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Internationaler Fußball

Ihm hilft auch der richtige Pass nicht viel

Oliver Fritsch | Mittwoch, 10. Mai 2006 Kommentare deaktiviert für Ihm hilft auch der richtige Pass nicht viel

Raphael Honigstei (FR) malt Middlesbroughs Coach Steven McClaren, Erikssons Nachfolger und immerhin Engländer, grau in grau: „Nein, ein Jubelsturm fegt nicht wirklich durchs Land. Da hilft auch der richtige Pass nicht viel. Er ist ein Mann, über den kaum jemand ein schlechtes Wort verliert, und kaum jemand ein richtig gutes. Obwohl er 1999 als Assistent von Alex Ferguson mit Manchester United die Champions League gewann, hielt sich Ferguson mit Lobpreisungen auffällig zurück. Und Derby-County-Trainer Jim Smith, der McClaren im Jahre 1995 als seine rechte Hand zu Derby County holte, hat ihn als ‚Trainer mit dem meisten Glück‘ bezeichnet. Trotz des sensationellen Einzugs ins Uefa-Pokal-Finale weint man ihm in Middlesbrough kaum eine Träne nach. McClaren hat den kleinen, vom schwerreichen Transportunternehmer Steve Gibson unterfütterten Verein im Nordosten vor fünf Spielzeiten auf dem 14. Platz übernommen, auf dem 14. Platz gibt er ihn wieder ab. Spieler für 80 Millionen Euro hat er ins Riverside Stadion geholt; ihre Qualität stand selten im Verhältnis zu den Kosten. Wer wissen wollte, warum es in der finanzstärksten Liga der Welt nicht mehr Spitzenvereine gibt, musste nur nach Middlesbrough schauen. Fast wäre McClaren diese Saison gefeuert worden, nach einem 0:7 (gegen Arsenal) und einem 0:4 (gegen Aston Villa) im Januar; ein erboster Boro-Fan bewarf ihn mit den Fetzen seiner zerrissenen Jahreskarte. Neben den schwachen Resultaten erzürnte die Anhänger seine beispiellose Defensivtaktik; kein englischer Trainer stellt vorsichtiger auf. Im Viertel- und Halbfinale des Uefa-Cups lag man gegen den FC Basel und Steaua Bukarest zu Hause zwei Mal mit vier Toren Rückstand hinten, bevor brachialer Kick-and-Rush die späte Rettung brachte. McClaren bekam wenig Anerkennung dafür. Die Spieler berichteten, der australische Stürmer Mark Viduka hätte in der Kabine eine flammende Rede gehalten.“

Zweite Wahl

Ulrich Friese (FAZ) bemängelt die Trainerfindung des englischen Verbands als Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner: „Was jetzt wie ein geschmeidiger, langfristig vorbereiteter Wechsel im Trainerstab aussieht, ist in Wahrheit nur die Kompromißlösung nach personalpolitischem Hick-Hack in der Chefetage der FA. Während McClaren lediglich bei Londons Buchmachern zu Höchstkursen gehandelt wurde, galt er verbandsintern bis zuletzt als ‚zweite Wahl‘. Statt dessen favorisierten die Mitglieder der Findungskommission internationale Größen wie Guus Hiddink und Luiz Felipe Scolari oder brachten beizeiten nationale Stars ins Spiel. Die Personalauslese der FA mißriet jedoch gründlich. Abgeschreckt durch starre, bürokratische Prozeduren beim Fußballverband oder durch aufdringliche Vertreter der Londoner Boulevardblätter sagten erst Hiddink, dann Scolari und jüngst auch Arsene Wenger ab. Bei den übrigen Kandidaten der FA scheiterte der Vertragsabschluß an finanziellen Konditionen oder es fehlte an der nötigen Stimmenmehrheit im fünfköpfigen Auswahlgremium. Übrig blieb schließlich McClaren, der mit einem frischem Vierjahresvertrag und einem Gehalt von drei Millionen Pfund pro Jahr zunächst als preiswerte Neuverpflichtung erscheint. Doch die Skepsis in Englands Fußballwelt überwiegt. (…) Die ganze Situation um McClaren erinnert stark an die Fußball-Verhältnisse in Deutschland, als Berti Vogts zum Nationaltrainer aufstieg. Auch ihm werden Kenntnisse nicht abgesprochen, aber der große Wurf nicht zugetraut.“

