Ball und Buchstabe
Dumme Leute tun dumme Dinge
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| Dienstag, 2. Mai 2006Harald Staun (FAS/Medien) stöhnt über die Allgegenwart des Fußballs und der Fußballer im Fernsehen: „Mit missionarischem Eifer arbeiten fast alle Sender daran, die Zielgruppen des Landes zu einem einzigen Fanblock zusammenzuschweißen. Das Aufwärmprogramm zur WM ist eine gigantische Nachhilfestunde,. Wer bis zum 9. Juni noch immer nicht weiß, wer Goleo ist und daß er keine Hose trägt, was passives Abseits bedeutet und daß sich Netzer und Delling auch privat immer noch siezen, der sollte sich dringend schon mal nach einem Chatroom umschauen, in dem er während der WM seine sozialen Kompetenzen aufrechterhalten kann. Das Fernsehen ist an solchen Bildungslücken ausnahmsweise einmal nicht schuld: Von allen Seiten wird das sogenannte Phänomen Fußball beleuchtet, der Mythos und seine Welt, für alle Bevölkerungsgruppen wird er zugänglich gemacht, für Frauen, für Mädchen, für Linke und für Literaten. (…) Man hat sich ja keine Illusionen gemacht, über die zu erwartende Allgegenwärtigkeit der WM. Doch während die quantitative Zunahme der Programme absehbar war, werden die qualitativen Änderungen, die damit verbunden sind, erst jetzt sichtbar: Wie ein Filter legt sich das Thema Fußball über den Fernsehalltag, jedes Format wird auf seinen Bezug zum Spiel hin überprüft und mit dem allseits verfügbaren Personal entsprechend ausstaffiert. Schon seit Jahren ist das Fernsehen das am nächsten liegende Reservat für alternde Sportler, im Moment aber gehört ein Nationalspieler, der irgendwo sein Album mit Kinderfotos vorzeigen kann, einen Witz über Jürgen Klinsmann erzählen oder zumindest einem Kind über den Kopf streicheln, zur notwendigen Grundausstattung. Sie sind fast überall, die Menschen, die es sonst eher gewohnt sind, ihre Antworten auf dem Platz zu geben, weshalb man nicht gleich wieder den Verfall irgendeiner Kultur beklagen muß: Das Fernsehen ist schließlich ganz bei sich, wenn dumme Leute dumme Dinge tun. Es gab nur bisher eine Art Gentlemen’s Agreement, daß sich jeder Zuschauer das Personal selbst aussuchen konnte, das diese Form der Unterhaltung für ihn erledigte, und wer sich bisher über die Inflation des Fußballs im Fernsehen beklagte, meinte in der Regel die Übertragungen der Spiele.“
FAZ: Mittelfußbruch – der englische Fluch trifft Wayne Rooney