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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2006

Obszön

Oliver Fritsch | Sonntag, 11. Juni 2006 Kommentare deaktiviert für Obszön

Thomas Scheen (FAZ) wirft den Spielern der Elfenbeinküste Heuchelei vor: „Wenn sich die Elephants heute als Friedensstifter sehen, ehrt das die Mannschaft. Schließlich sind sie allesamt hochbezahlte Legionäre im Dienste der besten europäischen Vereine und somit sowohl räumlich als auch finanziell weit weg vom Elend der Elfenbeinküste. Gleichwohl bekommt dieses Sendungsbewußtsein einen fahlen Beigeschmack, wenn man sich vor Augen führt, daß die Spieler von der Regierung Gbagbo mit millionenschweren Geschenken bedacht werden, die um so größer ausfallen werden, je weiter die Mannschaft im Turnier vorankommt. Daß dahinter nichts anderes als politisches Kalkül steht, wurde zuletzt deutlich, als sämtlichen Spielermüttern der Nationale Verdienstorden verliehen wurde und sich die angeschlagene Regierung Gbagbo bei gleicher Gelegenheit ein paar positive Schlagzeilen sichern konnte. Keiner der Spieler hat bislang seinen Verzicht auf die ‚Prämien‘ etwa zugunsten der bankrotten Sportvereine in Abidjan, der ruinierten Krankenhäuser oder der steigenden Zahl der Aids-Waisen erklärt, obwohl alle zu den Spitzenverdienern in Europa zählen und nicht auf das Geld angewiesen sind. Von Frieden und Versöhnung reden und dann ausgerechnet von Herrn Gbagbo mit neuen Villen und sonstigen Aufmerksamkeiten bedacht zu werden: das wirkt angesichts des Elends im Land reichlich obszön.“

Tiefstapelei

Dirk Schümer (FAZ) läßt sich von den Holländern keinen Sand in die Augen streuen: „Die jeweils bitter enttäuschte Arroganz der großen Spielergeneration um Davids, Seedorf, Bergkamp hat nun einem zurückhaltenden Realismus Platz gemacht. Bondscoach van Basten beschwerte sich sogar über die stolze Aufschrift, welche die Fifa dem grell-orangenen Mannschaftsbus verpaßt hat: ‚Oranje op weg naar goud – Oranje goes for gold‘. Das sei nicht der Stil seiner Mannschaft: ‚Viel zu arrogant und großspurig.‘ Van Basten hat sein Team mit jungem, hungrigem Nachwuchs aus der heimischen Eredivisie aufgestockt. Von der großen, verlorenen Generation sind nur mehr die am selben Tag geborenen Edwin van der Sar und Phillip Cocu übriggeblieben. (…) Es wirkt fast, als bereite sich van Basten mit seinem jungen Kader eher auf die WM 2010 vor, weshalb ihm daran liegt, hinter den dichten Bäumen des Schwarzwalds sowenig Aufsehen wie möglich zu machen. Oder gehört die neue Tiefstapelei in Wahrheit zu einer ausgefeilten Überrumpelungstaktik?“

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