Ascheplatz
Auslaufmodell
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| Montag, 19. Juni 2006Roland Zorn (FAZ) kommentiert die Reaktion des Fifa-Präsidenten auf die Verfehlung des botswanischen Exekutiv-Mitglieds Ismail Bhamjees, der sich durch Ticketverkäufe auf dem Schwarzmarkt bereichern wollte: „Blatter, der selbst schon mit Korruptionsanschuldigungen zu kämpfen hatte, kam der Fall Bhamjee, so unangenehm er für die Fifa ist, vielleicht gar nicht so ungelegen. So kann der Schweizer, der dem Fifa-Kongreß vor dem WM-Auftakt mit vielen hehren Sätzen die Gründung einer neuen, unabhängigen Ethikkommission schmackhaft machte, den starken Worten sogleich Taten folgen lassen. Der geständige Bhamjee, dazu gehört nicht viel Prophetie, wird sich nach seinem Abschied vom Turnier auch von seinem gut dotierten Posten im Exekutivkomitee trennen. Ein paar eindringliche Warnungen dürften in seinem Fall genügen, letzte Zweifel am freiwilligen Rückzug zu zerstreuen. Um Blatter herum sitzen aber noch immer Fußballgranden, deren Leumund nicht als überragend gilt. Ob sich der Walliser im Zeichen der neuen Fifa-Moral und mit Hilfe frischer, unverbrauchter Kräfte in den Konföderationen von alten Kameraden lossagen kann? Erst wenn dieses zuweilen an ein Politbüro postsowjetischer Provenienz erinnernde Gremium offener, liberaler, demokratischer anmutete, würde der Fifa-Kampf um mehr Reputation auch in Deutschland glaubwürdiger. Vielleicht kommt der große Schnitt aber erst, wenn der persönlich um weltweite Anerkennung kämpfende Blatter gegangen sein wird. Jetzt ist er 70, im kommenden Jahr läßt er sich noch einmal zum Fifa-Boss wählen. Wenn er dann mit 75 aufhört und die jetzige Fifa-Exekutive mit Blatter auf dem Thron noch weiter ergraut, wird kaum noch jemand an eine Fifa-Reform von innen heraus glauben – mag es bis dahin noch so viele Ethikkommissionen geben.“
Thomas Kistner (SZ) erkennt zweierlei Maß: „Bhamjee ist ein Fifa-Auslaufmodell, keine Schlüsselfigur wie Kollege Jack Warner aus Trinidad. Jack, der nun auch über Bhamjee urteilt, ist jüngst selbst beim Versuch erwischt worden, sich an WM-Tickets zu bereichern, die er über seine Familienfirma in Trinidad anbot. Dabei ging es um 10.000 Tickets – wie ehrenhaft ist also das Rechtsempfinden im Weltfußball? Zumal Warner schon seit Jahrzehnten exklusiv Geschäfte mit dem Landesverband betreibt und zudem wiederholt die TV-Rechte für die Karibik von der Fifa abkaufen durfte: für, hoppla, einen Dollar pro WM. Hier macht einer Millionen, dort wird einer mit 2.400 Euro geschnappt. Der Vorwurf an Bhamjee kann daher nur lauten: Sorry, Sportsfreund, du hast das Spiel nicht begriffen. Und Stümper fliegen raus.“
BLZ: Hintergrund, Bhamjee
Mediatorin
Daniel Theweleit (taz) kritisiert die Verbände Afrikas und die Fifa: „Es ist ein kleines Drama, dass Trainer in Afrika noch weniger geschätzt werden als in Europa. Die Posse um Togos Trainer Otto Pfister nahm derart skurrile Wendungen, dass sie irgendwann einen gewissen Unterhaltungswert entwickelte. Der Hintergrund dieser Geschichte ist vielleicht das schwerwiegendste Problem des afrikanischen Fußballs: Ein Nationalverband nimmt über Antrittsprämien – vor allem aber über Zuwendungen der Fifa – für afrikanische Verhältnisse gigantische Devisensummen ein. Eigentlich sind diese Gelder für die Mannschaften und zur Re-Investition in den Fußball gedacht, ‚aber die Fifa kontrolliert viel zu lax, was mit dem Geld passiert‘, hat Claude Le Roy, der Trainer des Kongo, einmal gesagt. Die Fifa, die sich so gern als Weltstaat des Fußballs und moralische Superinstanz profiliert, schert sich nicht um diese Strukturen, sie ist aber die einzige Macht, die Einfluss nehmen könnte, indem sie Sanktionen verhängt, Gelder zurückhält. Das tut sie nicht, warum also sollten die Funktionäre etwas rausrücken von dem schönen Geld? Kritiker sagen, dass Sepp Blatter hier gezielte Ignoranz walten lasse und sich so die Stimmen der Nationalverbände sichere.“
Peter B. Birrer (NZZ) fordert die Fifa auf, beim togoischen Prämienstreit eine aktivere Rolle zu spielen: „Die Spieler suchen im WM- Schaufenster den Weg an die Öffentlichkeit, weil sie zu Recht befürchten, dass die Fifa- Prämien im verfilzten Polit- und Funktionärs-Klüngel des eigenen Landes verschwinden. Die Aufgabe der Fifa kann nicht sein, die Probleme in Togo und anderswo zu lösen. Aber darum geht es nicht. Die Fifa verteilt Millionen und weiss, was dies in autokratisch geführten Ländern der Dritten Welt bedeuten kann. Deshalb muss sie in solch (absehbar) harten Fällen früher als Mediatorin auftreten und so weit wie möglich kontrollieren, wohin das Geld fliesst. Nicht in ihrem Sinn kann sein, wenn sieben Millionen Franken irgendwo versickern sollten. Die Togo-WM-Saga ist bedenklich – und nicht etwa lustig.“
FR: Afrikanische Fußballmannschaften verlassen sich gerne auf Voodoo und Schwarze Magie beim sportlichen Wettkampf
SZ: Die Fifa kommt den Vereinen entgegen und zahlt, wenn Spieler wegen WM-Verletzungen ausfallen
taz: Puma rennt ihren Konkurrenten im Fußballgeschäft hinterher. Bis zur WM 2010 will man aufholen. Die Strategie: Afrikas Markt früh erobern. Dabei soll die Installation von Trainern helfen
FR: Milliarden vom Steuerzahler – was sich die öffentliche Hand die WM kosten läßt, Stadioninvestitionen mit hohem Risiko verbunden