WM 2006
Gruppe F
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| Dienstag, 20. Juni 2006Kämpfernaturen
Elisabeth Schlammerl (FAZ) würdigt die Arbeit des holländischen Trainers von Australien: „Guus Hiddink hat ein Gespür dafür, wie er eine Mannschaft anpacken muß. In Südkorea hatte er die Spieler vor der WM 2002 zu Höchstleistungen getrieben, indem er den Konkurrenzkampf geschürt und provoziert hatte. Die zu übertriebener Freundlichkeit und Unterwürfigkeit neigenden Asiaten wehrten sich wie von Hiddink erhofft, zunächst innerhalb der Mannschaft und später auf dem Platz. Mit erstaunlicher Bissigkeit schafften sie es dann bis ins Halbfinale. In Australien hat er schnell erkannt, daß er dieses Spielchen nicht treiben muß. ‚Australier sind Kämpfernaturen.‘ Er konnte sich gleich aufs Wesentliche konzentrieren, aufs Spielsystem. Das Niveau, auf dem die Mannschaft gegen Japan und auch gegen Brasilien gespielt hat, ist zwar überraschend hoch, aber sicher kein Wunder und weit weniger erstaunlich als die Leistung von beispielsweise Trinidad und Tobago, das mit dritt- und viertklassigen Spielern und limitierten Möglichkeiten England und Schweden das Leben schwermachte. Die meisten australischen Nationalspieler haben schließlich einen Vertrag bei europäischen Erstligaklubs, in England, Italien, der Schweiz oder Holland. Aber gegen Brasilien zeigte sich auch, was Australien von der absoluten Spitze trennt: Die Abgebrühtheit vor dem Tor.“ Andreas Burkert (SZ) stimmt zu: „Wenn es wirklich so etwas wie die Handschrift eines Trainers gibt, dann hat man sie beim Anblick der dunkelblau gekleideten Australier bestaunen können. Vor dem Turnier galten die Sorgen der Experten vor allem ihrer Abwehr: Denn ist dort nicht Craig Moore eine feste Größe, der vorige Saison sogar in Mönchengladbach durchfiel? Doch in München brillierte sie mit schlüssiger Raumaufteilung und sicherem Verschieben, so dass sich Brasilien meist in diesem Irrgarten verlief (…). Diese gut abgesicherte und dennoch offensivfreudige Mannschaft ist nun Favorit auf den zweiten Gruppenplatz.“
Brasilien, verzweifelt gesucht
Javier Cáceres (SZ) erkennt Brasilien nicht wieder: „So viel Verzweiflung war selten bei denen, die der Legende vom schönen Spiel der Brasilianer anhängen. So wie sich Ingrid Bergmann und Humphrey Bogart in Casablanca an Paris festhielten, so blieb den Ästheten im Fußball immer: Brasil. Es war einmal. Tempi passati. Nicht mehr. Nicht ein einziges Mal war ein artistisches Moment zu sehen bei dieser WM. Brasilien, verzweifelt gesucht (…).‘Wichtig ist, dass wir zum Finale in Form sind‘, sagte Ronaldinho. Wie pragmatisch das klingt. Und wie schrecklich: aus seinem Munde.“ Thomas Klemm (FAZ) erläutert: „Nicht der große Fußballzauber, sondern die taktische Disziplin ist für Parreira das entscheidende Moment bei dieser Weltmeisterschaft; wie bereits 1994, als der Trainer eine keineswegs favorisierte Selecao um ihren Vorarbeiter Carlos Dunga zum ersten Titel nach 24 Jahren führte. Vor allem die Mittelfeldspieler müssen ihren Spieltrieb unterdrücken, wie es Ze Roberto vormacht, der wegen seines uneitlen Auftretens von Parreira hochgeschätzt wird.“
Anständig trainieren
Wiebke Hollersen (BLZ) empfindet die Brasilianer als arrogant: „Also, was war los mit Brasiliens Fußballern? Zé Roberto machte sich daran, seine Verteidigungsleistung aus dem Spiel noch zu steigern. Schon besser habe man gespielt, mit mehr Bewegung im Angriff, die Mannschaft wachse, es sei heiß gewesen, und: ‚Die WM fordert viel Kraft. Alle Welt ist gut trainiert.‘ Nun sind also auch die Brasilianer erstens zu der erstaunlichen Erkenntnis gelangt, dass die WM im Sommer stattfindet und es auch in Deutschland mehr als 20 Grad warm werden kann, und dass es, zweitens, durchaus üblich ist, für so eine Weltmeisterschaft vorher anständig zu trainieren.“
Vollkommen ebenbürtig
Christian Zaschke (SZ) über die japanische Ausgangsposition vor dem letzten Gruppenspiel: „Einen Rückschritt hat die japanische Mannschaft in den vergangenen vier Jahren nicht gemacht. Sie war den in Europa etablierten Kroaten vollkommen ebenbürtig. Das Team vergab eine klare Torchance auf eine Weise, die man selten sieht – alles hätte ganz anders kommen können, doch so bleibt das Hauptproblem dieser Mannschaft, dass ihr jemand fehlt, der die schön vorgetragenen Angriffe zum zählbaren Abschluss bringt – ein Problem, das sie mit vielen Teams aus aller Welt teilt. Allerdings nicht mit Brasilien, dem Gegner, den es nun mit möglichst vielen Toren zu besiegen gilt.“ Die Welt ergänzt: „Nur hin und wieder starteten sie überfallartige Attacken. Aber Top-Stürmer Nakamura blieb ebenso wie Superstar Nakata weit unter seinen Möglichkeiten. Erschreckend vor allem, wie sie die wenigen Chance kläglich vergaben. Das machen die Spieler der Kreisklasse besser.“