem Schaden, der den Klubs in den letzten zehn Jahren durch die Abstellungsregelung zugefügt worden sei. Zynischer geht es wohl kaum mehr, doch zeigt die ‚G14′ mit derartigen Forderungen ihr wahres Gesicht: Die bereits reichen Klubs sollen noch reicher werden; jedes Solidaritätsverständnis scheint diesen Klubmanagern abzugehen, und die Bedeutung des Nationalmannschaftsfussballs scheint ihnen gleichgültig zu sein. Eine Abkehr von der Entschädigungslosigkeit der Abstellung hätte für den Weltfussball verheerende Konsequenzen. Der Fifa als weltumspannendem Verband würden dadurch massiv Mittel entzogen, mit denen sie heute weltweit Fussball- Entwicklungsprojekte, Ausbildungsprogramme und Aktionen des Fussballs finanziert. Zu unterstreichen ist, dass ein Grossteil der durch die Fifa generierten Mittel gemäss Zweckbestimmung in den Fifa-Statuten in den Fussball investiert wird. Diese weltweite Entwicklungshilfe über den Fussball ist mehr als nur eine sportliche Geste, nämlich ein international auch in kultureller und sozialer Hinsicht bedeutungsvoller Support für die Menschheit.“

Felix Reidhaar (NZZ) stimmt in einem Punkt der „G14“ zu: der Schadenersatzforderung bei Verletzungen: „Anpassungen zu einer Risikoabsicherung der Klubs wären eine Reaktion auf Zeichen der Zeit. Die Einführung vernünftig proportionierter Entschädigungsleistungen wie etwa eines bestimmten Versicherungsschutzes könnte helfen, die Antagonisten milder zu stimmen. Gerade Spitzenvereinen, die Nationalspieler über längere Zeit wie WM- oder EM-Turniere abstellen, wäre hiermit gedient. Zu befürchten bleibt, dass die Vorstellungen über die Höhe von Entschädigungssummen zwischen Dachverbänden und aufmüpfigen Klubs unvereinbar sind oder den Konsens erschweren.“

NZZ: Fifa steigert Ertragskraft

Der Ball ist das Perfekte

Noch mal Blatter, diesmal auf die Frage, wie er einem Außerirdischen Fußball erklären würde: „Der Ball ist das Perfekte. Er ist rund emm / und wie der Erdball / der ist ja eine Attraktivität für jeden Menschen, und der Ball ist die perfekte Form. Perfekt kann man nicht steigern. Der Ball ist das Perfekte / und dann ist es einfach so / so einfach / diesen Ball / den hab ich. Den will ich aber nicht alleine weiterspielen, sondern ich will ihn meinem Kollegen geben / und ja nicht, dass ein anderer ihn nimmt. Und was ist das Ziel? Goal, goal / Was ist die Zielsetzung? Man sagt goal, goal, übersetzt / heißt Ziel. Also die Zielsetzung ist, diesen Ball irgendwo zwischne zwei Pfosten in ein Netz oder / oder / was es immer ist / zwischen zwei Schuhen, ein Glas und eine Flasche / wenn man irgendwo spielt, hat man das sofort. Es ist auch etwas in diesem Spiel, das / das absolut von innen raus kommt, also emm / Natürliches, Instinktives ist, wenn / ich weiß nicht, ob das / Ihr seid so jung und kennt das nicht mehr, früher war so, wenn einer einen Ball hatte und er lief im Dorf herum, hat er sofort einen Schlangenschwanz von Jungen / damals waren noch nicht so die Mädchen, die Mädchen wollten vielleicht schauen und klatschen / mitgezogen. Das ist / das ist / so würd ich das erklären, aber ganz schnell.“

Aua!

FAZ: Soll Ballack den Bayern als Sündenbock dienen?

taz: St. Pauli will noch einmal ein Highlight feiern – vor einer weiteren grauen Saison in den Niederungen der Regionalliga Nord
FAZ: Dem das Herz von St. Pauli schlägt – Portrait des St. Pauli-Trainers Andreas Bergmann
SZ: Der FC St.Pauli schrieb Fußballgeschichte, als er gegen den FC Bayern gewann. Vier Jahre später und zwei Klassen tiefer hofft St.Pauli auf dasselbe Wunder. Die Bayern gruseln sich

BLZ: Gegen den FC Bayern will der FC St. Pauli seinen Mythos nähren

Welt: Konstant ist bei Union Berlin nur der Niedergang

FAZ: Die ARD verklagt Werner Franke, den Doping-Experten und ARD-Kritiker

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

104 queries. 0,537 seconds.