Ball und Buchstabe
Verbesserung der Lage durch Verbesserung der Stimmung
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| Freitag, 2. Juni 2006Bernd Ulrich (Zeit) stellt uns die Arbeit Jürgen Klinsmanns als Synthese der Arbeit Gerhard Schröders und Angela Merkels vor: „Da der Bundestrainer zwischen Amtsantritt und WM im eigenen Land noch weniger Zeit hatte als Gerhard Schröder und Angela Merkel, wendet er die zwei Methoden der beiden Kanzler zugleich an: Rasche, schockierende Reformen (Agenda 2010/Schröder), von denen er allerdings weiß, dass sie allein den zurückgebliebenen deutschen Fußball nicht retten werden, weshalb er zusätzlich auf das Prinzip der grundlos guten Laune (Merkel) setzt. Drei Hürden musste und muss Jürgen Klinsmann dabei überwinden, um Erfolg zu haben. Erstens: Allein gegen die Mafia. Die Entmachtung der Besitzstandswahrer und Status-quo-Profiteure. Das sind im deutschen Fußball der DFB und die FC-Bayern-Bild-Connection. Hier hat der Bundestrainer mit seiner Basta-Politik einiges geschafft, allerdings begünstigt durch die nahende WM, die all diese Leute in eine Art patriotische Geiselhaft des ungeliebten Trainers und seiner noch ungeliebteren Methoden nimmt. Zweitens: Es gibt keinen deutschen oder italienischen, es gibt nur modernen oder unmodernen Fußball. Klinsmanns Reformen selbst wirken leider etwas synthetisch, atmen den Geist technischer, kalter Instrumentepolitik wie die Agenda 2010. Und wie bei Schröders Agenda weiß niemand genau, ob sie überhaupt irgendetwas bringen. Man wird den Bundestrainer also an den Erfolgen messen, und wie beim ehemaligen Bundeskanzler wird man das früher tun, als die Erfolge überhaupt eingetreten sein können, wenn nicht ein irrationaler Faktor hinzukommt. Den versucht Klinsmann zu erzeugen. Drittens: Gute Stimmung kann nur von besserer Laune kommen. Die große Frage an die WM wird sein, ob die Verbesserung der Lage durch vorherige Verbesserung der Stimmung in Deutschland tatsächlich funktioniert. Zunächst einmal würde man so etwas am ehesten den Amerikanern zutrauen und am wenigsten den Deutschen. Dieses Amerikanische ist auch genau das Problem von Jürgen Klinsmann. Das hat man in der Politik auch schon versucht, die Amerikanerwerdung des Deutschen als Allheilmittel. Es hat bisher selten funktioniert.“
Sorgen macht mir eher der Rassismus
Der Spotzsoziologe und Fan-Forscher Gunter Pilz warnt in einem Interview mit der NZZ vor zu lauten Warnungen vor Hooligans und Gewalt: „Ich habe ein ungutes Gefühl, weniger wegen der Hooligans als vielmehr wegen der Äusserungen in Politik und Presse. Es findet eine permanente Hochstilisierung statt, die drei Dinge nach sich zieht: Die Poliziei wird derart massiv unter Druck gesetzt, dass irgendwann nicht mehr auf Deeskalation gesetzt werden kann, sondern nur noch auf Repression. Ausserdem wird die Angst in der Bevölkerung unnötig geschürt. Das Ganze führt so weit, dass sich die Hooligans irgendwann gezwungen fühlen, tätig zu werden, weil sie sonst fürchten, nicht mehr ernst genommen zu werden. Eins muss einfach klar sein: Polizei und Justiz sind bestens auf die WM vorbereitet. Alles wird gutgehen, wenn wir uns endlich darauf besinnen, ein Fußballfest feiern zu wollen. In einem entspannten, fröhlichen Umfeld haben es auch die Hooligans schwerer, jemand anderem die Faust ins Gesicht zu rammen. (…) Gewaltbereite Hooligans werden diese Bereiche [Public-Viewing-Zonen] meiden wie die Pest. Solche Leute brauchen Auslauf und Bewegungsfreiheit. Die grösste Gefahr sind die Horrorszenarien, die seit dem 11. September 2001 überall verbreitet sind, und ihre Folgen. Ich werde mich nicht daran beteiligen. Sorgen machen mir eher – weniger mit Blick auf Gewalt als aufs Image – die Rassismus-Auswüchse. Während der WM werden viele rechte Gruppen ihr Süppchen kochen. Das zu verhindern, wird schwer.“
FAZ-Hintergrundbericht über Polens Hooligans
Zeit: Taktik – warum Weltmeisterschaften dem Fußball heute keinen neuen Kick mehr geben, anders als früher
FR: Als die Kartenschalter an den WM-Stadien öffneten, gab’s eine Sensation: Etliche Fans, die geduldig Schlange gestanden hatten, angelten sich tatsächlich Tickets
taz: Der Berliner Musiker Torsun covert mit einer Technoversion den Gesang englischer Fußballfans; der provokante Protestsong „Ten German Bombers“ richtet sich gegen den wachsenden Nationalismus zur WM-Zeit