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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Die Macht der Bayern ist schlecht für den deutschen Fußball

Oliver Fritsch | Freitag, 11. August 2006 Kommentare deaktiviert für Die Macht der Bayern ist schlecht für den deutschen Fußball

Die Kritiker nehmen Bayern München derzeit ganz schön in die Mangel – weniger wegen der torlosen Niederlagen in den Testspielen, sondern eher wegen ihrer „Unternehmensführung“. Ist die Macht des deutschen Fußballs in den falschen Händen? Zwei aktuelle Texte und zwei Texte aus dem Frühjahr:

Der Spiegel sucht auf seiner Deutschland-Reise nach den Spuren des alten und den Boten des neuen Fußballs. Halt macht er auch in München, um mal zu schauen, was der deutsche Branchenführer dafür tut, international den Anschluß an die Spitze wiederzufinden. Um seine Kritik am Training und an der Transfer- und Spielerpolitik der Bayern zu formulieren, führt der Spiegel einige, wenn auch anonyme, Zeugen an: „Jahr für Jahr klagen die Herren des FC Bayern ja, daß Italiener und Engländer mehr Fernsehgeld kriegen (richtig) und daß die Bayern deshalb nicht mithalten können (falsch). Wer ein paar Tage am Trainingsgelände an der Säbener Straße zubringt, lernt, daß auch in München nicht alles so professionell zugeht, wie es könnte. Oder sollte. Auch die Bayern, das sagen Bayern, kaufen recht populistisch ein. Sie kaufen für zehn Millionen Euro Daniel van Buyten, oberes Bundesliga-Niveau, aber keine Weltklasse, und für zehn Millionen Lukas Podolski, den nicht einmal Felix Magath haben wollte, doch sie lassen Stefan Kießling von Nürnberg nach Leverkusen wechseln, den eigene Scouts für stärker als Podolski halten. Ein Spieler eines Konkurrenten spielt gut gegen die Bayern – gesehen und gekauft. Sie verlängerten sehr früh so gut wie alle Verträge und waren handlungsunfähig, als in Italien, wegen der Manipulationsaffäre, jede Menge Weltstars verfügbar wurden. Sie kaufen keinen Spielgestalter, obwohl sie einen brauchen.“ Auch in der Torhüterposition sieht der Spiegel seine Kritik bestätigt: „Sie kümmern sich nicht einmal ums eigene Tor. Kahn ist 37 Jahre alt, und den Ersatzmann Michael Rensing finden auch die, die mit ihm trainieren, ‚am Ende nicht stark genug‘. Müßte nicht langsam Robert Enke ins Bayern-Tor? Oder Roman Weidenfeller? Letztlich geht es darum, wie diskret, wie geschickt, wie konsequent man eine Mannschaft baut, damit sie eine große wird. Wie Arsène Wenger bei Arsenal? Wie Frank Rijkaard in Barcelona? Wie Thomas Schaaf und Klaus Allofs in Bremen? Uli Hoeneß mochte das nicht diskutieren, Karl-Heinz Rummenigge gilt seit Monaten als mißgelaunt. Es gibt beim FC Bayern Menschen, die den Club schon für schlagkräftiger hielten. “

Heinz-Wilhelm Bertram (BLZ) irritiert, wie die Bayern im Zerren um Ruud van Nistelrooy ihre zwei besten Stürmer aus dem Vorjahr als Transfermasse erachtet haben: „Die Bayern gaben eine unglückliche Rolle ab. Von dem gewieften Holländer zur Preistreiberei instrumentalisiert, ließen sie sich im sicheren Gefühl, den Deal dennoch zu machen, dazu hinreißen, Roy Makaay und Claudio Pizarro überstürzt dem Hamburger SV anzubieten. Und das war nun wirklich neu für den FC Bayern: aktiver Teilnehmer daran zu sein, selbst solch verdiente Spieler wie Makaay auf dem Fußballmarkt gefühlskalt wie Schachbrettfiguren zu verschieben. Das Beispiel van Nistelrooy zeigt aber auch, daß dem Meister seit Jahren kein großer Coup auf dem Transfermarkt mehr geglückt ist; die Bayern gefallen sich fast nurmehr in der Rolle des Rahmabschöpfers im eigenen Lande.“

