Ascheplatz
Besatzungsmacht
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| Dienstag, 9. Mai 2006Ein weiterer Kommentar über den Regulierungswahn der Fifa – Christian Kortmann (taz/Kultur) moniert die Geldfixiertheit der Fifa und die Praxis des „Volunteerings“: „Erlebt man das Großereignis als Einwohner des Gastgeberlandes, so schrumpft die Substanz hinter dem schönen Schein auf fragwürdige Geschäftemacherei unter dem Deckmantel des Weltvolkssports Fußball zusammen. Am Ort sieht man nämlich auch die hässliche Kehrseite der WM-Inszenierung und erlebt, wie sehr sich Sport und Gesellschaft den Wünschen der Wirtschaft beugen. So wirkt die WM wie das Szenario einer Dystopie, einer negativen Utopie, denn die Vermarktungsstrategie der Fifa hat einen totalitären Charakter, den man bisher nur aus den beklemmenden literarischen Zukunftsvisionen von Aldous Huxley, H. G. Wells oder George Orwell kannte. Große Bereiche des öffentlichen Lebens in Deutschland werden im Sommer den Regeln einer Besatzungsmacht folgen, die im Namen des Fußballs demokratische Grundrechte in Frage stellt: Die Fifa ist ein globales Kartell von Machtverflechtungen und Abhängigkeiten, das sich in jedem WM-Jahr in einem anderen Land materialisiert – und jedes Mal in expansiverer Form. Es setzt an den Spielorten ein Regime von Law and Order in Kraft, das den offiziellen Sponsoren Exklusivität zusichert und bereit ist, diese rigoros durchzusetzen (…) Als Sportfreund will man sich von der WM abwenden, weil sie sich allein der Gewinnmaximierung verschrieben hat: Ein Plus von 1,6 Milliarden Euro wird angepeilt. Die WM offenbart also, was sie wirklich ist: ein mit ökonomischen Partikularinteressen überladenes Mega-Logo, das skrupellos ausgebeutet wird. Angesichts dieses enthemmten Merkantilismus ist es ein Hohn, dass die Fifa weltweit 15.000 freiwillige, überwiegend jugendliche Helfer für die WM rekrutieren konnte, so genannte Volunteers, was schicker klingt als ‚unbezahlte Hilfsarbeiter‘. Mit Benefiz hat deren zweifelhaftes Ehrenamt im Dienst des Kapitals nichts zu tun. Da könnten sie genauso gut gratis bei der Deutschen Bank putzen gehen. Sogar Kulturinstitutionen an den Spielorten scheuen sich nicht, über den Köder WM Freiwillige ohne Honorar für sich schuften zu lassen: In München sucht man in André Hellers Auftrag ‚60 Frauen mit schauspielerischem Talent und 40 Männer für Bühnenumbauten‘ für die Eröffnungsfeier. Das Eröffnungsspiel dürfen die 100 Freiwilligen nach getaner Arbeit selbstverständlich nicht anschauen. Die hoch motivierte, kosten- und anspruchslose Arbeitskraft: Im WM-Jahr wird dieser Unternehmertraum wahr!“
Optimale Erlösquelle
Klaus Ott (SZ) kommentiert die Scheu einiger Politiker, geschenkte VIP-Tickets anzunehmen: „Es rächt sich die Geschäftspolitik von Blatters Fifa, die das Großereignis WM offenbar nur als ihr optimales Produkt betrachtet; und Vip-Tickets als optimale Erlösquelle bei den Besuchern. Mehr als 170 Millionen Euro hat die Fifa dafür kassiert. An die Grenzen der Vermarktung zu denken, das ist Blatters Sache nicht. Jetzt sind Politiker und Geschäftsleute verunsichert und schlagen reihenweise Einladungen aus, darunter auch solche, die unanstößig wären. Im schlimmsten Fall bleiben Tausende von Sitzen leer, obwohl Millionen Anhänger vergeblich versucht haben, das zu tun, was eigentlich normal ist: Karten zu kaufen.“
SZ: Rund 350.000 Vip-Tickets wurden reserviert, damit Unternehmen ihre Kunden einladen können. Auch die 21 WM-Sponsoren haben größere Kartenkontingente erhalten. Auf denen könnten die Firmen jetzt sitzenbleiben. Denn die Staatsanwaltschaft sieht darin „unlautere Bevorzugung“
BLZ: Stell dir vor, es ist Fußball, und keiner geht hin!
FAZ: Die WM als Geschäft – die Werbebranche, der Einzelhandel, die Gastronomie und die Tourismuswirtschaft kommen zunehmend in Fußball-Laune, denn auch der Verbraucher scheint mitzuspielen
Media Markt wirbt aggressiv mit WM-Rabatten; die Bild am Sonntag hat mal nachgerechnet
FAZ: Luciano Moggis Machenschaften will auch Juventus nicht mehr mitmachen
Welt-Interview: Aufsichtsratschef Dieter Hundt über die verkorkste Saison des VfB Stuttgart, seine Wiederwahl und den neuen Vertrag für Präsident Erwin Staudt