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Sind die Blauen erfolgreich, geht es Frankreich gut
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| Donnerstag, 27. April 2006Gerd Kröncke (SZ/Panorama) beschreibt die Beliebtheit Zinedine Zidanes in Frankreich, der seinen Rücktritt nach der WM angekündigt hat: „Geld ist nie sein Antrieb gewesen, deshalb blieb er auch frei von der Vulgarität eines David Beckham. Selbst für die Armen in Castellane, einem Problemviertel am Rande von Marseille, wo er unter Menschen maghrebinischer Herkunft aufgewachsen ist, wo er das Kicken gelernt hat, ist er noch immer der Held. Und nachdem der Armenpriester Abbé Pierre sich verbeten hat, in die Liste der beliebtesten Franzosen aufgenommen zu werden, wählen sie regelmäßig Zidane an die Spitze. Oder auch mal den vormaligen Tennisspieler Yannick Noah. Dabei ist Zizou weniger flamboyant, nicht einmal witzig. Seine ungebrochene Popularität muss wohl damit zusammenhängen, dass der Fußball auch in Frankreich nationale Religion ist. Wenn die ‚Blauen‘ erfolgreich sind, geht es der Nation gut. Nun, beim angekündigten Abschied, sind alle traurig. Nicht jede Generation hat einen Fußballer wie ihn spielen sehen. Dabei haben die Großen selten ihre Wurzeln in Frankreich. Michel Platini war Enkel italienischer Einwanderer, und in der Generation zuvor hatte Raymond Kopa neben dem französischen zunächst einen polnischen Pass. Keiner jedoch hat die Franzosen so verzaubert wie der Mann aus Marseille, der Sohn eines algerischen Vaters. (…) Nach dem Sieg im WM-Finale gegen Brasilien wäre Zidane von seinen Landsleuten, hätte er es nur gewollt, sofort in den Elysée gewählt worden. Sein Porträt wurde in jener Nacht des 12. Juli 1998 mit dem Slogan ‚Zidane, Président‘ auf den Triumphbogen projiziert. Danach schien Frankreich für ein paar Jahre mit sich im Reinen zu sein. Die Mannschaft war Black-blanc-beur, schwarz, weiß und maghrebinisch wie die Gesellschaft. Nicht erst seit dem Aufstand der Vorstädte hat sich gezeigt, dass dieser Frieden trügerisch war.“
Ein Nurejew auf Stollenschuhen
Christian Eichler (FAZ) hofft auf einen letzten, kleinen Höhepunkt des Vergötterten: „Bei der WM wird Zidane, der während des Turniers 34 Jahre alt wird, kaum noch an alte Frische und Klasse anknüpfen können. Aber vielleicht die WM-Blamage von 2002 ein wenig vergessen machen. Und vor allem mit einem großen Moment aufhören – und nicht mit dem kleinlichen Hickhack bei Real. Zidane war stets einer, der mit dem Ball am Fuß alles ändern konnte. Aber keiner, der mit Worten, Gesten oder autoritären Auftritten eine Elf oder gar einen Klub zu lenken verstand – er wollte es auch nie. Im französischen Team war der stille, höfliche Zidane die spielerische Leitfigur. Der innere Anführer war ein anderer, der ruppige Didier Deschamps. Auch die Aufgabe, Real Madrid wieder aus der Sackgasse des selbstgefälligen Starkultes zu führen, war nichts für ihn. Seit drei Jahren ist der berühmteste Klub der Welt ohne Titel, und Zidane mag nicht mehr. Geformt wurde er in einem jener Fußballinternate, die halb Europa nach dem französischen WM-Erfolg zu kopieren versuchte. Einen zweiten Zidane fand keiner. Einen, der in seinen großen Momenten die Anmutung der Schwerelosigkeit erreichte. Seine Übersicht, seine Pässe, seine Pirouetten. Zidane auf dem Gipfel, das war Ballett am Ball, ein Nurejew auf Stollenschuhen.“ Jan Christian Müller (FR) trauert: „Dass er die große Bühne bald verlassen wird, stimmt wehmütig. Zidane hat Fußball zur Kunst erhoben wie vor ihm zuletzt Diego Armando Maradona. Kein Mensch wusste je, was Zidane im nächsten Moment mit dem Ball am Fuß anstellen würde. Er hat Räume geöffnet, die der moderne Fußball mit seinen ausgeklügelten Defensivkonzepten für immer geschlossen zu haben glaubte.“