Deutsche Elf
Falle
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| Dienstag, 18. April 2006Stefan Osterhaus (NZZ) betrachtet Oliver Kahns Gegenwart im WM-Kader mit Skepsis: „Für Kahn ist die neue Rolle als blonde Eminenz im Hintergrund ein erster Schritt auf dem Weg zur inneren Genugtuung. Man stelle sich vor: Ein generös referierender Kahn, der über die Schwierigkeiten des Toreverhinderns parliert und Lehmann demonstrativ in Schutz nimmt, nachdem der Kollege Unsicherheiten gezeigt hat. Und vielleicht wird Kahn sich gefallen in der Rolle des Degradierten, der eine Lunte in der Hand hält und nach dem Feuer nicht einmal zu fragen braucht. Es wird ihm von allen Seiten gereicht werden, und er wird es immer wieder ablehnen müssen, was ihm nicht schwerfallen dürfte. Denn Kahn ist ein Mann, dem bei allem Ehrgeiz viel an seinem Image liegt, und von der Rolle des alternden Gönners wird er nur profitieren können. Und Jürgen Klinsmann? Der sitzt in einer Falle, die er selber aufgestellt hat.“ Jürgen Kaube (FAS/Wissenschaft) versetzt sich durch eine spieltheoretische Kosten/Nutzen-Kalkulation in Kahn: „Angenommen, Lehmann greift vorbei – dann würde ich wohl noch immer nicht spielen, dazu müßte er schon mehrmals und geradezu grotesk vorbeigreifen. Wenn er aber so grotesk vorbeigriffe, wäre es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ja auch das letzte Spiel der Deutschen, also hätte ich davon auch nur, daß ich wieder in meine alten Rechte eingesetzt würde, aber ausüben könnte ich sie trotzdem nicht. Außerdem könnte Kahn aus Wolfram Eilenbergers ‚Lob des Tores‘ wissen, daß der zweite Torwart sowieso die undankbarste Rolle von allen ist. Seine Funktion besteht darin, hoffentlich nie benötigt zu werden. Nicht einmal aufwärmen darf er sich darum, wenn die anderen Ersatzspieler das tun. Nur wenn sich Lehmann früh, vielleicht noch vor der WM, verletzt, hätte Kahns Nutzenkalkulation weitergehen können, würde ich durch einen Rücktritt die Chance zu spielen verwirkt haben. In diesem Fall stünde ich dann so dumm wie hochmütig da. Andererseits: Lehmann verletzt sich, ich komme ins Spiel, und jetzt greife ich – wie gegen den HSV und Köln – daneben. Klinsmanns Entscheidung wäre rückwirkend gerechtfertigt und ich zerschmettert.“
WamS: Trotz der Degradierung zur Nummer 2 steht Kahn in der Hierarchie der Nationalmannschaft weit oben; das birgt große Risiken
Jürgen Klinsmann im Cicero-Portrait