Leidenschaftsloser Pflichtfußball

In den Fokus gerät auch der Trainer; Bertram entblößt Magath, den vermeintlichen Freund der Jugend und des Angriffsfußballs, und beruft sich dabei auf : „Magath liefert sich dem Verdacht aus, sein einstiges Jugendkonzept beim VfB Stuttgart nur notstandshalber praktiziert zu haben. Er brüskierte förmlich den Nachwuchs, den er nur sporadisch und für Kurzeinsätze brachte. Womit er sich beim Vorstand keine Freunde machte. Intern wird getuschelt, nicht er habe die Jungspunde Andreas Ottl, Christian Lell und Stephan Fürstner Richtung Profikader vorgeschoben. Überdies hatte Magath vor zwei Jahren angekündigt: ‚Wir wollen nicht nur erfolgreichen, sondern auch attraktiven Fußball spielen.‘ Kaum etwas in dieser Richtung geschah. So soll der leidenschaftslose Pflichtfußball Hoeneß entgegen den öffentlichen Aussagen seit längerem auf den Magen schlagen, wobei die Diskrepanz zwischen der visionären Bayern-Arena und dem banalen Ballgeschiebe für den Manager ein besonderes Reizthema darstellen soll.“ Bertram prognostiziert ein hartes Jahr für die Bayern: „Auch wenn Hoeneß den Trainer Magath vom gröbsten formalen Zwang befreite mit der Vorgabe, Titel seien in der anbrechenden Saison sekundär – Magath und der gesamte FC Bayern dürften vor einer schwierigen Saison stehen. Mit Blick auf ein fast neu zu zementierendes Fundament könnte es sogar die schwierigste seit Jahren werden.“

Lesen Sie dazu die beiden langen heutigen Interviews (oder eins davon) in der FAZ und in der SZ, in denen Magath sich verteidigt

In Bayern werden die größten deutschen Talente gern bequem

Im Mai übt Klaus Theweleit (NZZ) sehr substantielle Kritik am mächtigsten und reichsten deutschen Fußballklub: „Der FC Bayern und seine Führung sind das größte Hindernis für eine Entwicklung des deutschen Fußballs auf ein höheres spielerisches Niveau: indem Hoeneß gezielt jede Konkurrenz kaputtkauft und die eingekaufte Spielintelligenz unter Durchschnittstrainern wie Magath nicht selten auf der Bank verhungern läßt. (Eine Ausnahme war Ottmar Hitzfeld.) Hoeneß‘ Verfahren ist ohne Frage effektiv. Bloß: Er schwächt damit systematisch die deutschen Vereine im europäischen Vergleich. Das Nationalteam interessiert die Bayern nur in dritter Linie, als Wertsteigerungs- und Propagandainstrument für die eigenen Spieler und des eigenen Einflusses auf das Fußballgeschehen im Land.“

Und Christian Eichler (FAS) beschreibt im April die Hegemonie der Bayern als Hemmnis für die Bundesliga und die Nationalelf: „Die Macht der Bayern ist schlecht für den deutschen Fußball – und für sie selbst. Ihr ökonomischer Erfolg hält ihnen Rivalen vom Hals, beschert ihnen auf dem Silbertablett das Beste vom deutschen Spielermarkt – und das, anders als Top-Teams in England, Italien, Spanien, ohne Konkurrenten auf Augenhöhe. Dieses Monopol beschert leichte Meistertitel, kostet aber, mangels heimischer Herausforderung, Konkurrenzfähigkeit in Europa. Die Bayern greifen die größten deutschen Talente ab, dort werden sie gern bequem. Mehmet Scholl ist ein Beispiel dafür, wie man sich gemütlich einrichten kann. Mit dem Mut, ins Ausland zu gehen, hätte er ein Weltstar werden können.“

