Deutsche Elf
Es ist gar nicht so viel, was noch fehlt
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| Mittwoch, 14. Juni 2006Tiefen- und Breitenstaffelung, ballorientiertes Verteidigen, kurze und enge Mannschaft – für andere Länder eine Selbstverständlichkeit, für viele Deutsche neues Zeug. Peter Heß (FAZ) mit einer Expertise der deutschen Abwehr: „Auslöser der Malaise ist natürlich Jürgen Klinsmann. Sein Hang zur Vorneweg-Verteidigung bringt Deutschland zwar früheren Ballbesitz, kürzere Wege zum gegnerischen Tor und damit mehr Durchschlagskraft in der Offensive. Aber überwindet der Gegner die erste Welle des Forechecking, dann hat er vergleichsweise viel Zeit und Raum, um die deutsche Viererkette auszuspielen. Außer, Klinsmanns Team ist so fein aufeinander abgestimmt, daß sich ballführende Gegner gleich einer zweiten Welle gegenübersehen. Und genau daran hapert es mitunter. Der Abstand zwischen den einzelnen Spielern ist zu groß. Am Willen fehlt es den deutschen Nationalspielern nicht. Kein Stürmer und Mittelfeldspieler ist sich nach Ballverlust zu schade, nach hinten zu laufen. In der Fachsprache heißt das: hinter den Ball zu kommen. Während die argentinische Mittelfeldreihe blind voneinander weiß, wie sich die Mitspieler bewegen, weil diese mit diesem System groß geworden sind und seit Jahren zusammenspielen, überraschen sich die Deutschen manchmal selbst. (…) Es ist gar nicht so viel, was dem deutschen Defensiv-Kollektiv noch fehlt. Und in vielen Situationen verhält es sich schon jetzt vorbildlich, vor allem dank der immensen Laufbereitschaft. Nun gilt es Automatismen zu entwickeln und die Konzentration über 90 Minuten aufrechtzuerhalten. Jetzt nervös zu werden und mit Umbaumaßnahmen auf die Abwehrlöcher zu reagieren wäre kontraproduktiv. Dann finge Klinsmann wieder von vorne an.“
Feuereifer
Christof Kneer (SZ) schreckt vor der drastischen Rhetorik Jürgen Klinsmanns und seiner Spieler zurück: „Die deutsche Nationalmannschaft ist ziemlich debattengestählt, sie hat zum Beispiel eine Wohnsitz- und eine Torwartdebatte hinter sich, aber diese Debatte braucht sie wirklich nicht. Unter anderem ist das ja ein Sportfest, das hierzulande zur Austragung kommt, und womöglich wundert sich das Sportfest gerade, dass es nicht von Politikern, sondern von den Sportlern selbst mit einiger Schwere aufgeladen wird. Am Tag vor dem Spiel gegen Polen ist Jürgen Klinsmann vor die Presse getreten, und auch er hat einige Sätze gesagt, die martialischer klangen, als sie gemeint waren: ‚Wir wissen, dass die Polen mit dem Rücken zur Wand stehen‘, sagte er. Er hat dann noch gesagt, dass im polnischen Umfeld ‚große Aggression herrscht‘, dass ‚da die Nerven angespannt sind‘ und dass er davon ausgehe, dass ‚es zur Sache gehen wird, dass es richtig zur Sache gehen wird‘. Dass Klinsmann derart grimmige Metaphern wählt, ist einigermaßen ungewöhnlich, aber oft begreift man über die Rhetorik mehr von einer Mannschaft, als wenn man sie spielen sieht. Klinsmann heizt das Spiel vor allem deshalb an, weil er meint, dass seine Mannschaft das braucht, und er nimmt in Kauf, dass die Sätze so klingen, wie sie klingen. Im Prinzip wird daran nichts anderes sichtbar als das, was er von seiner Mannschaft hält. Er weiß, dass sich diese Elf auch im eigenen Land nicht einfach zum Titel kombinieren kann, er weiß, dass sein riskanter Plan von offensivem, abwehrverachtendem Spiel nur aufgehen kann, wenn die Mannschaft vor lauter Feuereifer besser spielt, als sie kann.“
Ein sehr aufschlußreicher und lesenswerter Spiegel-Text über das schwierige Verhältnis zwischen Klinsmann und Franz Beckenbauer: „Erstaunlich viele Menschen im DFB sprechen von offen versteckten Aversionen zweier Alphamännchen, zwischen jenen Herren, von denen das Wohl der Nation abhängt bei dieser Weltmeisterschaft. Beckenbauer halte Klinsmann für einen Blender und seine Nationalspieler für fußlahm, so sagen sie es beim DFB. Klinsmann halte Beckenbauer für einen jener alternden Kritiker, die Jüngeren keine Erfolge gönnten, weil neue Erfolge die Erfolge von einst überlagern. Das berichtet ein Nationalspieler.“
taz: Michael Ballacks Rolle in der Klinsmann-Taktik
SZ: Michael Ballack wünscht sich gegen Polen ein Spiel ohne Gegentor – und nähme dafür auch Bayern-München-hafte Langeweile in Kauf
zeit.de: Spielt die deutsche Elf gut? Pro und Contra
FR-Portrait Oliver Kahn
SZ: Oliver Kahn hat als Ersatztorwart eine Vorbildrolle gefunden als seelische Stütze einer jungen Mannschaft
FAZ-Interview mit Sönke Wortmann
BLZ: Bernd Hölzenbein über das Deutschland–Polen (WM 1974)
FAZ: Polens Trainer Pawel Janas versucht es mit einer Charme-Offensive bei seinen Kritikern
FR: Janas hat sich mit seinem Hass auf die Medien und defensiver Spieltaktik zur Zielscheibe der Kritik gemacht