Am Grünen Tisch
Krake
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| Freitag, 9. Juni 2006Andreas Schröder (StZ) spricht der Fifa das Recht ab, Standards in Ethik und Moral zu erheben: „Umfragen zufolge wird der Verband als machtbesessen und geldgierig gesehen. Fifa-Boss Josef Blatter sieht sich zu Unrecht angegriffen und verweist häufig auf die Entwicklungsprojekte, die der Verband rund um die Welt finanziert. Tatsächlich aber biegt sich der Schweizer die Realität gerne so zurecht, wie es ihm gefällt. Als der Europarat in Straßburg den Schweizer für dessen passive Haltung beim Thema Zwangsprostitution während der WM hart kritisiert hat, weil er den Menschenhandel nicht anprangere, da reagierte Blatter abgeklärt. Es sei nicht Aufgabe des Weltverbands zu kontrollieren, was außerhalb der Stadien passiert, sagte er ungerührt. Das gilt allerdings nur für Themen, die heikel sind oder der Fifa Kosten verursachen würden. Haftungsrisiken und Projekte, die richtig ins Geld gehen wie Stadionumbauten und andere Infrastrukturprojekte, sind deshalb vertragsgemäß Angelegenheiten der Ausrichterländer und -städte. Wer sich dem nicht fügt, erhält den Zuschlag für das Turnier nicht. Bereits jetzt ist klar, dass Stuttgart als Ausrichterstadt unter dem Strich mindestens 14 Millionen Euro draufzahlen wird. Die beiden größten Brocken sind das Kulturprogramm mit 5,3 Millionen Euro und die temporären Umbauten des Daimlerstadions nach den exakt einzuhaltenden Fifa-Richtlinien mit knapp 4 Millionen Euro. Wenn es aber ums Geldverdienen geht, dann fühlt sich die Fifa sehr wohl auch für alle Bereiche außerhalb der Stadien zuständig. Und sie zieht regelmäßig vor Gericht, um ihre Interessen durchzusetzen. (…) Der Krake Fifa hält das Geschäft mit der WM fest im Griff.“
Großer Manipulator
Jens Weinreich (BLZ) porträtiert Joseph Blatter und ringt sich fast ein Kompliment ab: „Er wird von flotten Halluzinationen geplagt, dieses Schicksal teilt er mit anderen hochrangigen Sportfunktionären: Blatter sähe sich auch als legitimen Träger des Friedensnobelpreises, unter anderem deshalb, weil er tatkräftig dabei geholfen hat, die WM 2010 nach Südafrika zu vergeben. Wann immer er danach gefragt wird, kokettiert Blatter. Er würde den Nobelpreis sicher nicht ablehnen, sagt er gern. Einer seiner Kollegen aus dem IOC, Juan Antonio Samaranch, hatte vor einem Jahrzehnt eine PR-Agentur damit beauftragt, den Friedensnobelpreis zu akquirieren. Ein norwegischer Journalist enthüllte die Pläne, und Samaranch wurde zum Gespött der Leute. Im globalen Sportbusiness, das mit Emotionen Milliardengeschäfte macht, glauben viele Amtsinhaber tatsächlich, es ließe sich alles kaufen. Sie kennen es nicht anders in ihrer Branche und sie wundern sich, wenn die Welt dann doch nicht immer nach den Regeln des Kommerzes funktioniert. Bundesverdienstkreuz, Friedensnobelpreis, das sind Themen für Blatter. Darunter macht er es kaum. (…) Das ist der eine Blatter. Der andere Blatter ist charmant, herzlich, aufmerksam, witzig und spontan. Er kann sogar zuhören, zeigt Interesse an seinem Gesprächspartner, obwohl schwer einzuschätzen ist, ob dieses Interesse nur vorgetäuscht und seinen persönlichen Ambitionen untergeordnet ist. Denn natürlich ist Blatter ein großer Manipulator. Auch er hat seinen Anteil daran, dass dieses System des Gebens und Nehmens im Fußballgeschäft auf vielfältige Weise verfeinert worden ist.“
Auf dem Gipfel seiner Macht
Roland Zorn (FAZ) beargwöhnt Blatters wachsende Einflußmöglichkeiten: „Weltweite Lizenzierungsverfahren, Besitzverhältnisse der Klubs, der wachsende Einfluß von Spielervermittlern, Transfers, Wettgeschäfte, Reduzierung der Profiligen auf maximal 18 Klubs – überall kann die Fifa in Zukunft nicht nur mitreden, sondern mitentscheiden. Für Blatter gilt das Prinzip, daß die Fifa bestimmt, wohin der Ball zu rollen habe. Auch deshalb setzte der Kongreß die unabhängige Ethikkommission als dritte Rechtsinstanz der Fifa ins Werk. ‚Wir kämpfen‘, sagte Blatter, ‚weiter um unsere Autonomie gegenüber politischen Einmischungsversuchen.‘ Der Kongreß nahm des Präsidenten Ankündigung, sich im kommenden Jahr für eine dritte Amtszeit zur Wahl zu stellen, mit warmem Applaus zur Kenntnis. Blatters Fußballweltfamilie – 250 Millionen Menschen – ist riesengroß. Sie schien ihrem Boss nach einem Kongreß, in dem bis auf zwei Wortmeldungen stundenlang versammeltes Schweigen herrschte, zu Füßen zu liegen. Der Fußball als seltsame One-man-Show eines Schweizers mit missionarischem Eifer ging am Donnerstag zu Ende; der wahre Fußball kann am Freitag beginnen (…) Acht Jahre nachdem Blatter 1998 als Nachfolger von Joao Havelange gegen viele Widerstände gewählt wurde, ist der frühere Fifa-Generalsekretär auf dem Gipfel seiner Macht angekommen.“
Welt: Aus der kühlen Geldvermehrungsmaschine Fifa soll eine Art Weltverbesserungs-AG werden
Ein sehr umfassendes Portrait Franz Beckenbauers im Tagesspiegel: „Das Glück des Fleißigen“
FAZ-Interview mit Franz Beckenbauer
NZZ: Ein unabhängiger Bericht, der aber im Auftrag der EU und der Uefa verfasst worden ist, kommt zum brisanten Schluß, dass dem europäischen Fußball eine Reihe ernster Gefahren drohe