Am Grünen Tisch
Von oben nach unten
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| Mittwoch, 7. Juni 2006Die Fifa tagt heute über „Ethik, Führung und Transparenz “; Thomas Kistner (SZ) weiß nicht, ob er lachen oder weinen soll: „Neben der Ethik dürfte auch die Umsetzung der anderen beiden Leitmotive des Kongresses intern nicht ganz reibungslos verlaufen. Geführt wird die Non-Profit-Fifa von einem Präsidenten, dessen Salär in all seinen Facetten so transparent ist, dass nur engste Weggefährten die Summe kennen. Geführt wird sie von Leuten wie Vizepräsident Jack Warner (genannt ‚The Ripper‘) aus Trinidad, der im März erst vor der bisherigen Ethik-Kommission der Fifa landete, weil es Ungereimtheiten über WM-Tickets mit Warners florierendem Reisebüro auf der Tropeninsel gab. Oder von Fifa-Vize Julio Grondona, der wegen unpassender Äußerungen über das Leistungsvermögen jüdischer Schiedsrichter 2003 Besuch von einer Abordnung des Wiesenthal-Zentrums bekam. Nicht zu reden von Vize Ricardo Teixeira aus Brasilien, der schon ganze parlamentarische Untersuchungsausschüsse in Brasilia beschäftigt hat und mit Sportsfreund ‚Don Julio‘ in den Kulissen des südamerikanischen Fußballmarkts aktiv ist. So betrachtet, ist der Fifa Weitblick mit ihrem Kongress-Motto nicht abzusprechen. Kleiner Fairplay-Tipp zum WM-Start: Nicht nur sorgenvoll auf Spieler und Referees herab blicken, sondern ruhig gleich die ganze Familie durchmoralisieren. Von oben nach unten, wie es sich gehört.“
Der Herr Neureich aus der wohlhabenden Schweiz
Roland Zorn (FAZ) kritisiert Joseph Blatter behutsam, nimmt ihn aber gegen seinen miserablen Ruf in Deutschland in Schutz: „Wundern muß sich Blatter über Volkes Votum aber auch nicht sonderlich, hätte er es doch im Jahr 2000, als über die Vergabe abgestimmt wurde, erklärtermaßen viel lieber gesehen, wenn Südafrika schon 2006 zum Zuge gekommen wäre. Auch die immer wieder aufgeflackerten Dissonanzen zwischen Beckenbauers OK und Blatters Fifa haben öffentliche Spuren hinterlassen. Vor allem aber ist vielen Deutschen das Großprojekt WM mehr und mehr so vorgekommen, als verbände sich mit ihm der kolonisatorische Eifer einer herrschsüchtigen Organisation namens Fifa. Ganz so einseitig liegen die Dinge nicht. Gleichwohl hat sich ein Gefühl der Ohnmacht und Wut ausgebreitet. Der penible Zürcher Regulierungsdrang, niedergeschrieben an die Adresse des Ausrichters in einem dicken Pflichtenheft, zeugt von dem bürokratisch beflügelten Ehrgeiz, zum Schutze der fünfzehn weltweiten Fifa-Sponsoren und der sechs nationalen Förderer aber auch gar nichts dem bösen Zufall zu überlassen. So ähnlich geht es indes längst auch auf anderen Bühnen zu: Die Uefa organisiert ihre kontinentalen Titelkämpfe fast schon in eigener Regie; supranational bestimmt auch Team, der Marketingpartner der Uefa in der Champions League, wie die Stadien und deren Einrichtungen an den Spieltagen auszusehen und zu funktionieren haben. Und nicht zuletzt achtet auch das IOC bis ins letzte Detail darauf, daß die Anmutung der Spiele im Zeichen der Ringe genau nach seinem Gusto bleibt. Was Deutschland jetzt mit der WM, die die Fifa und nicht der Gastgeber veranstaltet, erlebt, ist nichts anders als ein als unerwünscht empfundener Effekt der Globalisierungsstrategien im Sport. (…) Er steht in den Augen vieler Beobachter wie der Herr Neureich aus der wohlhabenden Schweiz da, nachdem die Fifa noch vor vier Jahren nach der falschen Ansicht zahlreicher interner wie externer Kritiker fast pleite gewesen sein soll. Blatter, der so gern als weltweit anerkannter Kämpfer für die Armen und Entrechteten des Fußballs sowie Botschafter der sozialen Werte des Fußballs gefeiert würde, wird in Deutschland eher wie der Boß eines florierenden, aber nicht überall mit Sympathiepluspunkten daherkommenden, expandierenden Sportunternehmens wahrgenommen.“ Jens Weinreich (BLZ) fügt an: „Blatter wird in den Tagen bis zur WM nichts mehr tun, um die Öffentlichkeit noch mehr gegen sich aufzubringen. Der Fifa-Konzernchef will gemocht und gelobt werden, vor allem in Deutschland, wo ihm und seiner Fifa doch flächendeckend, man kann es nicht anders sagen, ein eisiger Wind entgegen weht.“