Unterhaus
Ablenkung von der Krise
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| Dienstag, 16. Mai 2006Javier Cáceres (SZ) notiert die Reaktion der Bundeskanzlerin auf den Aufstieg von Energie Cottbus: „Auch das politische Berlin war ergriffen, als Energie Cottbus aufgestiegen war, sogar der Sprecher der Bundesregierung wurde am späten Sonntagabend aktiviert. Angela Merkel ließ ausrichten, sie habe sich ’sehr‘ über den Wiederaufstieg der Lausitzer gefreut. War sie nicht in einem dieser Fälle von fußballerischer Bigamie neben dem FC Bayern München auch Hansa Rostock zugeneigt? Es sei ‚gut für den deutschen Fußball und gut für unser Land, dass wieder ein Verein aus Ostdeutschland in der Bundesliga spielt‘, übermittelte der Regierungssprecher. Die Chance, ihrem politischen Rivalen Kurt Beck eins auszuwischen, weil sein Kaiserslautern abgestiegen war, ließ sie aus. Es ist nicht überliefert, welchen Niederschlag die Verlautbarungen der Exekutive bei den Cottbusern fand und wie viele überhaupt noch im Stande waren, Informationen zu verarbeiten.“
Matthias Wolf (FAZ) fügt hinzu und verweist auf den Abstieg Dynamo Dresdens: „Energie hat eine ganze krisengeschüttelte Region in Verzückung versetzt. In Cottbus liegt die Arbeitslosenquote bei zwanzig Prozent, im Umland ist sogar jeder vierte ohne Job. Die Einwohnerzahl ist seit der Wende von 128.000 auf 100.000 im einst künstlich aufgeblähten Energiezentrum der DDR gesunken. Der Fußball kann die Probleme nicht beseitigen, aber er kann Ablenkung schaffen von den Sorgen. (…) Dynamo Dresden ist nur noch drittklassig. Viele Anhänger randalierten frustriert nach dem 3:1-Sieg in Rostock, der nichts mehr nützte. Präsident Jochen Rudi hatte noch vor der Saison einen Aufstieg binnen der nächsten drei Jahre visiert, nun geht es rückwärts. Der Etat sinkt von elf auf fünf Millionen Euro, mehrere Mitarbeiter des Vereins werden entlassen. Das Kontrastprogramm im Osten.“
FR: Energie steigt mit einem unbekannten Team in die Bundesliga auf – keine finanziellen Abenteuer