Tsp-Interview mit Karl-Heinz Rummenigge über die Probleme der Bayern in der Saisonvorbereitung und den italienischen Skandal
Welt-Interview mit Uli Hoeneß: „Ich finde gut, daß Bremen endlich mit dem Kopf aus dem Sand schaut“

Nahrung für Bundesliga-Optimisten

In einem diplomatischen Kommentar zum Saisonstart gewinnt Roland Zorn (FAZ) der WM und Klinsmann Lernergebnisse ab, ohne jemanden aus der Liga vor den Kopf stoßen zu wollen: „Wer jetzt die reizvollen Angebote, welche die deutsche Mannschaft und ihr Bundestrainer bei der Weltmeisterschaft parat hatten, übersähe, wäre schon ziemlich verblendet. Mehr Teamgeist, mehr Jugendlichkeit, mehr Neugier auf technische und taktische Schulung, kreativere Fitnessübungen plus ein Zusatzangebot an psychologischen Hilfen können der Weiterentwicklung deutscher Bundesligaprofis nicht schaden,“ schreibt Zorn einerseits, um andererseits einzuwerfen: „So richtig es ist, daß Klinsmanns Wirken einen originären und großen Beitrag zur aktuellen Erfolgsgeschichte geliefert hat, so falsch ist es, der Bundesliga Versäumnisse vorzuwerfen und den Klubs pauschal Kampfbegriffe wie ‚Traditionalismus‘ oder ‚altes Denken‘ um die Ohren zu hauen.“ Buddha-ähnlich blickt er zurückschauend nach vorne: „An der Bundesliga ist es nun, mehr Mut zu zeigen, die Augen und Ohren offenzuhalten, um den Aufschwung des heimischen Fußballs ins Werk zu setzen. Die Fans, die im Juni und Juli wie die Weltmeister gefeiert haben, möchten sich aufs neue betören lassen von Fußball-Heldentaten mutiger Eroberer. Der anhaltend üppige Dauerkartenumsatz, beträchtliche Wachstumsraten beim Trikotsponsoring und den Fernseheinnahmen, steigende Mitgliederzahlen in den Vereinsgroßfamilien, die wiederentdeckte Bereitschaft, etwas mehr in neues Personal zu investieren, die erkennbar größere Quote an verheißungsvollen Jungprofis und dazu die neue Lust der Bayern-Jäger aus Bremen, Hamburg oder Schalke, die eigenen Titel-Begehrlichkeiten zu artikulieren, all dies ist Nahrung für Bundesliga-Optimisten.“

NZZ: „Die neue Zeitrechnung? Die Bundesliga nach der WM vor dem Start – eine Bestandsaufnahme: Die Hoffnung auf attraktiven Fußball, genährt von den Auftritten des Nationalteams an der WM, verbinden viele Fans mit dem Start der Bundesliga. Anlaß zur Skepsis ist gegeben“
Tsp: Alle Vereine im Vor-der-Saison-Test
BLZ: In der Bundesliga drängen zahlreiche Nachwuchsspieler in die Stammformation ihrer Vereine – nicht alle werden es schaffen

taz-Interview mit Hans Meyer über die Arbeit Jürgen Klinsmanns und die Meisterchance des 1. FC Nürnberg

BLZ: „Der Anderthalbligist – die Sparkommissare des Aufsteigers Alemannia Aachen setzen auf Mythos, Kult und ihre Heimstärke“

FAZ: „Borussia Dortmund – David Odonkors neue Nebenrolle und Christoph Metzelders Altlast“
BLZ: „Der Straßenfußballer – Dortmund setzt große Hoffnungen auf den neuen Spielmacher Steven Pienaar, einen Südafrikaner“

BLZ: „Besinnung im gallischen Dorf – der Aufsteiger Energie Cottbus hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt: Er will nicht nur die Klasse halten, sondern auch Schulden in Höhe von 4,5 Millionen Euro abtragen“

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