Relaunch

Roland Zorn (FAZ) beschreibt den holprigen Weg Javier Saviolas: „Nachfolger von Diego Armando Maradona – dieses gefährliche Etikett ist in den vergangenen Jahren eine Reihe von argentinischen Talenten nicht losgeworden. Was nämlich wie ein großes Versprechen klang, entpuppte sich immer als ein schnell geplatzter großer Luftballon. In Wirklichkeit hat es nicht einen wirklichen Erben des zickigen Superstars aus Buenos Aires gegeben. Javier Saviola schien in seinen ganz jungen Jahren mit einem Talent gesegnet, das Ruhm und Reichtum verhieß. Reich ist der inzwischen 24 Jahre alte Stürmer mit seiner filigranen Kunst und seiner Klasse am Ball geworden, doch dem weltweiten Ruhm jagt er noch immer hinterher. Immerhin: Saviola, wie Maradona aus Buenos Aires kommend, steht erstmals in einem europäischen Endspiel. Es ist aber ‚nur‘ das kleine Uefa-Cup-Finale gegen den englischen Provinzklub FC Middlesbrough, in dem Saviola glänzen kann. Eine Woche danach wird Saviola vielleicht neidvoll ins Stade de France schauen. Dort trifft der FC Arsenal zum großen Finale der Champions League auf Europas Übermannschaft, den FC Barcelona. Der Weltklub aus Katalonien hat auch Saviola bis 2007 unter Vertrag, benötigt dessen Dienste aber wohl nicht mehr.“ Die NZZ datet up: „Der FC Sevilla hielt in der europäischen Top-Liga mit den Tenören mit, und Saviola erlebte einen Relaunch der in Spanien nicht programmgemäss verlaufenen Karriere.“

NZZ: FC Sevilla runderneuert mit noch mehr Drive

Reicher Onkel

Austria Wiens Meisterblüte – die Frucht ihres Gärtners Frank Stronach. Auch die Saat der Versöhnung? Werner Pietsch (NZZ) beschreibt die Austria zwischen Freude und Resignation, Melancholie und Zuversicht: „Eine Mischung aus unbändiger Freude, gepaart mit Wehmut und etwas Ironie, hat die Meisterfeier von Austria Wien begleitet. Die Sekt-Laune konnte nicht darüber trösten, dass der Titelgewinn mit der Vertreibung des Wiener Traditionsklubs aus dem Fussball-Paradies zusammenfiel. Der Austria-Mäzen Stronach, der in den letzten acht Jahren knapp 200 Millionen Franken in die Austria investierte, hatte im November 2005 überraschend den Rückzug angekündigt. Den Versuch einer klubinternen Revolte gegen den ‚Big Spender‘ bestrafte er mit sofortigem Liebesentzug. Ab Sommer 2007 soll es vom austro-kanadischen Industriellen kein Geld mehr für die Wiener Veilchen geben. Vor wenigen Wochen waren wieder Hoffnungen im Wiener Traditionsklub gekeimt. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, selbst bekennender Austrianer, konnte Stronach für den Bau eines neuen multifunktionalen Stadions im Süden von Wien gewinnen. Inzwischen erhielten hartnäckige Gerüchte wieder Nahrung, wonach sich Stronach von der Frohbotschaft des Meistertitels wieder umstimmen lasse. An Geld und hochtrabenden (Champions-League-)Plänen schien es im FK Austria in der Vergangenheit nie gemangelt zu haben. Doch der reiche Onkel Frank aus Übersee liess Fussball-Fachkräfte von zweifelhafter Kompetenz und Loyalität in Wien zu lange schalten und walten. Für Spieler, Trainer und vor allem für Spielervermittler wurde der Klub am Wiener Verteilerkreis bald zu einer der lukrativsten Adressen in Europa. Überraschende Besuche Stronachs in Wien waren regelmässig ein untrügliches Zeichen für einen abrupten Regimewechsel. Ein enormer Verschleiss an Spielern, Sportdirektoren und Trainern in immer kürzeren Abständen, aber ohne nennenswerte sportliche Erfolge war das Ergebnis.“

NZZ: Highbury-Ära ist Vergangenheit – letztes Spiel der Gunners im zu klein gewordenen Stadion

SZ: Wehmütig verabschiedet Real Madrid den scheuen Zinedine Zidane

FAZ: Fußball in Iran – Frauen müssen nun doch draußen bleiben

SZ-Interview: Mirko Slomka über Mängel im Schalker Spiel und Änderungen zur kommenden Saison

NZZ: Endlich wieder guter Fussball – Bayer Leverkusens Erfolg verdeckt klubinterne Probleme

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