Am Grünen Tisch
Unternehmenspolitische Bankrotterklärung
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| Donnerstag, 8. Juni 2006Klaus Ott (SZ) führt die Kritik am VIP-Ticketing der Fifa fort: „Das Desaster lässt sich nicht länger kaschieren. Fast jedes neunte Billett sollte zu Höchstpreisen als VIP-Ticket zahlungskräftige Abnehmer aus Industrie und Wirtschaft finden. Die von der Fifa beauftragte Agentur ist freilich auf vielen Karten sitzen geblieben, nun sind sie zu Schleuderpreisen erhältlich. Das kommt einer unternehmenspolitischen Bankrotterklärung der Fifa gleich. Blatter hat die falsche Strategie gewählt, er hat den Markt für die Ware Fußball überschätzt. Das hindert die Fifa nicht daran, sich bei der nächsten WM wieder alleine um die Tickets zu kümmern; anders als jetzt in Deutschland, wo das nationale Organisationskomitee den größeren Teil der Karten verwaltet. 2010 in Südafrika könnte es noch schlimmer kommen.“
SZ: Auch Lieferschwierigkeiten führen dazu, dass teure VIP-Tickets an den Stadionkassen abgeholt werden müssen
Zeremonienmeister
Roland Zorn (FAZ) beschreibt den gewinnsuchenden Auftritt Joseph Blatters beim gestrigen Fifa-Kongreß: „Vergessen die Querelen um die Absage der WM-Gala, um das Ticketing oder um das Rederecht bei der Eröffnungsfeier. Am Tag vor dem Arbeitsteil dieses Kongresses ohne Wahlen gab sich Blatter so, wie er in die Fifa-Geschichte eingehen möchte: als der große Neuerer und Veränderer. Der Walliser, der eine Sehnsucht danach zu haben scheint, irgendwann für den Friedensnobelpreis nominiert zu werden, hatte am Abend vor dem Kongreß zumindest seine Qualität als Weltnetzwerker aufs neue bewiesen. Gemeinsam mit UN-Generalsekretär Kofi Annan rief Blatter dazu auf, mit der WM ein bißchen Frieden zu stiften. ‚Nutzen wir die Magie des Fußballs für unser Engagement für Entwicklung und Frieden‘, hieß es in dem Genfer Manifest. Mit solchen Leitmotiven als Vorgabe geht Blatter ein Jahr vor seiner wahrscheinlichen Wiederwahl in einen Kongreß, der anders als 1998, als er zum Nachfolger von João Havelange gekürt wurde, und 2002 nicht von Macht- und Wahlkämpfen, auch nicht von Korruptions- oder Mißwirtschaftsverdächtigungen überlagert sein wird. Deshalb konnte der Schweizer wieder einmal seiner Zweitleidenschaft als Showman und Zeremonienmeister frönen. So zeichnete er verdiente Mitstreiter, Widersacher und Fußballfreunde aus.“ Jens Weinreich (BLZ) ergänzt mit spitzer Zunge: „Ob Blatter selbst einen Orden bekommt, ist allerdings offen. Das Bundespräsidialamt prüft derzeit noch, ob ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen werden soll. Das Bundesinnenministerium würde Blatter gern ehren, ist aber unsicher wegen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in der Schweiz zum Konkurs der Marketingfirma ISL/ISMM, die auch die Bestechung von Sportfunktionären betreffen. So kulminierten die sakralen Feierstunden in München in einer Homage an den noch immer kreglen Fifa-Ehrenpräsidenten Havelange, der kürzlich sein neuntes Lebensjahrzehnt vollendete. Auch Havelange, der sich im Laufe seiner höchst umstrittenen Karriere von vielen Diktatoren mit zweifelhaften Orden schmücken ließ, erhielt von Blatter ein Ehrenzeichen. Dann wurde Happy birthday intoniert für den Fußball-Cäsaren. Die Familienmitglieder lauschten ergriffen, bevor sie abmarschierten, um sich für das nächste Gala-Bankett frisch zu machen.“
taz: Sepp Blatter veranstaltet grade einen Ethik-Kongress – Einsicht oder Ablenkungsmanöver?
FAZ: Joseph Blatter, Weltherrscher des Fußballs