WM 2006
Aschenputtel darf zum Ball
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| Donnerstag, 4. Mai 2006Stefan Klein (SZ/Seite 3) verfaßt eine Reportage über Angola und die Hoffnung, die das vom Bürgerkrieg geprägte Land an die WM knüpft, wo es auf den ehemaligen Kolonialherren Portugal treffen wird: „Fußball in Zeiten des Krieges: Dass überhaupt gespielt wurde, war der Wunsch der Regierung, die wenigstens den Schein von Normalität erwecken wollte. Aber von systematischer Förderung konnte keine Rede sein – wie hätte die auch aussehen sollen in einer Stadt wie Luanda, die von den Portugiesen einst für 500.000 Menschen angelegt worden war, die aber bald mit zwei, mit drei, schließlich mit mehr als vier Millionen Einwohnern voll gestopft war? Die weder die Stromversorgung noch die Müllabfuhr sicherzustellen vermochte? Heute ist Frieden, aber die Stadt ist so voll, so verkommen, und ihre Dienstleistungen sind so mangelhaft wie eh und je. Der Fußballer Love hat eine hübsche, kleine Wohnung, aber sie befindet sich in einem schäbigen Wohnblock, aus dem unten der Abfall quillt. Umso erstaunlicher das Fußballmärchen. Noch nie hat Angola an einer Weltmeisterschaft teilgenommen, selbst beim Africa Cup war man nur dreimal vertreten und schied jeweils in der Vorrunde aus. Doch das ist Vergangenheit: Aschenputtel darf zum Ball. Dass es dort Furore machen wird, ist eher unwahrscheinlich. Ein 1:0-Sieg gegen Portugal? Da lachen sie in Lissabon, weil sie wissen, dass das ein Witz ist. Trotzdem: Wenn die ehemalige Kolonie auf den ehemaligen Kolonialherrn trifft, ist Pfeffer in der Partie. Das jüngste Match war ein Skandalspiel, das nach vielen Roten Karten abgebrochen wurde. Das wird sich in Köln kaum wiederholen, aber kämpfen werden sie, die so genannten schwarzen Gazellen aus Angola – und sei die Außenseiterchance noch so klein. Mag sein, dass sie nach drei Vorrundenspielen ohne Punkt dastehen und die Heimreise antreten müssen, gewonnen hätte ihr Land trotzdem. Weil es bewiesen hat, sagt Augusto Pereira da Silva, der Generalsekretär des Fußballverbands, dass Angola mehr ist als nur ein Schlachtfeld. Weil der Fußball Menschen einander so nahe gebracht habe wie nie zuvor, sagt Trainer Goncalves. Menschen, die sich vor kurzem noch gegenseitig umbringen wollten. (…) Love Kabungula war angolanischer Torschützenkönig 2004 und 2005, er hat fast alle WM-Qualifikationsspiele mitgemacht, aber er sagt, er werde erst dann wirklich angekommen sein, wenn er den Sprung ins Ausland geschafft habe. Lebo Lebo sieht es ganz genauso, und in solchen Momenten fallen dann magische Namen wie Chelsea, wie Manchester. Manchmal lässt die Hornhaut auf den Seelen der Großen doch ein bisschen was durch von den Geheimnissen und Träumen, und vielleicht ist dies ja die eigentliche Botschaft dieser Geschichte: Dass nach all dem Schrecklichen die Menschen in Angola wieder Träume haben. Von den Burschen an der Nova Escola wird kaum einer ein Lebo Lebo oder Love werden, und Lebo Lebo und Love wird der Weg gewiss nicht zu den Topadressen in Europa führen. Aber sie stellen es sich vor, sie lassen sich beflügeln von ihrer Phantasie, und so gesehen kann Angola durchaus von einem 1:0-Sieg über Portugal träumen – ernsthaft und ohne Witz.“
Getrübte Vorfreude
Jan Christian Müller (FR) grämt sich über den vermutlichen Ausfall Wayne Rooneys: „Den Fußball-Feierlichkeiten in Deutschland ist nach André Hellers großer Eröffnungsparty eine weitere Attraktion abhanden gekommen. Rooney hätte das Welt-Turnier mit seinem grandiosen Geschwindigkeitsfußball geprägt wie kaum ein anderer. Sein aggressives Tempospiel wird er – selbst, wenn er auf wundersame Art und Weise rechtzeitig wieder schmerzfrei laufen könnte – niemals demonstrieren können. Das trübt nicht nur die Vorfreude bei den Premium-Sponsoren der nach Ronaldinho und Beckham werthaltigsten Werbefigur im globalen Fußball, sondern auch die vieler Fans. Beileibe nicht nur aus England.“
Welt: Deutschlands Gegner Polen blamiert sich mit einem 0:1 im Testspiel gegen Litauen