Ascheplatz
Bogen überspannt
Kommentare deaktiviert für Bogen überspannt
| Dienstag, 2. Mai 2006Thomas Kistner (SZ) stimmt dem Urteil des Bundesgerichtshofs zu, der Fifa das Namensrecht an dem Begriff „Fußball-WM 2006“ zu verweigern: „Der BGH vertritt die Ansicht, dass der Sport nicht über alles hinauswachsen, also zum Beispiel kein Sprachmonopol für seine Großsponsoren schaffen darf. Der Zustand, dass die Wirtschaft vom Würstlbrater bis zum Weltkonzern so allgemein gebräuchliche Begriffe wie Fußball oder WM nicht mehr äußern darf, ohne Klagen befürchten zu müssen, hat schon ein wenig den gesunden Menschenverstand beleidigt. Womöglich muss man wirklich in der partiellen Weltabgeschiedenheit des Geld- und Bankenplatzes Schweiz leben, um nicht mitzukriegen, wie weit der Bogen überspannt ist. (…) Für das breite Publikum ergibt sich ohnehin keinerlei Nutzen aus einer Fußballgeldspirale, die ständig schneller rotiert und immer weiterreichende Rechte fordert. Deshalb ist wichtig, dass der BGH auch ein Fifa-Kernargument verwarf: dass der Weltverband den Markenschutz für seine Sponsoren benötige, weil ohne diese gar keine WM zu finanzieren sei. Das ist eines der schönsten Marketingmärchen: Es unterschlägt einfach, dass Hauptgeldgeber des Spektakels immer noch die Steuer- und TV-Gebührenzahler sind, und dass das große Wirtschaftswunder, das zu jeder WM blumig beschworen wird, vor allem aus der Mittelumverteilung aus dem öffentlichen in bestimmte private Sektoren besteht.“
Die FAZ gibt zu bedenken: „Die Entscheidung war von so überraschender Klarheit, daß sie für den Einzelhandel wohl den Startschuß für eine neue Welle von Werbekampagnen gesetzt hat. Besonders Bäckereien und Kioske werden jetzt versuchen, gerade noch rechtzeitig auf den Zug des größten Sportereignisses aufzuspringen. Vor lauter Jubel sollte jedoch nicht der Blick für die Realität verlorengehen: Mit dem Karlsruher Spruch ist keinesfalls jegliche Werbung mit der Weltmeisterschaft freigegeben. Den Begriff ‚WM 2006′ darf sich die Fifa zumindest für einige Produkte schützen lassen. Zudem hat sie sich auf europäischer Ebene Marken gesichert, die auch in Deutschland beachtet werden müssen. Auf der sicheren Seite sind Unternehmen zudem nur dann, wenn sie nicht den Eindruck erwecken, offizieller Lizenzinhaber zu sein. Bevor nun also in Hochstimmung die WM-Brötchen gebacken werden, sollte noch ein Gedanke auf eine vernünftige Werbestrategie verwendet werden.“
FAZ: Reaktionen aus der Wirtschaft auf das Urteil