Am Grünen Tisch
Sünde
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| Dienstag, 11. Juli 2006Die Rote Karte für Zinédine Zidane ist durch einen unzulässigen Videobeweis zustande gekommen, was die Fifa zwar dementiert, für den Rest der Welt aber offensichtlich ist. Javier Cáceres (SZ) beschreibt das Verhalten des vierten Offiziellen, der den Schiedsrichter auf die Tätlichkeit Zidanes hingewiesen hat: „Luis Medina brachte den Fernsehbeweis zur Anwendung und schrieb damit Geschichte. Seine Crux: Er darf es nur im Beichtstuhl zugeben, nicht öffentlich. Der Rückgriff auf bewegte Bilder ist nicht von den Regeln gedeckt. Mehr noch: Er gilt im Fußball, dem die Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters heilig ist, als Sünde. (…) Zwischen der Aggression Zidanes und der roten Karte liegen 96 Sekunden, in denen auf den Bildschirmen im Stadion die Aktion Zidanes gezeigt wurde – sowohl in Zeitlupe wie in Echtzeit. Wenn Medina Zidanes monströse Tat live sah – warum wurde das Spiel nicht vorher unterbrochen? Die einzige logische, aber unbewiesene Schlussfolgerung: Weil Medina die Wiederholung abwartete.“ Wolfgang Hettfleisch (FR) fügt an: „Niemand kann anzweifeln, dass der große Franzose für seinen Ausraster zu Recht die Rote Karte sah – wenn auch womöglich nicht ganz regelkonform.“
Peter Michalzik (FR) legt die Aussagen der ARD-Experten aus: „Dieses dubiose Videospiel der Fifa um Frings fand in einem merkwürdigen Nachspiel seine Scheinfortsetzung: Gerhard Delling versuchte mit Fernsehbildern zu beweisen, dass auch der Linienrichter Zidanes Kopfstoß nicht gesehen hatte, sondern die Information von irgendwo anders her gekommen war. Günther Netzer begriff sehr schnell, welche Tragweite das haben könnte und schob Dellings Bilderbeweis beiseite. Woraufhin der immer wieder in Momente von begnadeter Naivität fallende Franz Beckenbauer vom ersten Videobeweis der WM sprach.“ Michael Horeni (FAZ) fordert, den Videobeweis endlich offiziell einzuführen: „Bei einer WM, unter den Blicken von Milliarden Fernsehzuschauern, stößt das Dogma der Tatsachenentscheidung an Grenzen. Was die ganze Welt sehen kann, müssen auch die Schiedsrichter sehen dürfen.“
FR: Hintergrund: Videobeweis im Finale
Willkürherrschaft
Horeni zieht ein äußerst kritisches Fazit: „Der Fifa mit ihrem Regelungswahn ist es zwar gelungen, das Erscheinungsbild in den Städten nach ihrem Willen zu ändern. Aber auf ihrem ureigensten Territorium – dem Fußballplatz – hat sie es während der WM nicht geschafft, dringend benötigte Ordnungsprinzipien durchzusetzen. Das zeigte sich schon im Umgang mit dem Fall Frings, der eklatante Mängel im nachträglichen Verfahren aufwies, sowie im grundsätzlichen Vorgehen – viele andere kamen (wie Figo nach Kopfstoß) trotz evidenter Bilder ohne Strafe davon. Das nennt man Willkürherrschaft, im Reich Blatters Sportgerichtsbarkeit.“